Die Bundesregierung hat einen Auskunftsanspruch für Scheinväter auf den Weg gebracht. Außerdem in der Presseschau: In Gerichten sollen zukünftig Kameras zugelassen werden und im NSU-Prozess ist die Sommerpause vorbei.
Thema des Tages
Scheinväter: Das Kabinett hat ein Gesetz zur Regelung von Unterhaltsregressansprüchen von Scheinvätern auf den Weg gebracht. Danach sollen Scheinväter gegenüber der Mutter einen Anspruch auf Auskunft über Sexualpartner haben. Der Regressanspruch, dessen Geltendmachung dadurch ermöglicht werden soll, soll jedoch gesetzlich auf zwei Jahre beschränkt werden. Bundesjustizminister Heiko Maas begründet das damit, dass ein Scheinvater in den ersten Jahren "typischerweise ein gewöhnliches Familienleben" gelebt habe, dessen vollständige finanzielle Rückabwicklung nicht sinnvoll sei. Die FAZ (Mona Jaeger) und die taz (Christian Rath) erläutern den Gesetzentwurf sowie dessen Vorgeschichte: Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass für einen Auskunftsanspruch eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert den Gesetzentwurf als "Werkzeugkasten mit Folterinstrumenten, um die Mutter zu Auskünften über einen früheren Sexualpartner zu zwingen". Statt mit dem Auskunftsanspruch massiv in die Persönlichkeitsrechte der Mutter einzugreifen, solle der Regressanspruch des Scheinvaters ganz abgeschafft werden. Simone Schmollack (taz) gibt zu bedenken, dass die Mütter selbst oft nichts von dem Kuckuckskind wissen. Wenn Mütter – aus welchem Grund auch immer – keine Auskunft erteilen, helfe auch kein Anspruch. Mona Jaeger (FAZ) hält den Auskunftsanspruch für sinnvoll, "nicht nur um Unterhalt für sogenannte Kuckuckskinder zurückzufordern, sondern auch um böse Zweifel zu zerstören", und Dagmar Rosenfeld (Zeit) meint, dass der Gesetzentwurf auch die Position "betrogener Kinder" stärkt.
Die Rechtsanwältin Marieluise Becker-Busche begrüßt im Gespräch mit der SZ (Simon Pötschko) die Reform. Den Regressanspruch sieht sie auch als "eine Art Schmerzensgeld" an. Über das geplante Gesetz und dessen Folgen spricht spiegel.de (Christian Neeb) zudem mit Familienrechtsexpertin Kerstin Aust.
Rechtspolitik
Videoübertragung aus Gerichtssälen: Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem zukünftig wichtige Urteilsverkündungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Fernsehen übertragen werden dürfen. Außerdem sollen Verfahren mit großem Andrang in einen Arbeitsraum für Journalisten übertragen und Verfahren von zeitgeschichtlicher Bedeutung aufgezeichnet werden. zeit.de und netzpolitik.org (Markus Reuter) fassen die geplante Änderungen zusammen. Die FAZ (Alexander Haneke/Reinhard Müller) lässt Praktiker zu Wort kommen, die die Änderung kritisch sehen. Auch die Präsidenten der obersten Bundesgerichte seien dem Vernehmen nach sehr skeptisch eingestellt.
In einem gesonderten Kommentar gibt Reinhard Müller (FAZ) zu bedenken, dass die Grundrechte der Beteiligten geschützt werden müssten und eine Übertragung den Prozess verändern wird: "Eine Live-Justiz wird in einer Manege mit Showmastern, Clowns und Opfern spielen." Pia Lorenz (lto.de) hält solche Ängste für übertrieben: "Von amerikanischen TV-Schlachten jedenfalls sind die heute eingeläuteten Veränderungen in etwa so weit entfernt wie Karlsruhe von New York."
Ausbildung für Makler: Makler sollen zukünftig Prüfungen ablegen müssen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung beschlossen, wie bild.de meldet. Jan Heidtmann (SZ) begrüßt die Änderung, fordert jedoch weitergehend, dass Makler eine mehrjährige Ausbildung abschließen müssen.
BKA-Gesetz: Die Bundesregierung würde bei der Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum BKA-Gesetz auf Zeit spielen, kritisiert netzpolitik.org (Anna Biselli) unter Berufung auf die Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion.
Erbschaftsteuer: Das Hbl (Donata Riedel) erläutert die Auseinandersetzung um die Erbschaftsteuer. Am 8. September wird sich der Vermittlungsausschuss mit dem Thema befassen.
AfD zu Strafrecht: Manuel Ladiges analysiert auf lto.de die strafrechtlichen Forderungen aus dem Grundsatzprogramm der AfD. Die Partei fordere eine "durchgreifende Alternative zum geltenden Strafrechtssystem", die im Widerspruch zu Grundprinzipien des deutschen Rechts stünde.
Neue Richterin am BVerfG: Die BGH-Richterin Yvonne Ott soll Richterin am Bundesverfassungsgericht werden. Sie soll den Platz von Reinhard Gaier übernehmen, meldet lto.de.
Neuer Präsident des BSG: Rainer Schlegel ist als Präsident des Bundessozialgerichts eingeführt worden. Der Jurist, der auf Vorschlag der Union ernannt wurde, war zwischenzeitlich als Abteilungsleiter im Bundesarbeitsministerium abgeordnet. Der bisherige Präsident Peter Masuch wurde bei dem Festakt, von dem die FAZ (Reinhard Müller) berichtet, verabschiedet.
Justiz
BVerfG – Ceta: Über 125.000 Bürger haben gegen das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada Ceta Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie kritisieren das Klagerecht für Investoren und befürchten eine Aushöhlung des Vorsorgeprinzips. Zudem wurden Eilanträge eingereicht, mit denen die sofortige Anwendung des Abkommens verhindert werden soll. Die BadZ (Christian Rath) erläutert die rechtlichen Probleme und räumt den Eilanträgen wenig Erfolgsaussichten ein.
OLG München – NSU: Am ersten Tag nach der Sommerpause im NSU-Prozess wurden Behördengutachten, Vermerke, Berichte und Aufzählungen von Asservaten verlesen. Mit Spannung wird erwartet, ob sich Beate Zschäpe zum rätselhaften Tod von Böhnhardt und Mundlos äußern wird. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet.
OLG Düsseldorf – Edeka/Tengelmann: Die mit den Gewerkschaften Verdi und NGG abgeschlossenen Tarifverträge reichen nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums aus, um die Sondergenehmigung zum Kauf von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka in Kraft zu setzen. Das melden die FAZ (Helmut Bünder/Hendrik Wieduwilt) und das Hbl (Volker Votsmeier). Wirtschaftmsinister Sigmar Gabriel hatte die Ministererlaubnis unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass tarifvertraglich der Schutz von Arbeitsplätzen abgesichert wird. Der Zusammenschluss bleibt jedoch unsicher, weil das Oberlandesgericht die Fusion vorläufig gestoppt hat.
LAG Hamm zu Kündigung wegen Facebook-Post: Das Landesarbeitsgericht Hamm hat eine Kündigung wegen rassistischer Äußerungen auf Facebook bestätigt. Ein 32-Jähriger hatte sich abwertend und gewaltverherrlichend zu Flüchtlingen geäußert und wurde deswegen von seinem Arbeitgeber entlassen. Das Gericht hält die Kündigung für rechtmäßig, da die Äußerungen die Firma in ein schlechtes Licht rücken könnten. lawblog.de (Udo Vetter) schildert die Entscheidung.
ArbG Berlin – Kündigung bei Turkish Airlines: Das Arbeitsgericht Berlin wird sich am Freitag mit der Kündigung eines Arbeitnehmers durch die deutsche Direktion von Turkish Airlines befassen. Der Kläger wirft dem Unternehmen vor, dass er wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung entlassen worden sei. Turkish Airlines behauptet hingegen, dass die Kündigung rein wirtschaftliche Gründe habe. Der Kläger ist bereits mit einem Eilantrag gegen seine Freistellung gescheitert, berichtet die taz (Minh Schredle).
Recht in der Welt
Österreich – Wahl des Bundespräsidenten: In vier Wochen findet die Wiederholung der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich statt. Inzwischen gibt es deutliche Kritik an der Entscheidung des Verfassungsgerichts, das die erste Stichwahl für ungültig erklärt hatte. Die obersten Richter hätten "den Boden der Verfassung verlassen", zitiert die SZ (Cathrin Kahlweit) den österreichischen Verfassungsrechtler Heinz Mayer.
Juristische Ausbildung
Jurastudent Horst Mahler: Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat die Akten ihrer ehemaligen Stipendiaten und späteren RAF-Terroristen Ulrike Meinhof, Horst Mahler und Gudrun Ensslin veröffentlicht. Mahler hat in den 1950er Jahren in Berlin Jura studiert. Die Zeit druckt Auszüge aus Semesterberichten und Gutachten, unter anderem von Juraprofessor Dietrich Oehler, ab.
Sonstiges
Steuern von Apple: Deutschland verlangt voraussichtlich keinen Steuernachschlag von Apple. Die Kommission hatte am Dienstag die Steuerabsprachen zwischen Irland und Apple für unzulässig erklärt und Steuernachzahlungen in Höhe von 13 Milliarden Euro gefordert. Gleichzeitig hatte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den anderen Mitgliedstaaten nahegelegt, die dort angefallene Gewinne nachträglich zu versteuern. Deutschland plant jedoch nach einem Bericht der taz (Eric Bonse) nicht, tätig zu werden. Das Hbl (Till Hoppe/Thomas Jahn) lässt Rechtsexperten zu Wort kommen, die den von Irland und Apple angekündigten Klagen wenig Erfolgschancen einräumen. Die SZ (Bastian Brinkmann u.a.) beantwortet die wichtigsten Fragen zum Steuerstreit.
Umgang mit religiösen Symbolen: Anhand der anhaltenden Diskussionen um Kopftuch, Burka und Burkini, erläutert der Rechtsprofessor und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD Hans Michael Heinig in der FAZ wie in verschiedenen Ländern unterschiedlich mit religiösen Symbolen umgegangen wird. Religionsfreiheit und Gleichbehandlung sei zwar in allen westlichen Staaten garantiert, diese Prinzipien würden jedoch kaum Orientierung leisten. So führe der strenge Laizismus in Frankreich zu vielen Kleidungsverboten, die auch von den Gerichten überwiegend gebilligt werden, während der zwanglose Umgang mit religiösen Bekundungen in England und Kanada "durch langgepflegte rechtspluralistischen Traditionen erleichtert" würde. Deutschland gehe einen Mittelweg, der Kleidungsvorschriften nur in bestimmten Fällen zulasse.
Hypothetische Entscheidungen: Der Richter am Oberlandesgericht Frankfurt Peter Bub befasst sich in der FAZ mit hypothetischen Kausalverläufen, die etwa bei der Beurteilung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung über Kapitalanlagerisiken oder medizinische Operationen eine Rolle spielen. Da die Aussagen des Betroffenen, wie er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte, niedrigen Beweiswert haben, Zeugen fehlen und Sachverständigenrat auch nicht eingeholt werden kann, sei es erforderlich, dass Richter über ökonomisches und sonstiges "Weltwissen" verfügen, um hypothetische Entscheidungen beurteilen zu können.
Föderalismusreform: Zehn Jahre nach Inkrafttreten der Föderalismusreform fragt die FAZ (Alexander Haneke), was sie gebracht hat. Zitiert wird eine Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung, nach der der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze von 55 auf 39 Prozent gesunken ist, was auf die Reform des Artikel 84 des Grundgesetzes zurückzuführen sei. Unklar sei noch die Auslegung des ebenfalls geänderten Artikel 104a, der die Länder vor finanziellen Verpflichtungen schützen soll.
Das Letzte zum Schluss
Einbrecher sucht Rat: Ein Einbrecher hat in Saarbrücken Rat gesucht – bei der Polizei. Er informierte sich beim einem Beratungsstand über ein ausgestelltes Sicherheitsfenster, als einer der anwesenden Polizisten ihn erkannte und festnahm. Der Einbrecher wurde mit Haftbefehl gesucht, weil er durch ein Toilettenfenster in ein Gebäude eingestiegen und 56,90 Euro geklaut haben soll. lawblog.de (Udo Vetter) berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. September 2016: Anspruch für Scheinväter / Kameras in Gerichten / NSU-Prozess geht weiter . In: Legal Tribune Online, 01.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20444/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag