Im deutschen Recht sind nur zwei Geschlechter vorgesehen. Außerdem in der Presseschau: was wahr ist, darf geäußert werden, Edeka zieht vor BGH und abgehörte Polizisten in Thüringen.
Thema des Tages
BGH zu Intersex-Geschlechtseintrag: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Personenstandsgesetz eine Änderung der Geschlechtsangabe im Geburtenregister in "inter" oder "divers" nicht zulässt. Die antragstellende Person Vanja war 1989 als Mädchen eingetragen worden, sieht sich aber weder als Frau noch als Mann. Seit der Gesetzesänderung vom November 2013 kann die Eintragung des Geschlechts unterbleiben oder nachträglich gelöscht werden. Mehr sei im binären Geschlechtersystem der deutschen Rechtsordnung aber nicht vorgesehen und entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Da es seither die Möglichkeit der nachträglichen Löschung gebe, stelle sich auch gar nicht die Frage, ob Intersexuelle durch die alten binären Eintragungen in ihren Grundrechten verletzt seien. Wie die FAZ (Alexander Haneke) und lto.de berichten, hat der Unterstützerkreis "Dritte Option" für Anfang September angekündigt, gegen die Entscheidung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Rechtspolitik
Namensänderung: Transexuellen soll künftig die Änderung ihres Namens im Pass erleichtert werden. Bislang sind hierfür zwei psychatrische Gutachten notwendig. Nach Plänen der Grünen im Bundestag, die noch in dieser Legislatur eine Reform des Transsexuellenrechts vorlegen wollen, sollen Personenstandsänderungen zum Verwaltungsakt werden, der ohne Gericht und Gutachten auskommt. Die Hintergründe erläutern die SZ (Constanze von Bullion) und spiegel.de (Christian Teevs).
Staatsbürgerschaftsrecht: In seiner Kolumne fordert Jakob Augstein (spiegel.de) ein vernünftiges Staatsbürgerschaftsrecht. Die doppelte Staatsangehörigkeit, einmal als progressives Projekt gedacht gewesen, habe die Integration von Türken erschwert. Künftig solle die doppelte Staatsbürgerschaft, als Vorläufer einer EU-Staatsbürgerschaft, EU-Ausländern vorbehalten sein. Für alle übrigen solle es nur die deutsche Staatsbürgerschaft geben.
Bundeswehr im Innern: Anlässlich der Debatte um einen Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung im Innern befasst sich die SZ (Christoph Hickmann) mit den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von vor vier Jahren aufgestellten Kriterien. Hiernach sei der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel nur bei Ereignissen von katastrophischen Dimensionen als Ultima Ratio zulässig.
Netzneutralität: Die von der Bundesregierung beschlossenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes werden von Tomas Rudl auf netzpolitik.org als zahnlos bezeichnet. Die vorgesehenen Bußgelder würden großen Providern kaum wehtun.
BND-Gesetz: Wie netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) berichtet, hat ein internationales Bündnis aus Menschenrechtsorganisationen unter Federführung von Reporter ohne Grenzen eine weltweite Unterschriftenaktion gegen das neue BND-Gesetz gestartet, das als grundrechtswidrig angesehen wird. Insbesondere die Möglichkeit zur willkürlichen Überwachung von ausländischen Journalisten durch den BND untergrabe die Pressefreiheit, schwäche die Kontrollfunktion der Medien und gefährde die Demokratie.
Hate Speech: Ein Beitrag von Ole Siemen auf juwiss.de beschäftigt sich mit den Bemühungen sogenannte Hate Speech im Internet einzudämmen. Die Verfolgung solcher Äußerungen sei mit den Mitteln des Strafrechts möglich, wobei die schwammige Begrifflichkeit jedoch nicht immer eindeutig mit deutschem Recht in Übereinstimmung gebracht werden könne. Auf EU-Ebene gebe es daher Bestrebungen einer einheitlicheren Pönalisierung von Hate Speech.
Justiz
BVerfG zu Meinungsfreiheit: In einer weiteren Entscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Reichweite der Meinungsfreiheit auseinandergesetzt. Danach dürfen wahre Tatsachen in Internet-Bewertungsportalen unter namentlicher Nennung der Betroffenen veröffentlicht werden, solange diese dadurch keine soziale Ächtung zu befürchten haben. Über die Entscheidung schreiben die taz (Christian Rath) und verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis).
BGH zu tödlichem Verkehrsunfall: Der Bundesgerichtshof hat eine junge Frau, die am Steuer Kurznachrichten auf ihrem Handy schrieb und so einen tödlichen Unfall verursachte, zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Damit ist die Revision der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe, mit welcher eine höhere Strafe angestrebt worden war, gescheitert, berichtet lto.de.
BGH – Edeka/Tengelmann: Der Edeka-Konzern zieht im Streit um die geplante Fusion mit Tengelmann nun vor den Bundesgerichtshof. Mit der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf soll die Fusion doch noch gerettet werden. Die juristischen Feinheiten des Verfahrens erläutert die SZ (Michael Kläsgen / Katja Riedel).
OVG Koblenz zu Vereinsverbot: Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat das Verbot des Vereins Hells Angels MC Bonn wegen formaler Mängel für unrechtmäßig erklärt. Zuständig sei nicht das rheinland-pfälzische Innenministerium, sondern das Bundesinnenministerium gewesen, schreibt spiegel.de (Peter Maxwill).
OLG Naumburg zu Holocaust-Leugner: Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Verurteilung eines den Holocaust als Märchen hinstellenden NPD-Politikers wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro aufgehoben. Wie das Gericht zu dieser Entscheidung kam, beschreibt die FAZ (Patrick Bahners).
LG Hamburg zu Kindesunterhalt: Wie das Landgericht Hamburg entschied, muss ein Kinderwunschzentrum keinen Unterhalt für ein aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangenes Mädchen zahlen. Die Mutter des Kindes hatte die Unterschriften unter den Einverständniserklärungen angeblich gefälscht, schreibt die FAZ (Frank Pergande). Der Klinik könne jedoch kein Vorwurf gemacht werden, da nicht gegen die Pflicht verstoßen worden sei, das Einverständnis einzuholen.
StA Erfurt – Abhör-Affäre: Wie nun auch die Welt (Dirk Banse) und die FAZ (Stefan Locke) berichten, ermittelt die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen des illegalen Mitscheidens von Telefonaten, die Thüringer Polizisten führten. Es geht um den Verdacht der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.
Recht in der Welt
Türkei – Verfassungsrichter: Im Interview mit der SZ (Tim Neshitov) berichtet der frühere türkische Verfassungsrichter Yekta Güngör Özden über das Parteiverbot der islamistischen Wohlfahrtspartei (Refah), was zur Gründung der moderateren AKP durch Erdogan führte.
Sonstiges
Fernbus-Monopol: Die SZ (Benedikt Müller) erläutert, warum, obwohl der Fernbus-Anbieter Flixbus nach der Übernahme von Postbus einen Marktanteil von 80 Prozent hat, das Kartellamt die Fusion nicht genehmigen muss. Christian Bommarius (BerlZ) meint, dass trotz der Übernahme keine Monopolpreise zu befürchten sind.
Digitale Kommunikation: Im Interview mit dem Hbl (Christof Kerkmann / Thomas Tuma) nimmt die Sprecherin des Chaos Computer Clubs Constanze Kurz Stellung zu den rechtlichen Fragen rund um das sogenannte Darknet. Es helfe all jenen Menschen, die gezwungen seien ihre Kommunikation zu schützen. Der Informatiker Sandro Gaycken macht sich in der SZ Gedanken über die Sicherheit digitaler Kommunikation, welche entscheidend sei, um frei von Angst seine politische Meinung äußern zu können. Einen zuverlässigen Schutz gebe es im Internet jedoch nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. August 2016: Binäre Geschlechter / BVerfG zu Tatsachenbehauptung / Ermittlungen zu Abhör-Affäre . In: Legal Tribune Online, 05.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20213/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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