Die juristische Presseschau vom 10. August 2016: Zehn Jahre AGG / Mehr innere Sicher­heit / Locke­rung des Zwe­ck­ent­f­rem­dungs­ver­botes

10.08.2016

Die Antidiskriminierungsstelle hat einen Bericht zum AGG vorgelegt und fordert darin zahlreiche Änderungen. Außerdem in der Presseschau: Innenminister der Union wollen mehr innere Sicherheit und BGH zur Patientenverfügung.

Thema des Tages

Zehn Jahre AGG: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist im August vor zehn Jahren in Kraft getreten. Aus diesem Anlass hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz eine Evaluation des Gesetzes vorgestellt. Die in dem Bericht geforderten Änderungen werden u.a. vom Hbl (Aloysius Widmann), taz (Heide Oestreich), spiegel.de (Heike Klovert) und der SZ (Constanze Bullion) dargestellt. So soll u.a. die Frist zur Klageerhebung von bisher zwei auf sechs Monate verlängert und ein Verbandsklagerecht eingeführt werden. Außerdem sollen Sonderregelungen im kirchlichen Arbeitsrecht auf so genannte "verkündungsnahe" Tätigkeiten beschränkt werden, berichtet die taz (Christian Rath). Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) zitiert den Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Steffen Kampeter und den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Fuchs, die den Katalog der geforderten Änderungen heftig kritisieren. Die Vorschläge gehörten in den Papierkorb, meinte danach beispielsweise Kampeter.

Frank Specht (Hbl) ist der Auffassung, dass die geforderten Verschärfungen den Betroffenen nicht helfen, die Arbeitgeber aber belasten würden. Die Vorschläge atmeten den Geist des Misstrauens und der Kontrolle. Detlef Esslinger (SZ) ist grundsätzlich skeptisch, dass mit Gesetzen Gerechtigkeit zu schaffen sei. Das gelte nicht nur für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, sondern auch für Projekte wie den Mindestlohn, die Frauenquote, die Mietpreisbremse und das geplante "Lohngerechtigkeitsgesetz". Positiver sieht Heide Oestreich (taz) das AGG: Für sie trägt das Gesetz dazu bei, Ängste abzubauen. In einem Gastbeitrag für focus.de geht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs harsch mit dem Bericht der Antidiskriminierungsstelle ins Gericht. Er bezeichnet ihn als "einzige Peinlichkeit" und kritisiert dabei insbesondere die aus seiner Sicht fehlende Wissenschaftlichkeit.

Rechtspolitik

Innere Sicherheit: focus.de berichtet über den Entwurf einer "Berliner Erklärung" aus der hervorgeht, dass die Innenminister von CDU und CSU die deutschen Sicherheitsgesetz verschärfen wollen. Danach soll es u.a. künftig keine doppelte Staatsbürgerschaft mehr geben und die Vollverschleierung verboten werden. Außerdem werden mehr Personal für die Sicherheitsbehörden sowie Langwaffen und Körperkameras für Polizisten gefordert.

Fahrverbot: Mit der Möglichkeit, ein Fahrverbot nicht mehr nur bei Verkehrsdelikten zu verhängen, befasst sich jetzt auch die FAZ (Alexander Haneke) und swr.de (Klaus Hempel). An dem Vorhaben gebe es massive Kritik, die beiden Bundestagsabgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katja Keul und Hans-Christian Ströbele halten den Vorstoß sogar für verfassungswidrig. Die SZ (Robert Roßmann) weist darauf hin, dass darüber bereits seit vielen Jahren diskutiert werde, schon 1992 war es ein Thema auf dem Deutschen Juristentag.

Daniel Deckers (FAZ) sieht den Vorstoß skeptisch. Die Strafe soll nur gegen jene verhängt werden, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel wäre, sie wäre also eine Art "Reichenstrafe". Damit speise sich das Strafbedürfnis weniger aus dem Sühne- oder Präventions- als aus dem (mit Sozialneid gemischten) Rachegedanken.

Für welche Delikte ein Fahrverbot derzeit verhängt werden kann, erläutert Rechtsanwalt Michael Burmann in einem Interview mit der SZ (Anette Zoch). Skeptisch äußert er sich zur Entkoppelung des Fahrverbotes von den verkehrsbezogenen Delikten. Es bestehe die Gefahr, dass in diesem Punkt die Akzeptanz für die Rechtsprechung sinke. Im Übrigen würde damit ein Sonderrecht für Führerscheininhaber geschaffen werden.

Kartellrecht: Dringenden Reformbedarf im Recht der Kartellverfolgung sieht in einem Gastbeitrag für das Hbl der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel. Die Kartellverfolgung sei zwar ein volkswirtschaftlich sinnvolles und wettbewerbspolitisch wichtiges Ziel, nehme jedoch in Deutschland zu oft rechtlich zweifelhafte Formen an. Die Konstruktion der Kartellbehörde als Ermittler, Ankläger und Entscheider in einem sei mit dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht vereinbar.

Hochschulakkreditierung: Der Philosophieprofessor Jens Halfwassen erinnert in der FAZ daran, dass hinsichtlich der Akkreditierung von Hochschulen die aktuelle Praxis vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bewertet wurde. Die jetzt vorgeschlagenen Änderungen am Verfahren beseitigen aus Sicht des Autors die Verfassungswidrigkeit nicht, vielmehr sollte das "Akkreditierungsmonstrum" ganz abgeschafft werden.

Wissenschaftskooperationen: Der frühere Rektor der Universität Heidelberg Peter Hommelhoff fordert in einem Gastbeitrag für die FAZ ein Tätigwerden des Gesetzgebers, um die Kooperation von Hochschulen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen in gesetzlich festgelegte institutionelle Formen zu gießen. Die bisher üblichen Individualvereinbarungen seien unbefriedigend und bergen die Gefahr von Regelungslücken.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. August 2016: Zehn Jahre AGG / Mehr innere Sicherheit / Lockerung des Zweckentfremdungsverbotes . In: Legal Tribune Online, 10.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20252/ (abgerufen am: 02.07.2024 )

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