Bundesrichter Thomas Fischer beanstandet mangelhafte Gewaltenteilung. Außerdem in der Presseschau: Petition fordert Reform des § 362 StPO, ein Verurteilter fordert höhere Strafe für sich selbst und Affäre um das Labor Schottdorf – ein Justizskandal?
Thema des Tages
Fischer zu Gewaltenteilung: Die Gewaltenteilung ist eine richtig gute Idee, findet Bundesrichter Thomas Fischer und legt in seiner zeit.de-Kolumne dar, warum es sie in Wahrheit nicht wirklich gebe. Die Judikative sei "bis in ihre innersten Strukturen, Empfindsamkeiten und Gedankenwelten geprägt von der Exekutive, und auch von ihr abhängig". Fischers Forderung also: Unabhängigkeit der Justiz.
Rechtspolitik
Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten: Der Vater der vor 35 Jahren ermordeten Frederike Möhlmann hat eine Petition mit 104.630 Unterschriften beim Bundesjustizministerium eingereicht. Sie spricht sich für eine Reform des § 362 Strafprozessordnung aus. So solle das Strafverfahren zuungunsten des Verurteilten auch wieder aufgenommen werden können, wenn "neue, vom Bundesgerichtshof anerkannte wissenschaftliche Methoden einen freigesprochenen Täter überführen", weiß die Welt (Christine Kensche).
Ceta: Der NRW-Landtagsabgeordnete Folke große Deters (SPD) widmet sich auf juwiss.de in seinem zweiten Beitrag zum Investitionsschutz bei Ceta demokratischen Problemen des geplanten Freihandelsabkommens. Sein Fazit: "Die institutionelle Verankerung von Investor-Sonderrechten drängt konkurrierende Interessen wie Umweltschutz, Verbraucherschutz oder Arbeitnehmerrechte strukturell in die Defensive."
Obergrenze: Jasper von Altenbockum (FAZ) bringt sein Unverständnis über den Streit zur Asylobergrenze zum Ausdruck: Das Grundgesetz erlaube sogar eine Grenze, die gegen Null gehe. Da eine unbegrenzte Integration legaler und illegaler Flüchtlinge das Asylrecht und letztlich die Außengrenzen gefährde, begrüßt er den Vorschlag der CSU: Es brauche ein – mit nationalem und EU-Recht abgestimmtes – angemessenes, jährliches, nationales Kontingent, "0 plus X".
Grundsteuerreform: Am kommenden Freitag wollen vierzehn Bundesländer einen Gesetzentwurf zur Reform der Grundsteuer in den Bundesrat einbringen. Für die neue Grundsteuer sollen die Grundstücke anhand von Bodenrichtwerten sowie Baujahr und Wert des darauf gebauten Gebäudes neu bewertet werden. Die Länder wollen damit dem Bundesverfassungsgericht zuvor kommen. Der Bundesfinanzhof hatte Karlsruhe angerufen, weil er die veraltete Berechnung anhand von Einheitswerten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz hält, berichtet die FAZ (Manfred Schäfers). Die taz (Hannes Koch) schildert, warum die Reform letztlich die Mieter in Ballungsgebieten belasten würde.
Justiz
LG Hannover – Säureattacke: Nachdem das Landgericht Hannover ihn nach einer Säureattacke auf seine Ex-Freundin zu 12 Jahren Freiheitsstrafe wegen schwerer Körperverletzung verurteilt hat, ist Daniel F. nun in Revision gegangen. Er fordert 15 Jahre Haft für sich, meldet spiegel.de. Wie lto.de schreibt, werde die Revision wohl keinen Erfolg haben – wegen Rechtsmittelverzichts und des Verschlechterungsverbots bei Revision des Verurteilten.
OLG München – NSU: "Sind Ihnen Kriterien für die Auswahl der Opfer der Tötungsdelikte bekannt?" Dies ist die Kernfrage der rund 20 Fragen, die Richter Manfred Götzl an die Angeklagte Beate Zschäpe gerichtet hat. Diese drehten sich auch darum, wie das Leben der NSU-Mitglieder im Untergrund verlief. Die Angeklagte werde die Fragen schriftlich beantworten. Das Gericht erwäge zudem die Briefbeschlagnahme, die ein Nebenklageanwalt vergangene Woche bereits beantragen wollte, gibt zeit.de (Tom Sundermann) den Verhandlungstag wieder. Auch die SZ (Tanjev Schultz) bringt eine Meldung.
Wie die Welt (Per Hinrichs) schildert, bestehen immer noch Zweifel dahingehend, dass der ehemalige Verfassungsschützer Andreas Temme die Schüsse auf das NSU-Opfer Halit Yozgat nicht gehört hat, obwohl er sich zur Tatzeit im Nebenraum dessen Internetcafés aufhielt. Die Nebenklageanwälte der Familie Yozgat planen, am kommenden Dienstag einen Beweisantrag einzureichen, um in einem Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, dass Temme die Schüsse wahrnehmen konnte.
OLG Düsseldorf – Sven Lau: Im Prozess gegen Sven Lau berichtete Dominic Musa Schmitz, ein Aussteiger der Salafisten-Szene, darüber, wie er die Radikalisierung des Angeklagten erlebt habe. Er könne allerdings nicht bezeugen, wie Lau zwei Männer dazu bewegt haben soll, sich einer islamistischen Terrororganisation anzuschließen. Die FAZ (Reiner Burger) gibt den Verhandlungstag wieder.
LG Mannheim – Zuckerkartell: Vor dem Landgericht Mannheim läuft das Schadensersatzverfahren von Nestlé gegen Nordzucker, Südzucker und Pfeifer & Langen. Die drei größten Zuckerhersteller haben zwischen den Jahren 1995 und 2009 Preise, Quoten und Verkaufsgebiete miteinander abgesprochen. Nestlé fordert nun eine Entschädigung über 50 Millionen Euro und muss – wie auch andere klagende Unternehmen – darlegen, dass die Kartellabsprachen einen Schaden verursacht haben, schreibt die SZ (Felicitas Wilke).
BGH zu Zwangsabstieg: Der Norddeutsche Fußballverband (NFV) hätte nicht den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven verfügen dürfen, weil sich dieser weigerte, eine Ausbildungsentschädigung für einen Spieler zu bezahlen, entschied der Bundesgerichtshof. Der Fußballverein sei als Mitglied des NFV nur an dessen Satzung gebunden. Diese sehe allerdings keine Disziplinarstrafen in solchen Fällen vor und verweise auch nicht auf entsprechende Regelungen von DFB und Fifa – auf deren Geheiß hatte der Verband den Zwangsabstieg durchgesetzt. Die taz (Christian Rath) schildert den Fall im Ressort Leibesübungen.
BAW – Indischer Spion: Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen einen Mitarbeiter einer Ausländerbehörde erhoben. Sie wirft ihm geheimdienstliche Agententätigkeit vor und verdächtigt ihn, in 45 Fällen das Dienstgeheimnis verletzt zu haben, so SZ und FAZ (Till Fähnders). Er solle für den indischen Geheimdienst vor allem oppositionelle und extremistische Angehörige der Religionsgruppe der Sikhs ausspioniert und dabei auch seinen Zugang zu deutschen amtlichen Registern genutzt haben.
EuGH zu Störerhaftung: Die Anwälte Matthias Kloth und Robert Briske erläutern in einem FAZ-Gastbeitrag, warum das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Störerhaftung keinen Grund zu "übertriebenem Jubel" gebe. Unterlassungsansprüche und Abmahnungen gegen die Netzbetreiber seien nach wie vor möglich; Luxemburg weise lediglich "konkrete, wenn auch komplizierte Auswege".
Recht in der Welt
USA – Snowdens Anwalt: Anlässlich des neuen Films über Edward Snowden widmet sich tagesschau.de (Patrick Gensing/Silvia Stöber) dem Anwalt des Whistleblowers – insbesondere seiner Verbindung zum russischen Geheimdienst und seinen politischen Aktivitäten.
EuGH zu ESM-Krisenpaketen: Wenn die EU-Kommission im Auftrag des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein Abkommen mit einem EU-Staat abschließt, ist sie hierbei an EU-Grundrechte gebunden. Das hat der EuGH beschlossen und damit das EU-Gericht erster Instanz korrigiert. Konkret ging es um Klagen von Anlegern zypriotischer Banken, die im Ergebnis aber als unbegründet abgelehnt wurden. Der Bericht von spiegel.de (Markus Becker) sammelt Stimmen, die betonen, dass nun auch die Betroffenen der EU-Sparpolitik klagen können.
Sonstiges
Schottdorf-Affäre: Der Untersuchungsausschuss Labor hat seinen Bericht vorgelegt, in dem er die Affäre um den Laborarzt Bernd Schottdorf als "Versagen von Justiz und Politik" bezeichnet. Die Strafjustiz habe 10.000 falsch abrechnende Ärzte nicht verfolgt. Jan Keuchel (Hbl) nimmt Anstoß an dem "Justizskandal von erheblichem Ausmaß" und erläutert, weshalb die Willkür sehr leicht zu erkennen sei. Letztlich hätten die Ankläger die viele Arbeit gescheut und daher "Gerechtigkeit nach Gutsherrenart" geübt. Dies sei allerdings nur möglich gewesen, weil die Politik dies gutgeheißen habe.
Das Letzte zum Schluss
Dieb mit Höhenangst: Da hat der Fluchtplan nicht so ganz hingehauen... Ein Jugendlicher, der zusammen mit drei weiteren in einen Imbiss eingebrochen sein soll, ist über ein Treppenhaus getürmt und auf dem Dach eines nahegelegenen Schuppen gelandet. Nachdem er dort die Nacht verbracht hatte, fiel ihm wohl am nächsten Morgen seine Höhenangst ein – wie gut, dass sein Freund und Helfer zur Stelle war. Nachbarn hatten die Polizei verständigt, die den jungen Mann nach der Rettung allerdings auch gleich festnahm, meldet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. September 2016: Fischer für unabhängige Justiz / Petition für StPO-Reform / Verurteilter für höhere Strafe . In: Legal Tribune Online, 21.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20641/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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