Die juristische Presseschau vom 11. August 2016: "Ber­liner Erklär­ung" zu Innen­po­litik / Ärzt­liche Schwei­gepf­licht / Kritik an Ver­tei­di­gern im Wiesn-Pro­zess

11.08.2016

Die unionsgeführten Innenministerien fordern Gesetze zur inneren Sicherheit. Außerdem in der Presseschau: De Maizière will ärztliche Schweigepflicht lockern und Richter kritisiert Anwälte nach Urteil zu Oktoberfest-Attacke.

Thema des Tages

"Berliner Erklärung" zur Innenpolitik: Eigentlich sollte erst in einer Woche die "Berliner Erklärung" der unionsgeführten Innenminister veröffentlicht werden, doch jetzt ist bereits ein Entwurf aus dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern bekannt geworden. Darin wird unter anderem die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft gefordert. Außerdem soll es mehr Polizisten und Videoüberwachung, schärfere Strafen für Einbrecher, ein Verbot der Vollverschleierung sowie schnellere Abschiebungen geben. Der Verfassungsschutz soll zudem Zugriff auf die Vorratsdatenspeicherung erhalten. Der Vorstoß stößt bei der Opposition, aber auch in der Bundesregierung auf Widerspruch. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, er sei nicht mit allem einverstanden, und eine Sprecherin der Bundesregierung erklärte, dass die Bundesregierung keine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts plane. Die taz (Anja Maier) und spiegel.de (Jörg Diehl u.a.) berichten.

In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Anja Maier (taz) die Erklärung als "Aktionismus-Programm", mit der sich die Union bei ihren Wählern beliebt machen wolle. Für Heribert Prantl (SZ) ist die beste Forderung aus der "Berliner Erklärung" die verstärkte Polizeipräsenz. Die Diskussion über ein Ende der doppelten Staatsbürgerschaft sei hingegen eine "pauschale Misstrauenskundgebung". Es dürfe nicht darum gehen, "die Gesellschaft zu homogenisieren". Positiver wertet Matthias Kamann (Welt) den Vorstoß. Schon die Länge der Liste an Vorschlägen sei zu begrüßen: Auf allen denkbaren Feldern müsse gesucht werden, auch wenn sich letztendlich nicht alle Vorschläge als sinnvoll erweisen würden.

Die SZ (Ronen Steinke) beantwortet kriminalpolitische und verfassungsrechtliche Fragen, die der Forderungskatalog der Union aufwirft. Unter anderem wird erläutert, ob ein Burkaverbot rechtlich zulässig ist und ob Videoüberwachung mehr Sicherheit bringt. Die Welt (Martin Lutz) befragt Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu den Vorschlägen.

Rechtspolitik

Ärztliche Schweigepflicht: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will die ärztliche Schweigepflicht lockern. Das berichtet die SZ (Guido Bohsem). Die Einzelheiten seien noch unklar, doch schon jetzt stehe fest, dass der Vorschlag auf Widerstand aus Ärzteschaft und SPD stoße. Zu Wort kommt unter anderem SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der die Gefahr sieht, dass psychisch Kranke nicht mehr zum Arzt gehen.

Laut Christian Rath ist die Lockerung aus diesem Grund "für den Schutz der Allgemeinheit kontraproduktiv". Schon heute dürften und müssten Ärzte sich den Behörden offenbaren, wenn sie von bevorstehenden Anschlägen erfahren. Oft seien die Hinweise jedoch nicht konkret genug. Daniel Decker (FAZ) schlägt vor, die Schweigepflicht sowie die Ausnahmen von ihr in der Aus- und Fortbildung von Ärzten und Therapeuten stärker zu thematisieren. Zudem könnte "eine Art ständiges Ethik-Konsilium" geschaffen werden, an das Ärzte sich im Zweifel wenden können. Die derzeitige Debatte trage jedenfalls eher zur Desorientierung bei.

Kinderrechte: In einem Gastbeitrag für die Zeit fordert Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins, die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz. Die Auffassung der Bundesregierung, dass die vom Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung der Grundrechte herangezogene UN-Kinderrechtskonvention ausreiche, weist er zurück.

Personenfreizügigkeit: In einem Gastbeitrag für die FAZ plädiert Ulrich van Suntum, VWL-Professor und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei Alfa, für eine kritische Überprüfung der Personenfreizügigkeit in der EU. Sie sei ökonomisch nicht begründbar und könnte nach Großbritannien weitere Länder zum Austritt bewegen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. August 2016: "Berliner Erklärung" zu Innenpolitik / Ärztliche Schweigepflicht / Kritik an Verteidigern im Wiesn-Prozess . In: Legal Tribune Online, 11.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20264/ (abgerufen am: 04.07.2024 )

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