Die juristische Presseschau vom 9. August 2016: Gabriel vs. OLG Düs­sel­dorf / Mus­ter­ver­fahren gegen VW / Juristen in der Türkei

09.08.2016

Wirtschaftsminister Gabriel zieht wegen der vorerst gestoppten Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann vor den BGH. Außerdem in der Presseschau: Das LG Braunschweig eröffnet das Musterverfahren gegen VW und der Türkei fehlen Juristen.

Thema des Tages

Gabriel zieht vor BGH: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geht gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vor, das die Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka vorläufig gestoppt hatte. Gabriel hat neben der Nichtzulassungsbeschwerde auch eine "zulassungsfreie" Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der Begründung, dass den Beteiligten kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt/Henrike Roßbach) weist darauf hin, dass das vorläufige Verfahren beim Bundesgerichtshof möglicherweise durch das Hauptverfahren überholt werden könnte, das noch beim Oberlandesgericht anhängig ist.

In einem Kommentar kritisiert Florian Kolf (Hbl) die Argumentation Gabriels, die Übernahme sei zulässig, weil sie dem Erhalt von Arbeitsplätzen diene. Es gebe keinen Beleg dafür, dass ohne die Übernahme 8.000 Jobs verloren gingen. Außerdem dürften im Zuge der Fusion Arbeitsplätze bei Edeka reduziert werden. Stefan Kaiser (spiegel.de) merkt an, dass es seinen Grund gehabt habe, "warum sich neben dem Kartellamt auch die Monopolkommission so vehement gegen die Übernahme ausgesprochen hat" und wirft Gabriel "Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart" vor.

Rechtspolitik

Rehabilitation von Homosexuellen: Die Grünen drücken bei der Rehabilitation und Entschädigung von verurteilten Homosexuellen aufs Tempo, schreibt die SZ (Constanze von Bullion). Dazu habe die Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ziel sei es, noch vor Ende der Legislaturperiode die Urteile aufzuheben, die auf diskriminierenden Straftatbeständen beruhen. Die Strafbarkeit einverständlicher homosexueller Handlungen wurde erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, die darauf basierende Urteile gelten jedoch fort, was die Grünen als fortbestehendes "staatliches Unrecht" bezeichnen. Justizminister Heiko Maas unterstützt das Anliegen, Opfer zu rehabilitieren und zu entschädigen.

Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert Juraprofessor Gregor Thüsing das geplante Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. Neben handwerklichen Schwächen und systematischen Fehlern bemängelt er die zentralen Regelungen als nicht zielführend. Das Gesetz gehe weit über die Regelungen zur Lohngleichheit hinaus, die im Ausland üblich seien. Ob es zu einem Mehr an Lohngerechtigkeit führen werde, sei zweifelhaft, sicher sei hingegen ein Mehr an Bürokratie.

Führerscheinentzug: Wie die SZ meldet, stößt das Vorhaben von Heiko Maas, zukünftig den Führerscheinentzug bei allen Straftaten als Sanktion anzuwenden, beim Deutschen Anwaltverein auf Ablehnung. Präsident Ulrich Schellenberg kritisiert, dass Betroffene je nach Lebenslage unterschiedlich getroffen würden und das Fahrverbot umgangen werden könne. Auch innerhalb der Bundesregierung wird noch über die Pläne diskutiert. Der Gesetzentwurf, der der taz (Christian Rath) vorliegt, sieht vor, dass das Fahrverbot künftig bis zu sechs Monate statt nur für drei Monate als Nebenstrafe verhängt werden kann. Außerdem würde die Beschränkung auf Straftaten, "die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs" stehen, wegfallen.

Abschiebungen nach Syrien: Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen, verteidigt nach einer Meldung der SZ seine Äußerungen zu Abschiebungen nach Syrien. Die Genfer Flüchtlingskonvention erlaube es, Straftäter sogar in Kriegsgebiete abzuschieben. Er habe nichts gefordert, sondern nur die Rechtslage wiedergegeben. Laut Christian Rath (taz) übergeht Palmer bei dieser Analyse viele Prüfungsschritte. Zwar könnten Syrer unter Umständen ausgewiesen werden, womit ein Aufenthaltsrecht erlöschen würde. Jedoch dürfte es häufig Abschiebehindernisse geben, weil in Syrien eine konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Dies gelte auch für Gebiete, in denen nicht gekämpft wird. Außerdem müsste Syrien einer Abschiebung zustimmen und der Straftäter zumindest einen Teil seiner Strafe in Deutschland verbüßen, bevor er abgeschoben werden könnte.

Antidiskriminierungsrecht: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet jetzt auch über die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle erstellten Studie, die unter anderem ein Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände und die Ausweitung der Diskriminierungsmerkmale vorschlägt. Zitiert wird Nathalie Oberthür vom Deutschen Anwaltverein, nach der Diskriminierung aufgrund des Einkommens bereits jetzt verboten ist. Bei einer Ausweitung der Kritierien müsse man sich wieder über die Gestaltung von Stellenausschreibungen unterhalten. Kritik an den Vorschlägen kommt auch von Arbeitgebern. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, sagte der Welt (Dorothea Siems), Vielfalt und Toleranz lasse sich nicht "gesetzlich verordnen". Auch der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs kündigte Widerstand an. Die Studie des "Büro für Recht und Wissenschaft" sei "keine Evaluierung, sondern ein Forderungskatalog, geschrieben von einem Wahlkämpfer der Berliner Grünen", der eine "Antidiskriminierungsbürokratie" aufbauen wolle.

"Herrenlose" Konten: Der Rechtsanwalt Alexander Knauss beschäftigt sich auf lto.de mit dem Vorschlag ein Zentralregister für Konten einzuführen, damit der Fiskus auf Konten zugreifen kann, wenn der Inhaber verstorben ist und es keine Erben gibt. Die vorgeschlagenen Änderungen seien überflüssig, weil die bestehenden Gesetze bereits einen Zugriff ermöglichen würden. Nach § 1936 BGB erbe der Staat. "Herrenlose" Konten gebe es also streng genommen gar nicht. Auch sei durch Meldepflichten sichergestellt, dass der Staat von Erbfällen erfährt, bei denen kein Erbschein ausgestellt wird. Problematisch sei nur, dass der Fiskus keine Möglichkeit habe, sich die Kontoverbindungen zu verschaffen. Dem könne jedoch durch eine Ausweitung des § 24c Kreditwesengesetz begegnet werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. August 2016: Gabriel vs. OLG Düsseldorf / Musterverfahren gegen VW / Juristen in der Türkei . In: Legal Tribune Online, 09.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20240/ (abgerufen am: 04.07.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen