Wenn eBay-Verkäufer auf ihre eigenen Artikel bieten, kann das teuer werden, entscheidet der BGH. Außerdem in der Presseschau: Diskussion um Gina-Lisa Lohfink, Musiklehrer wegen Freiheitsberaubung verwarnt und darf Bayern aus der EU austreten?
Thema des Tages
BGH zu regelwidrigen eBay-Käufen: Gibt ein eBay-Verkäufer mit einem Zweitaccount Gebote auf seinen eigenen Verkauf ab, sind diese unwirksam. Zusätzlich sind auch alle darauffolgenden, durch das Mitbieten des Verkäufers beeinflussten Preisgebote unwirksam – und eine Einigung kommt über den letzten Preis zustande, der vor dem Eingreifen des Verkäufers feststand. Das entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH) und bestätigte einen Kaufvertrag über einen VW Golf zum Preis von 1,50 Euro. Spätere Gebote bis hin zum Höchstgebot von 17.000 Euro änderten daran nichts mehr. Da der Verkäufer den Wagen anderweitig veräußerte, muss er Schadensersatz in Höhe des Marktwerts von 16.500 Euro leisten.
Wie der BGH aber in einem weiteren Urteil andeutete, kann das Geltendmachen eines solchen Schadensersatzanspruchs rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Käufer sich als "Abbruchjäger" betätigt – also allein in der Hoffnung eines späteren Ersatzanspruchs bietet und dann darauf hofft, dass der Verkauf entgegen der eBay-Regeln abgebrochen wird. Im hierzu entschiedenen Fall wies der BGH die Klage nur aufgrund fehlender Prozessführungsbefugnis ab, hielt aber die rechtliche Bewertung der Vorinstanz, die einen Rechtsmissbrauch angenommen hatte, für vertretbar. Es berichten faz.net, FR (Ursula Knapp) und die SZ (Wolfgang Janisch).
Hendrik Wieduwilt (FAZ) meint, die "Erwägungen sind teils akrobatisch", aber: "Recht ist plastisch. Mit Gaunern kommt es allemal zurecht."
Rechtspolitik
Carsharing: Das Hbl (Lukas Bay/Daniel Delhaes) berichtet vom Entwurf eines neuen Carsharing-Gesetzes, das bundeseinheitliche Regelungen für die noch neue Carsharing-Branche herstellen soll. Vorgesehen sind Privilegien beim Parken, aber auch Auflagen für Anbieter, beispielsweise ökologische Standards und Vorgaben für die Preisfestlegung. Viele Punkte des Gesetzentwurfs fallen jedoch in die Zuständigkeit der Länder, so dass diese letztlich entscheiden, inwieweit sie die Regelungen umsetzen.
Cybersicherheit: Der deutsche Innenminister de Maizière hat gemeinsam mit Frankreichs Innenminister Cazeneuve eine Erklärung "zur Erhöhung der inneren Sicherheit in Europa" herausgegeben, in der ein Fokus auf schärferen Regelungen für die Internetkommunikation liegt. netzpolitik.org (Markus Reuter) erläutert die Forderungen, unter anderem Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, Beschränkung des Providerprivilegs und Uploadfilter, und kritisiert sie als "harter Tobak für Grund- und Freiheitsrechte".
TTIP: Unter dem Titel "The TTIP Negotiations Innovations: On Legal Reasons for Cheer" befasst sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin Elaine Fahey auf verfassungsblog.de in englischer Sprache mit den aktuellsten Entwicklungen der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Es zeige sich, dass der EU ein großes Vertrauen entgegengebracht werde, den internationalen Handel voranzutreiben.
Verbraucherschutz: Anlässlich der Verabschiedung des verbraucherpolitischen Berichts hat Bundesjustizminister Maas die Fortschritte im Verbraucherschutzrecht gelobt, berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Es sei gelungen, den Verbraucherschutz "dort anzusiedeln, wo alltagswirksame Entscheidungen getroffen werden", was erfolgreich sei. Als Beispiele hob er die eindeutige Kennzeichnung kostenpflichtiger Internetbuttons und die Pflicht der Besteller zur Übernahme von Maklergebühren, wodurch die Mieter entlastet würden, hervor.
Justiz
AG Berlin-Tiergarten zu Gina-Lisa Lohfink: Auch nach der Verurteilung Gina-Lisa Lohfinks am Montag wegen falscher Verdächtigung gehen die Meinungen über den Fall auseinander. Rechtsanwalt Alexander Stevens schreibt auf lto.de über Falschbeschuldigungen im Sexualstrafrecht, Feministinnen, die ohne Sachkenntnisse das Strafverfahren für ihre Zwecke nutzten und wo der eigentliche "Skandal" liege: "Skandal ist, dass die Berliner Justiz Gina-Lisa Lohfink sogar noch mit einer milden Geldstrafe entgegenkam". Auch die Zeit (Dagmar Rosenfeld) kritisiert: "Gut möglich, dass dieses Verfahren tatsächliche Opfer sexueller Gewalt künftig abschreckt, Anzeige zu erstatten. Das liegt jedoch nicht am Gericht, sondern an Gina-Lisa und ihren Anwälten, die diesen Prozess zu einem Spektakel herabgewürdigt haben." Hingegen meint Gesine Palmer in einem Essay in der Welt, die Richterin habe sich entschieden, die Beweismittel nicht als Vergewaltigung zu werten, was rechtlich nicht zu beanstanden sei. Damit sei Lohfink aber nicht der Lüge "überführt", denn es blieben weiterhin verschiedene Interpretationen des Geschehens möglich. Auch Juliane Löffler (freitag.de) schreibt, Geschichten über Vergewaltigungen "laufen nicht logisch ab, sondern kompliziert und widersprüchlich", jedoch: "Es ist keine gute Strategie, während eines laufenden Strafprozesses ein mediales Beurteilungsfeuerwerk zu betreiben."
LG Dresden – Entführung und Mord: Im Prozess um die Tötung der 17-jährigen Anneli hat die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den mutmaßlichen Haupttäter Markus B. gefordert, dem Mitangeklagten wirft sie Mord durch Unterlassen vor. Zunächst waren 1,2 Millionen Euro Lösegeld gefordert, das Mädchen dann allerdings getötet worden, berichtet spiegel.de. Die Zeit (Anne Hähnig) befasst sich ausführlich mit dem "grotesken Doppelleben" des Markus B.
VG Aachen zu Kuttenverbot: Das Verwaltungsgericht Aachen hat entschieden, dass die Stadt Aachen Ende vergangenen Jahres zu Recht das öffentliche Tragen von Rockerkutten untersagte. Vorangegangen waren Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen, die eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt hätten, woran gemessen das Verbot verhältnismäßig gewesen sei. Geklagt hatte der Präsident der Stuttgarter Hells Angels, berichtet spiegel.de.
LG Berlin – Tötungsprozess: Die Welt (Per Hinrichs) berichtet ausführlich über den Tötungsprozess gegen Jorge V., der am heutigen Mittwoch in Berlin beginnt. Der 39-Jährige, der offenbar regelmäßig Drogen konsumierte, soll im Affekt seine Freundin erstochen haben, als sie ihm auf die Nerven ging.
AG Neuss zu Musiklehrer: Das Amtsgericht Neuss hat gegen einen Musiklehrer eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen, weil dieser seine Schüler so lange am Verlassen des Klassenraums gehindert hatte, bis diese einen Text abgeschrieben hatten. Er muss nun eine Fortbildung im Umgang mit schwer disziplinierbaren Jugendlichen absolvieren, um die Geldstrafe von 1.000 Euro nicht zahlen zu müssen, schreibt die SZ (Bernd Dörries).
ArbG Köln zu Witwenrente: Der Arbeitgeber darf die Witwen-Betriebsrente kürzen, wenn ein großer Altersunterschied zwischen den Ehepartnern besteht. Die diesbezügliche Regelung in der Pensionsordnung stelle eine Benachteiligung im Sinne des AGG dar, diese sei allerdings gerechtfertigt, entschied das Arbeitsgericht Köln nach einer Meldung von lto.de.
LAG Schleswig-Holstein: Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitgeber regelmäßig Leiharbeiter für die Dauer von drei Monaten trotz verweigerter Zustimmung des Betriebsrats einsetzt und eine gerichtliche Entscheidung hierüber nicht herbeigeführt werden kann, weil das Arbeitsgericht innerhalb von drei Monaten nicht terminieren kann. Das entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Mai, meldet blog.beck.de (Christian Rolfs).
"Strafverteidigerschelte": Nach der Urteilsverkündung gibt die Strafprozessordnung dem Richter nicht die Befugnis zu beliebigen Meinungskundgaben, die über die Urteilsgründe hinausgehen, schreibt Rechtsanwalt Philip von der Meden auf lto.de. Überzogene Kritik am Verhalten des Verteidigers verletzt dessen Persönlichkeitsrechte – etwa wenn diesem, wie jüngst vom Landgericht München I, öffentlich die Begehung von Straftaten vorgeworfen wird. Hiergegen sollte sich gewehrt werden.
beA: AnwVs.de schreibt über das lange geplante besondere elektronische Anwaltspostfachs: Das Bundesjustizministerium wolle zwar mittels einer Rechtsverordnung die Einführung wie angekündigt bis zum 29.09.2016 ermöglichen. Allerdings werde es "im Rahmen einer Übergangsphase bis 31. Dezember 2017 keine Nutzungspflicht geben". Wer das beA für die rechtswirksame Zustellung nutzen möchte, müsse auf seiner Website oder auf dem Briefkopf ausdrücklich seine Zustimmung erklären.
Recht in der Welt
Frankreich – Burkini: Die taz (Rudolf Balmer) schildert die rechtlichen Hintergründe der hitzigen Debatte um das Verbot von sogenannten Burkinis am Strand. Ab dem heutigen Donnerstag wird hierüber vor dem obersten Verwaltungsgericht verhandelt.
USA – Todesstrafe: Ein US-Amerikaner, der seit 32 Jahren im Gefängnis sitzt, hat als bisher einziger Mensch einen Hinrichtungsversuch mittels Giftspritze überlebt. Er klagt jetzt vor dem Supreme Court gegen einen zweiten Tötungsversuch. Die SZ (Kathrin Werner) schildert die Hintergründe des Falles.
Schweiz – Masseneinwanderungsgesetz: Die FAZ (Johannes Ritter) berichtet, dass die Schweiz unter Druck steht, weil die 2014 beschlossene Initiative "gegen Masseneinwanderung" bis Februar 2017 in die Praxis umgesetzt sein muss, sich jedoch mit den Grundsätzen des EU-Rechts zum jetzigen Zeitpunkt nicht vereinbaren lässt. Da seit der Brexit-Abstimmung die Stimmung in Brüssel angespannt ist, was Sonderregeln angeht, könnte eine Umsetzung der Einwanderungsinitiative zum Scheitern bilateraler Verträge führen.
Sonstiges
EU-Austritt: Nachdem in Großbritannien eine knappe Mehrheit der Wähler für das Ausscheiden aus der EU votiert hat, wird über den Ausstieg weiterer Mitgliedstaaten spekuliert. Rechtsdozent Mike Wienbracke erläutert auf lto.de, welche Regelungen für einen Austritt nach dem EU-Recht und dem deutschen Verfassungsrecht gelten. Er kommt zu dem Schluss, dass nach dem Grundgesetz weder Deutschland noch ein Bundesland, etwa Bayern, austreten dürften.
Formulararbeitsverträge: Die Rechtsanwälte Ali Machdi-Ghazvini und Sabine Schröter informieren auf dem Handelsblatt-Rechtsboard darüber, welche Regelungen ab Oktober 2016 für Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen beachtet werden müssen.
Voscherau gestorben: Der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Henning Voscherau (SPD), ist im Alter von 75 Jahren verstorben. Als promovierter Jurist war er auch als Notar und Rechtsanwalt tätig. Unter anderem die SZ (Jens Schneider) widmet ihm einen Nachruf.
Zivilschutz: Anlässlich der aktuellen Diskussion um Zivil- und Katastrophenschutz porträtiert die FAZ (Eckart Lohse) den Juristen und Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger.
Das Letzte zum Schluss
Streitfall Toilette: Die Benutzung des stillen Örtchens stellt sich mitunter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen als tückisch dar, insbesondere während der Arbeit – etwa wenn der Arbeitnehmer sich an der Toilettentür verletzt oder dem Arbeitgeber die Klogänge zu lange dauern. Mögliche arbeitsrechtliche Probleme skizziert Rechtsanwältin Manuela Beck auf kanzlei-hasselbach.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. August 2016: Neues zu eBay / Lehrer vor Gericht / Bayxit möglich? . In: Legal Tribune Online, 25.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20379/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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