Die juristische Presseschau vom 11. August 2016: "Ber­liner Erklär­ung" zu Innen­po­litik / Ärzt­liche Schwei­gepf­licht / Kritik an Ver­tei­di­gern im Wiesn-Pro­zess

11.08.2016

Justiz

BVerfG zu Schmerzensgeld für Castor-Gegner: Ein Castor-Blockierer, der 2011 mehrere Stunden von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde, hat Anspruch auf Schmerzensgeld. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams war bereits festgestellt worden, weil die festgehaltenen Demonstranten keinem Richter vorgeführt wurden, obwohl ein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet war. Der daraufhin geltend gemachte Anspruch auf Schmerzensgeld wurde jedoch vom Landgericht Lüneburg abgelehnt, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht schwerwiegend genug gewesen sei. Dem widersprach das Bundesverfassungsgericht. Die mehrstündige Freiheitsentziehung sei eine nachhaltige Beeinträchtigung, die auch geeignet sei, von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit abzuhalten. Der Demonstramnt habe daher einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Die taz (Christian Rath) und lawblog.de (Udo Vetter) erläutern die Entscheidung.

LG München I zu Oktoberfest-Attacke und Verteidigerverhalten: Das Landgericht München I hat eine Frau wegen versuchten Totschlag zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Frau hatte beim Oktoberfest im vergangenen Jahr mit einem Messer auf einen Mann eingestochen, nachdem dieser ihren Bekannten, den ehemaligen Fußballnationalspieler Patrick Owomoyela, rassistisch beleidigt hatte. Das Gericht erkannte bedingten Vorsatz. Für Schlagzeilen hatte bereits der Prozess gesorgt. Der Verlobte der Angeklagten, ein Millionär, hatte einen Entlastungszeugen gekauft, der gar nicht auf der Wiesn war. Ihn erwartet ein Verfahren wegen Anstiftung zur Falschaussage. Auch den Anwälten der Verurteilten, darunter der Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate, macht das Gericht schwere Vorwürfe. Sie hätten "jegliche professionelle Distanz zu ihrer Mandantin verloren", so der Vorsitzende der Kammer. Wegen eines "lancierten" Artikels im Spiegel sei der Anfangsverdacht einer Straftat gegeben. Die taz (Patrick Guyton) und spiegel.de berichten vom Prozess.

Gisela Friedrichsen (spiegel.de) verteidigt die Verteidiger. Engagierter Einsatz für Mandanten sei nicht gleichbedeutend mit dem Verlust professioneller Distanz. Auch die Vorwürfe hinsichtlich des "lancierten" Artikels seien aus der Luft gegriffen. Wenn das Gericht "mit einer solchen Sorglosigkeit Vermutungen in die Welt setzt, die jeder Grundlage entbehren", dann dürfe es sich nicht wundern, wenn daraus der Schluss gezogen wird, "dass es ihm vor allem um die Diffamierung der Adressaten geht".

LG München II zu Kindesmissbrauch durch Pater: Das Landgericht München II hat einen ehemaligen Mönch des Benediktinerklosters im bayerischen Ettal zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Pater mehrmals sexuelle Handlungen an einem zu Beginn der Taten zwölf Jahre alten Internatsschüler vorgenommen hat und von dem Schüler an sich vornehmen ließ. In das Urteil wurde eine Freiheitsstrafe einbezogen, die bereits Anfang letzten Jahres verhängt worden war. Erst in der damaligen Verhandlung ist der Umfang des Missbrauchs bekannt geworden, so FAZ (Karin Truscheit) und spiegel.de.

Zentrale Stelle – NS-Verbrechen: Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen hat gegen acht Mitglieder der SS-Mannschaft in einem KZ bei Danzig Ermittlungen geführt und das Ergebnis an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Die Welt (Sven Felix Kellerhoff) erklärt, warum es erst jetzt dazu kam. Zum einem habe in den letzten Jahren die Meinung an Zustimmung gewonnen, dass die Zugehörigkeit zur Vernichtungsmaschinerie genüge, um wegen Beihilfe zum Mord angeklagt zu werden. Diese Rechtsauffassung habe die zentrale Stelle jetzt auch auf KZ ausgeweitet, die nicht als Vernichtungslager gelten.

BGH zu Patientenverfügung: Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den erforderlichen Inhalten einer Patientenverfügung beschäftigt sich jetzt auch die Welt (Matthias Kamann).

BGH – Bausparverträge: Der Bundesgerichtshof wird sich voraussichtlich mit Kündigungen von Bausparverträgen befassen müssen, schreibt das Hbl (Reiner Reichel). Wegen des niedrigen Zinsniveaus würden Bausparkassen versuchen, Altverträge mit hohen Guthabenzinsen zu kündigen. Dabei würden sie sich unter anderem auf § 489 BGB berufen, nach dem Darlehensverträge nach zehn Jahren gekündigt werden können. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist unterschiedlich. Während das Oberlandesgericht Hamm den Kassen in mehreren Fällen Recht gegeben hat, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart in zwei Fällen gegen die Bausparkasse Wüstenrot. Dass es nicht mehr Präzedenzfälle gibt, führen Verbraucherschützer darauf zurück, dass die Bausparkassen Vergleiche schließen, wenn das entscheidende Gericht zu erkennen gibt, dass sie unterliegen werden.

OLG Düsseldorf – Edeka/Tengelmann: Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf vorläufig gestoppte Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka war im Wirtschafts- und Arbeitsministerium schon vorher Zweifeln ausgesetzt. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die der FAZ (Hendrik Wieduwilt) vorliegen. So habe eine Juristin aus dem Bundesarbeitsministerium darauf hingewiesen, dass die Edeka abverlangte Vereinbarung zur Tarifbindung "verfassungsrechtliche Probleme" im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit aufwerfe. Zudem sei die von Gabriel behauptete Sicherung von Arbeitsplätzen von einer Referentin des Wirtschaftsministeriums in Frage gestellt worden. Die Dokumente wurden den Mitbietern als "interbehördliche Kommunikation" nicht zur Kenntnis gebracht.

LG Köln zu "www.fc.de": Der 1. FC Köln darf die Domain "www.fc.de" nutzen. Das hat das Landgericht Köln entschieden. Der Fußballverein hatte einen Mann verklagt, der die Domain gesichert und für die Übertragung 50.000 Euro verlangt hatte. Das Landgericht gab der Klage statt, da der 1. FC Köln in seinem Namensrecht nach § 12 BGB verletzt sei. Das Kürzel "FC" wirke durch die "lang andauernden und bundesweiten Benutzung" auf die beteiligten Verkehrskreise wie ein Name. lto.de (Marcel Schneider/Pia Lorenz) schildert den Fall.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. August 2016: "Berliner Erklärung" zu Innenpolitik / Ärztliche Schweigepflicht / Kritik an Verteidigern im Wiesn-Prozess . In: Legal Tribune Online, 11.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20264/ (abgerufen am: 04.07.2024 )

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