Am heutigen Montag befasst sich der SPD-Parteikonvent mit dem umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Außerdem in der Presseschau: DJT zu Ende gegangen und der BND wird wegen Überwachung verklagt.
Thema des Tages
Ceta: Am heutigen Montag wird sich der SPD-Parteikonvent zum umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta positionieren. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wirbt um Zustimmung, verspricht eine "gemeinsame, rechtsverbindliche Erklärung" zwischen Kanada und der EU und beruft sich auf EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland, die "formale Klarstellungen" versprochen haben. Gegenwind kommt von der Straße. Am Samstag haben nach Angaben der Veranstalter 320.000 Menschen gegen TTIP und Ceta demonstriert. Montags-SZ (Alexander Mühlauer) und Montags-FAZ (Hendrik Kafsack) berichten. Die BadZ (Christian Rath) berichtet ebenfalls und weist darauf hin, dass eine "rechtsverbindliche Erklärung", wie von Gabriel versprochen, ein Widerspruch in sich ist. Rechtsverbindlich wäre nur ein Zusatzabkommen.
In einem Kommentar warnt Malte Kreutzfeldt (Montags-taz) vor einem "Durchwinken" des Vertrags. Zumindest müsse die vorläufige Anwendung verhindert werden, damit das Abkommen später in Bundestag und Bundesrat noch gestoppt werden kann. Die Sozialdemokraten Ann Linde und Michael Roth vertreten hingegen in einem Gastbeitrag für die Samstags-FAZ die Auffassung, dass eine progressive Politik Ceta und TTIP nicht fürchten muss, sondern Globalisierung aktiv gestalten soll. Heribert Prantl (Montags-SZ) erinnert an frühere SPD-Parteitage, bei denen Vorsitzende Versprechungen gemacht haben, die sie nicht immer einhalten konnten.
Im Interview mit spiegel.de (David Böcking) äußert Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Schiedsgerichtshof mit europäischem Recht und fordert ein Gutachten durch den Europäischen Gerichtshof. Der Jurist und SPD-Politiker Folke Große Deters gibt auf juwiss.de einen Überblick über das Sonderrechts-Regime für Investoren durch Ceta.
Rechtspolitik
Deutscher Juristentag: Am Freitag ist der 71. Deutsche Juristentag in Essen zu Ende gegangen. Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) schildert seine Eindrücke von der Veranstaltung, die er als "so etwas wie ein Superkirchentag, bei dem alle Konfessionen und einige Sekten zusammenkommen", bezeichnet, und fasst – ebenso wie lto.de – die wichtigsten Debatten und Beschlüsse zusammen. Während sich die familienrechtliche Abteilung mit Forderungen nach der Anerkennung moderne Familienkonzepte sehr fortschrittlich gezeigt habe, sei das "Klischee vom konservativen Juristentag" bei der zurückhaltenden Haltung zur erweiterten Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen bedient worden.
DJT – Kameras in Gerichtssälen: Die verschiedenen beim Juristentag vertretenen Positionen zur geplanten Videoübertragung aus Gerichtssälen stellt deutschlandfunk.de (Gudula Geuther) vor. Diskutiert aber letztlich abgelehnt wurde das Modell des Jugoslawien-Tribunals, bei dem nach bestimmten Regeln gefilmt wird, es sei denn ein Zeuge widerspricht.
DJT – Personengesellschaftsrecht: Rechtsprofessor Ulrich Noack (Handelsblatt-Rechtsboard) stellt die Beschlüsse des Deutschen Juristentags zum Personengesellschaftsrecht vor.
DJT – Flüchtlingspolitik Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) berichtet von der Schlussveranstaltung zur Flüchtlingspolitik, bei der Verfassungsrichter Ulrich Maidowski die letzten Asylrechtsverschärfungen als "nicht immer praxisrelevant" bezeichnete.
DJT – Neuer Präsident: Beim Deutschen Juristentag wurde auch ein neuer Präsident gewählt. Der Münchner Rechtsprofessor Mathias Habersack wird in den nächsten Jahren der Ständigen Deputation vorsitzen. Zusätzlich wurden Marie Luise Graf-Schlicker als Stellvertretende Vorsitzende und Peter Götz von Olenhusen als Schatzmeister in den geschäftsführenden Ausschuss gewählt, wie lto.de meldet.
Asyl-Obergrenze: Im Interview mit dem Spiegel (Markus Feldenkirchen/Ralf Neukirch – Vorab-Meldung) hat CSU-Parteichef Horst Seehofer seine Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge bekräftigt. Im Hinblick auf den Dissens mit Kanzlerin Angela Merkel sagte Seehofer: "Wir werden auf die Obergrenze von 200.000 nicht verzichten. Da geht es schlicht und einfach um unsere Glaubwürdigkeit." Die Samstags-BerlZ (Christian Bommarius) weist auf eine Aussage von Wolfgang Schäuble im ZDF hin, die darauf hindeutet, dass der Finanzminister auch eine Obergrenze befürwortet.
Laut Albert Schäffer (Samstags-FAZ) liegen die Positionen von CDU und CSU gar nicht so weit auseinander. Die Obergrenze der CSU sei "nichts anderes als das Angebot eines deutschen Kontingents von 200.000 Flüchtlingen in einem neu aufgesetzten Schengen-Dublin-System", in dem Flüchtlinge, die über "sichere Drittstaaten" eingereist sind, nicht aufgenommen werden müssen.
Solidaritätszuschlag: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will nach Informationen des Focus (Frank Thewes) den Solidaritätszuschlag abbauen. Anderenfalls könnte das Bundesverfassungsgericht die Erhebung des Zuschlags bald für verfassungswidrig erklären, meinen Juristen aus dem Finanzministerium.
BND-Gesetz: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Teile des geplanten BND-Gesetzes verfassungswidrig sind. netzpolitik.org (Simon Rebiger) fasst das Gutachten zusammen und beleuchtet die Hintergründe.
Burka-Verbot: Der Rechtsprofessor Felix Ekardt vertritt auf lto.de die Auffassung, dass ein allgemeines Burka-Verbot verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Der Staat dürfe persönliche Glückskonzepte und Weltanschauungen nicht reglementieren. Auch der emeritierte Juraprofessor Rudolf Steinberg kommt in einem Beitrag für die FAS zu dem Ergebnis, dass ein allgemeines Burka-Verbot gegen die Religionsfreiheit verstößt. Die Burka sei jedoch "Symbol eines islamistischen Islams", gegen den der Staat mit Präventionsprogrammen und internationaler Zusammenarbeit vorgehen müsse.
Musterklagen: Vor einem Jahr hat Bundesjustizminister Heiko Maas angekündigt, eine Art Musterklage für Verbraucher einzuführen. Klaus Ott (Montags-SZ) kritisiert, dass noch immer kein Gesetzentwurf vorliegt. Die "Hinhalte-Taktik" schade der Justiz und treibe Verbraucher in die Hände von Großkanzleien, die "das große Geschäft" erhoffen.
Rehabilitierung Homosexueller: Patrick Bahners (FAS) begrüßt die geplante Rehabilitierung Personen, die wegen homosexueller Handlungen verurteilt wurden, und kritisiert den von Gegnern postulierten absoluten Gegensatz von Unrechtsstaat und Rechtsstaat: "Die Geschichte des Paragraphen 175 zwingt zu der Einsicht, dass es Unrecht auch im Rechtsstaat gibt."
Justiz
EuGH – Störerhaftung: Im Interview mit der Samstags-taz (Svenja Bergt) erklärt Volker Tripp, Jurist und politischer Referent beim Verein Digitale Gesellschaft, was die EuGH-Entscheidung zur Störerhaftung für WLAN-Betreiber bedeutet.
LG Braunschweig – VW-Abgasskandal: Nach Bayern fordern jetzt auch Baden-Württemberg und Hessen Schadensersatz von Volkswagen, wie die Samstags-FAZ (Christian Müßgens) meldet. Insgesamt haben inzwischen über 6.600 Investoren beim Landgericht Braunschweig Klage eingereicht. Die Samstags-SZ (Thomas Fromm u.a.) erläutert das Vorgehen verschiedener Anwälte, darunter US-Anwalt Michael Hausfeld, der schon in den USA VW-Kunden vertreten hat, sowie der früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum, der einen außergerichtlichen Vergleich anstrebt. Die FAS (Corinna Budras) stellt den Anlegeranwalt Andreas Tilp vor, der mehr als 1.000 Klagen eingereicht hat.
BVerwG – De-Cix gegen BND: Der Betreiber des weltweit größten Internet-Knotenpunkts De-Cix klagt gegen die strategische Fernmeldeüberwachung durch den BND. Das Unternehmen stützt sich unter anderem auf ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier. netzpolitik.org (Constanze Kurz) und zeit.de (Kai Biermann) erläutern den Sachverhalt sowie die rechtlichen Argumente.
AG München zu FC Bayern: Das Amtsgericht München will den FC Bayern München e.V. nicht aus dem Vereinsregister streichen. Das melden spiegel.de und lto.de. Zuvor hatte Rechtsprofessor Lars Leuschner die Löschung angeregt.
LG Berlin – Raubüberfall im Immobilienbüro: In der Gerichtskolumne der Samstags-FAZ (Klaus Ungerer) geht es um einen Raubüberfall in einem Immobilienbüro, der vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird. Dort geht es unter anderem um die Beweiskraft eines gefundenen Zigarettenstummels.
LG Neuruppin – Mordprozess nach 41 Jahren: Die WamS (Christine Kensche) schildert den Fall von Erna F., der vorgeworfen wird, vor 41 Jahren ihren Sohn umgebracht zu haben. Lange ging man davon aus, dass es sich um einen Gasunfall handelte, bis Jahrzehnte später ein anonymer Brief auftauchte. Bald wird das Landgericht Neuruppin unter Anwendung von DDR-Gesetzen ein Urteil sprechen.
Kuriose Kündigungen: Anwälte der Kanzlei Eversheds haben für das Handelsblatt-Rechtsboard Urteile zu den fünf kuriosesten Kündigungsgründen zusammengetragen.
Elektronisches Anwaltspostfach: Das besondere elektronische Anwaltspostfach ist betriebsbereit, soll jedoch erst am 29. September in Betrieb genommen werden. Vorher muss jedoch noch der Bundesrat über die Verordnung zum Anwaltspostfach entscheiden und der Anwaltsgerichtshof Berlin einstweilige Anordnungen aufheben. Zudem wird in einem weiteren Verfahren die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung angezweifelt. Unklarheit besteht außerdem bezüglich der Frage, ob Nutzer mit Test-Emails die Empfangsbereitschaft erklären, schreibt lto.de (Pia Lorenz).
Buch von Klaus Volk: Die Montags-SZ (Hans Leyendecker) stellt das Buch "Die Wahrheit vor Gericht" von Klaus Volk vor, der als Anwalt Prominente wie Boris Becker und Josef Ackermann vertreten hat und in Erlangen, Konstanz und München Strafrecht gelehrt hat.
Jutta Limbach: Nachrufe auf die verstorbene frühere Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach haben jetzt auch ihr Vorgänger Roman Herzog im Focus sowie Dietmar Hipp (Spiegel) verfasst.
Recht in der Welt
IStGH – Umweltverbrechen: Wie die Samstags-SZ (Stefan Ulrich) berichtet, will der Internationale Strafgerichtshof künftig schwerste Fälle von Umweltzerstörung und Landraub als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden. Ein Fall aus Kambodscha beschäftigt bereits die Den Haager Anklagebehörde.
Sonstiges
Immobilien als Nachlass: Die Samstags-FAZ ( Barbara Brandstetter) erklärt, wie die Erbschaft geplant werden kann, insbesondere, wenn es um Immobilien geht. Statt die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen, empfehle sich in vielen Fällen das Berliner Testament, gegebenenfalls mit Pflichtteilsstrafklausel und Änderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten. Um Steuern zu sparen, käme eine Schenkung an die Kinder in Kombination mit einem Nießbrauch zugunsten des Ehegatten in Betracht.
Online-Rechtsberatung: Die Montags-Welt (Max Zimmermann) stellt FragRobin vor, ein Start-up, das Rechtsberatung im Internet anbietet. Verbraucher können über ein Formular ihre Probleme schildern und erhalten im besten Fall eine schnelle Antwort auf ihre Rechtsfrage. Anders als bei anderen Angeboten fallen bei FragRobin für die Erstberatung keine Kosten an. Der Deutsche Anwaltverein sieht die Online-Rechtsberatung gelassen und prognostiziert dem Markt Wachstum.
Fritz-Bauer-Preis für Gefangenengewerkschaft: Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union hat die bundesweite Gefangenen-Gewerkschaft mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet. Das meldet die Montags-taz. Die Gewerkschaft setzt sich unter anderem für einen Mindestlohn und Rentenbeiträge im Gefängnis ein. Die Laudatio bei der nach dem ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt benannten Preisverleihung hielt Strafrechtsprofessorin Kirstin Drenkhahn.
Das Letzte zum Schluss
Klage wegen Dildo: Eine US-Bürgerin verklagt einen kanadischen Dildo-Hersteller auf Schmerzensgeld. Sie sieht sich in ihrer Privatsphäre verletzt, weil das Sexspielzeug, das über Bluetooth mit einem Smartphone verbunden wird, sensible Daten an den Server des Herstellers sende, schreibt spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. bis 19. September 2016: Streit um Ceta / DJT beendet / Klage gegen BND . In: Legal Tribune Online, 19.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20615/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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