Die juristische Presseschau vom 30. Juli bis 1. August 2016: Verbot von Erdogan-Video / Fischers-Kolumne / Debatte um Thea­ter­stück

01.08.2016

Karlsruhe hat das Verbot, bei der deutsch-türkischen Demonstration Videostreams von türkischen Politikern einzuspielen, bestätigt. Außerdem in der Presseschau: Lob und Kritik für Fischer-Kolumne und Kritik für "Terror" von Schirach.

Thema des Tages

Kundgebung in Köln: Am Samstag hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, mit denen dem Veranstalter der für Sonntag geplanten Groß-Demonstration in Köln die Videoübertragung einer Rede des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan untersagt wurden, zurückgewiesen. Das berichten u.a. spiegel.de und zeit.de. Zur Begründung hieß es, die Vollmacht der Rechtsvertreter der Veranstalter entspreche nicht den gesetzlichen Erfordernissen und im Übrigen hätte eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil nicht ersichtlich sei, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen Grundrechte des Antragstellers verletzt hätten.

Christian Rath (Montags-taz) weist darauf hin, dass zur Versammlungsfreiheit auch das Recht gehört, über Inhalt und Ablauf der Veranstaltung zu bestimmen. Den Demonstranten sei hier in einer symbolisch wichtigen Frage der Rechtsschutz verweigert worden. Dabei sollte der Rechtsstaat gerade in nervöser Zeit seine neutrale Stärke für alle zeigen. Christian Bommarius (Montags-BerlZ) ist der Auffassung, dass das Grundgesetz kein Recht der Diktatoren kenne, ihre Hassreden per Video von ihrer Heimat aus in Deutschland zu verbreiten. Und er weist darauf hin, dass die Botschaften Erdogans dennoch ihren Weg nach Deutschland finden, nicht zuletzt durch die Türkisch-Islamische Union mit ihren 900 Moscheen hierzulande. Heribert Prantl (SZ) wundert sich über das Demokratieverständnis der Demonstranten in Köln, die einem Staatschef zujubelten, der ein System rechtsstaatsferner Willkür errichten lässt. Eine Antwort auf die Frage, weshalb so viele Deutschtürken zu einer autoritären Weltsicht neigen, findet Prantl in einer gestörten Integration, die auch Ankara mitverursacht habe.

Rechtspolitik

Staatsangehörigkeitsrecht: Im Vorfeld der deutsch-türkischen Großdemonstration am Sonntag in Köln beleuchtete Reinhard Müller (Samstags-FAZ) die Probleme, die aus seiner Sicht die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft bringt. Man könne zwar mehreren Staaten rechtlich verbunden sein, im Notfall müsse man sich aber entscheiden.

Innere Sicherheit: Der Focus gibt einen Überblick über die seit den Anschlägen der vergangenen Wochen diskutierten Gesetzesänderungen zur inneren Sicherheit. Es geht um den möglichen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, mehr Videoüberwachung, schärfere Waffengesetze, die Möglichkeit in Krisengebiete abzuschieben und die Strafbarkeit der Sympathiewerbung für terroristische Organisationen.

Familienrecht: Nicht zuletzt durch die Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin hat sich das Bild der Familie in den letzten Jahren verändert. Darauf, dass das geschriebene Recht – jedenfalls in Deutschland – hier nicht Schritt gehalten hat, weist die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) hin. Der BGH werde zum "Reparaturbetrieb des Gesetzgebers". Er hatte kürzlich die Elternschaft zweier homosexueller Paare anerkannt, deren Kinder per Leihmutter beziehungsweise Samenspende gezeugt wurden. In beiden Fällen war die Elternschaft allerdings in anderen Ländern – einmal in den USA und einmal in Südafrika – bereits anerkannt worden.

Pflichtverteidigerbestellung: Dem Verfahren zur Bestellung von Pflichtverteidigern widmet sich in einem Gastkommentar in der Samstags-SZ der Rechtsanwalt Philip von der Meden. Um den Anschein der "Beiordnungsprostitution" zu vermeiden, sollte die Bestellung von Pflichtverteidigern nicht durch den Richter sondern durch Dritte – beispielsweise die Rechtsanwaltskammern oder Verwaltungsgerichte – erfolgen. Die derzeitige Rechtslage, nach der der Pflichtverteidiger vom Richter nach Belieben bestimmt wird, sei verfassungswidrig, weil sie den elementaren Grundrechten des modernen Verfassungsstaates widerspreche.

Panama-Papers: Die Samstags-SZ (Daniel Brössler) berichtet über die Vorbehalte des Juristischen Dienstes des Europäischen Rates gegen den im Juni gebildeten Untersuchungsausschuss zu den Panama-Papers. Der Ausschuss wurde vom Europäischen Parlament eingesetzt und soll nach der Sommerpause seine Arbeit aufnehmen. Vor allem zweifeln die Juristen des Rates die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments an. Der Untersuchungsausschuss soll der Frage nachgehen, inwieweit die in den Panama-Papers zutage geförderte Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung Missstände bei der Anwendung von EU-Recht offenbaren. Ohne einen solchen Bezug zur EU-Gesetzgebung wäre das Europäische Parlament nicht zuständig.

Flüchtlingskrise, Europarecht: Im Interview mit der WamS (Jacques Schuster) weist der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio angesichts der aktuellen Diskussion darauf hin, dass es rechtlich nicht möglich ist, in Regionen abzuschieben, in denen den Betroffenen Gefahr für Leib und Leben droht. Es gebe aber eine Reihe rechtmäßiger Möglichkeiten, Verfahren zu beschleunigen und die Durchsetzung des Rechts wirksamer zu machen. Di Fabio spricht sich gegen ein europäisches Asylrecht aus, das den Mitgliedstaaten die Entscheidung, wer im jeweiligen Staat leben darf, abnimmt. Es sollte allerdings gemeinsame Verfolgungskriterien geben. Des Weiteren geht es in dem Interview um eine aktuelle Positionsbestimmung Europas.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Juli bis 1. August 2016: Verbot von Erdogan-Video / Fischers-Kolumne / Debatte um Theaterstück . In: Legal Tribune Online, 01.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20145/ (abgerufen am: 02.07.2024 )

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