Der Rabatt für Einheimische in einem bayerischen Freibad verstößt laut BVerfG gegen den Gleichheitssatz. Außerdem in der Presseschau: Reaktionen auf Urteil gegen Gina-Lisa Lohfink und Diskussion um Kurzarbeitergeld im Zulieferer-Streit.
Thema des Tages
BVerfG zu Freibad-Rabatt: Die Preisgestaltung eines Freibads aus dem Bertechsgadener Land, das den Einwohnern der beteiligten Gemeinden einen Rabatt gewährt, verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Das hat das Bundesverfassungsgerichts entschieden. Geklagt hatte ein Österreicher, der 2,50 Euro mehr zahlen musste als Einheimische. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass das Freibad, das sich zu hundert Prozent in öffentlicher Hand befindet, an die Grundrechte gebunden ist. Eine Bevorzugung von Einheimischen könne zwar grundsätzlich gerechtfertigt werden, im konkreten Fall sei das Vermarktungskonzept jedoch darauf angelegt, auswärtige Besucher anzuziehen. Neben der Verletzung des Gleichheitssatzes rügte das Bundesverfassungsgericht auch, dass das Oberlandesgericht die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat. Das sei eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Die FAZ (Reinhard Müller) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof) erläutern die Entscheidung.
Die SZ (Wolfgang Janisch) weist darauf hin, dass es für Kommunen schwer geworden ist Einheimische zu privilegieren. Das habe auch mit der EU zu tun, die erst einmal nur Europäer kenne.
Rechtspolitik
Mastanlagen: Wie die taz (Malte Kreutzfeldt) berichtet, will Bundesbauministerin Barbara Hendricks den Bau von Mastanlagen im Außenbereich erschweren, deren Betreiber sich bislang auf die "landwirtschaftliche Privilegierung" im Baugesetzbuch berufen könnten. Laut SZ (Michael Bauchmüller/Kristiana Ludwig) handelt es sich bei den Plänen um einen "Frontalangriff" auf Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der für eine landwirtschaftsfreundliche Politik bekannt sei.
CETA: Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden kündigt laut taz (Hannes Koch) Massenproteste gegen das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada an. Der Protest richtet sich auch an Sigmar Gabriel, der sich unter Verweis auf die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Investitionsgerichtshofs für CETA ausspricht. Heribert Prantl (SZ) hält dieses Unterfangen für schwierig: "Ein geplanter Investitionsgerichtshof wird nicht reichen, um eine kritische Masse zu überzeugen."
Doppelte Staatsangehörigkeit: Ronen Steinke (SZ) kritisiert, dass in der Debatte um die innere Sicherheit kaum Vorschläge von Grünen und Sozialdemokraten zu vernehmen seien. Die Union habe recht wenn sie innere Sicherheit und Integration zusammen betrachte, liege jedoch falsch, wenn sie glaube, dass man "auf der Kippe stehende junge Männer in die Gesellschaft zurückholt, indem man ihnen den Pass nimmt". Berthold Kohler (FAZ) kritisiert hingegen, dass dem Doppelpass "magische Kräfte" zugesprochen würden, und hält den "Multikulturalismus" für gescheitert.
Arbeitnehmerfreizügigkeit: Die Rechtsanwälte Ulrich Wolff und Bernd Meyring befassen sich in der FAZ mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Diese biete Arbeitnehmern ein schützendes Instrument, ohne das die EU zu einer reinen Freihandelszone verkommen würde.
Verteidigungsunion: Ruth Berschens sieht im Leitartikel des Hbl nach dem Brexit die Zeit für eine Europäische Verteidigungsunion gekommen. Das Ausscheiden Großbritanniens, das bei der gemeinsamen Rüstungs- und Verteidigungspolitik gebremst habe, könne so zu einem Integrationsschub führen.
Justiz
OLG Frankfurt – IS-Kämpfer: Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat der Prozess gegen einen mutmaßlichen IS-Kämpfer begonnen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, nach Syrien gereist zu sein, um den Islamischen Staat zu unterstützen. Die taz (Christoph Schmidt-Lunau) berichtet vom Prozessauftakt.
LG Cottbus – BER-Bestechung: Der Prozess wegen mutmaßlicher Bestechung in Zusammenhang mit dem Flughafen-Neubau in Berlin hat nach einem Bericht der FAZ (Mechthild Küpper) mit einem Geständnis begonnen. Der ehemalige Flughafen-Bereichsleiter erklärte vor Gericht, 150.000 Euro Bestechungsgeld erhalten zu haben, um sich im Gegenzug dafür einzusetzen, dass Firmen-Nachtragsforderungen für Arbeiten am Flughafen in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro ungeprüft überwiesen werden. Auch die Angeklagten, die das Geld gezahlt haben, waren geständig, behaupteten jedoch, der FBB-Bereichleiter habe das Geld von ihnen gefordert.
AG Berlin-Tiergarten zu Gina-Lisa Lohfink: Nach dem Prozess gegen Gina-Lisa-Lohfink, die am Montag wegen falscher Verdächtigung verurteilt worden ist, nachdem sie zwei Bekannte der Vergewaltigung bezichtigt hatte, wird Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig für eine frühere Stellungnahme kritisiert, in der sie den Fall genutzt hatte, um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zu fordern. Bundesjustizminister Heiko Maas stellte indessen klar, dass er "nicht im Team Gina-Lisa" gewesen sei, so die Welt (Sabine Menkens).
Für Jost Müller-Neuhof (Tsp) ist die Art und Weise, wie Politiker das Verfahren gegen Lohfink für politische Zwecke gebrauchten, beispiellos. Katrin Gottschalk (taz) fordert hingegen Solidarität mit Gina-Lisa Lohfink: "Es braucht ein #TeamGinaLisa, um all denjenigen ein Zeichen zu senden, die nach einer Vergewaltigung denken, dass ihnen ohnehin niemand glaubt." Für Paul Wrusch (taz) taugt das verurteilte Model hingegen nicht zur "Galionsfigur des Feminismus". Christian Bommarius (BerlZ) ist sogar der Meinung, dass ihre Unterstützerinnen das Urteil auch auf sich selbst beziehen dürften.
In ihrer Kolumne auf spiegel.de kritisiert Margarete Stokowski die Berichterstattung über den Prozess. Die Medien hätten dazu beigetragen, "dass sehr viele Frauen, die vergewaltigt werden, sich gegen eine Anzeige entscheiden, weil sie ahnen, wie scheußlich so ein Prozess verlaufen kann". Der Staatsanwältin wirft sie vor, mit der Aussage, falsche Verdächtigungen kämen häufiger vor als gedacht, Öl ins Feuer zu gießen.
StA Berlin – Weisung zu "netzpolitik.org": Über die Diskussion um die umstrittene Weisung von Bundesjustizminister Heiko Maas bezüglich der Ermittlungen gegen die Betreiber von "netzpolitik.org" berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof).
LG Düsseldorf zu Schummel-Software: Käufer von Autos mit eingebauter Schummel-Software können nicht ohne weiteres vom Kaufvertrag zurücktreten, sondern müssen dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Nacherfüllung setzen. Das hat das Landgericht Düsseldorf in einem Fall entschieden, in dem ein Audi-Fahrer vom Händler den Kaufpreis zurückverlangte. Die FAZ und lto.de fassen das Urteil zusammen.
Klagen wegen Zuckerkartell: Den Zuckerherstellern Südzucker, Pfeifer & Langen und Nordzucker, die nach Ermittlungen des Bundeskartellamtes von 1996 bis 2014 illegale Absprachen getroffen haben, droht eine Klagewelle. Über 35 Kläger verlangen nach Informationen des Hbl (Volker Votsmeier) insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro Schadensersatz. Das Landgericht Mannheim hat inzwischen einen Gutachter beauftragt, der klären soll, ob die Zuckerpreise zu hoch ausgefallen sind.
Recht in der Welt
CAS zu Paralympics-Ausschluss von Russland: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat den Ausschluss des russischen Teams von den Paralympischen Spielen in Rio bestätigt. Das meldet die SZ (René Hofmann). Das Internationale Paralympische Komitee hatte den Ausschluss auf den Bericht gestützt, den der kanadische Jurist Richard McLaren im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur erstellt hat.
USA – Zweifel an Geständnis: Seit über 30 Jahren sitzt der Deutsche Jens Söring in Haft. Er wurde nach einem Geständnis in den USA wegen eines Doppelmordes verurteilt. Doch es mehren sich die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Geständnisses. Die SZ (Karin Steinberger) schildert den Fall.
Indien – Einheitliche Steuern: Das indische Parlament hat einer Verfassungsänderung zugestimmt, nach der zukünftig in allen Bundesländern einheitliche Steuern erhoben werden. Bisher sind Unternehmen mit unterschiedlichen Vorschriften und Steuersätzen von 29 Bundesstaaten und der Zentralregierung konfrontiert. Auch in Zukunft sollen Abweichungen bei der Mehrwertsteuer für einige Produkte möglich sein, schreiben die Rechtsanwälte Benjamin Parameswaran und Johann-Friedrich Fleisch in der FAZ.
Großbritannien – EU-Austritt: Andreas Zielcke (SZ) befasst sich mit der Frage, ob die britische Regierung oder das Parlament den Austritt aus der EU in Gang bringen darf. Nach seiner Auffassung verbiete es "schon der schlichte demokratische Verstand", einen "epochalen Akt für das Land wie den Bruch mit Europa ohne die Zustimmung seiner Volksvertreter auszulösen".
Juristische Ausbildung
Reform des Jurastudiums: Nachdem bekannt geworden ist, dass das Jurastudium bundesweit vereinheitlicht und entschlackt werden soll, wird über die zukünftigen Inhalte gestritten. So betont die Richterin Isabell Götz, Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, in einem Beitrag für die "Neue Juristische Wochenschrift" die Bedeutung des Familienrechts, mit der Begründung, dass es um Kinder gehe. Die FAZ (Jochen Zenthöfer) fragt, was stattdessen gekürzt werden könne, und schlägt ironisch das Strafprozessrecht vor. Da gehe es um Kriminelle.
Sonstiges
VW-Zulieferer-Streit: Laut einem Beitrag von Rechtsanwalt Thomas Lapp auf blog.beck.de war der inzwischen beigelegte Streit zwischen VW und dem Zulieferer Prevent ein Fall für eine Mediation.
Kurzarbeitergeld: Der Streit zwischen Volkswagen und dem Zulieferer Prevent, der zu Produktionspausen in mehreren VW-Werken führte, hat eine Diskussion über das Kurzarbeitergeld ausgelöst. Das Geld wird von der Bundesagentur für Arbeit gewährt, wenn die Arbeitszeit infolge wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses vorübergehend verkürzt wird. Ob ein unabwendbares Ereignis vorliegt, muss jetzt zumindest im Fall des Produktionsstandortes Emden geprüft werden, wo VW an einem Antrag auf Kurzarbeitergeld festhält. Der Rechtsprofessor Manfred Löwisch (Handelsblatt-Rechtsboard) kommt zu dem Ergebnis, dass VW mit Kurzarbeitergeld nicht geholfen werden darf. Das Hbl (Peter Thelen) erläutert die gesetzlichen Regelungen und schildert die Kritik am Vorgehen von VW. Der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, kritisiert, dass VW die Allgemeinheit für eigene Versäumnisse zur Kasse bitte, und fordert eine gesetzliche Klarstellung.
Gleichstellung in Behörden: Im Gespräch mit lto.de (Pia Lorenz) erklärt der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht Dieter Kugele, wie die Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst gefördert wird. Die Änderungen im Bundesgleichstellungsgesetzes im Jahr 2015 bewertet der Gleichstellungsexperte als positiv, vor allem weil sie die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt hätten. Dass sich nun auch Männer auf das Gesetz berufen können, könnte ein "prozessrechtliches Monster" geschaffen haben, sei aber praktisch kaum relevant.
Fischer zu Recht und Richtern: In seiner Kolumne auf zeit.de kritisiert Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, die seiner Ansicht nach weit verbreitete "überhebliche Attitüde gegenüber der Sprache des Rechts" und erläutert die Richterbesoldung, die nach seiner Meinung zu gering und zu unterschiedlich ausfällt.
Abmahnbeantworter: Der Chaos Computer Club hat gemeinsam mit dem Förderverein Freie Netzwerke einen "Abmahnbeantworter" ins Netz gestellt. Er soll Betroffenen dabei helfen, sich gegen unberechtigte Abmahnungen für angebliche Urheberrechtsverletzungen zu wehren. spiegel.de (Andreas Albert) und zeit.de (Kai Biermann) stellen das Tool vor. Die Anwälte Maximilian Greger (copyrightblog.de) und Markus Kompa (kanzleikompa.de) raten von der Benutzung ab.
Das Letzte zum Schluss
Polizei bemalt autonomes Zentrum: Die Hamburger Polizei hat die Portraits von vier Kollegen übermalt, die an der Wand des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel zu sehen waren. Aktivisten hatten über den Slogan "Gefunden!", der auf eine aktuelle Werbekampagne der Polizei anspielt, die Gesichter von vier Beamten plakatiert, die in den letzten Jahren verdeckte Ermittlungen in der linken Szene durchgeführt hatten. Diese sahen sich zumindest teilweise in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt und erstatteten Anzeige. Ein Sprecher der roten Flora nahm die Polizeiaktion gelassen und erklärte gegenüber ndr.de, die Polizei habe offenbar etwas zu vertuschen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. August 2016: Diskriminierung im Freibad / Politik im Lohfink-Prozess / Diskussion um Kurzarbeitergeld . In: Legal Tribune Online, 24.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20369/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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