Die juristische Presseschau vom 17. Dezember 2015: Red­sam­keit im NSU-Pro­zess / Griff nach Daten / SG Berlin stellt sich gegen BSG

17.12.2015

Justiz

BGH zu Werbung in Autorespondern: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Werbung in automatisierten Bestätigungsmails, sogenannten Autorespondern, unzulässig sein kann. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Empfängers sei jedenfalls dann gegeben, wenn dieser zuvor dem Erhalt von Werbung widersprochen habe.

Gegenstand des Verfahrens vor dem BGH war eine mit Werbung versehene Standardeingangsbestätigung einer Versicherung, über die sich der Empfänger zweimal per E-Mail beschwerte, woraufhin er jeweils erneut eine Bestätigungsmail mit Werbung erhielt. Dagegen klagte er schließlich auf Unterlassung, schreibt der Rechtsanwalt Martin Schirmbacher auf lto.de. Internet-law.de (Thomas Stadler) weist darauf hin, dass sich der Pressemitteilung des BGH nicht entnehmen lasse, ob bereits die erstmalige Zusendung einer Bestätigungsmail mit Werbezusatz als Rechtsverstoß erachtet wurde.

Nach Einschätzung der SZ (Wolfgang Janisch) knüpft der BGH mit der Entscheidung an seine Rechtsprechung aus Zeiten analogen Briefverkehrs an. Für elektronische Post ergebe sich die Unzulässigkeit der Zusendung von Werbung ohne Einwilligung des Adressaten auch aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Insbesondere die Frage, wann eine solche Einwilligung gegeben sei, bereite in der Praxis aber Schwierigkeiten.

BSG/SG Berlin zu Sozialhilfe für EU-Ausländer: Nun hat das Sozialgericht Berlin entschieden, dass EU-Ausländer auf Arbeitssuche in Deutschland weder Anspruch auf Hartz IV noch auf Sozialhilfe haben und sich damit in offenen Widerspruch zur jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestellt. Sozialhilfe könne seit der Einführung der Hartz-Reform nicht mehr an Personen gezahlt werden, die grundsätzlich gesund und damit erwerbsfähig seien. Soweit das BSG meine sich über diesen eindeutigen, im Sozialgesetzbuch XII verankerten, Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen zu können, sei dies verfassungsrechtlich nicht haltbar. Über die Entscheidung berichtet lto.de.

Die FAZ (Corinna Budras) merkt an, dass beim BSG derweil an der eingeschlagenen Linie festgehalten wird und am Mittwoch drei weiteren EU-Ausländern Sozialhilfe zugesprochen wurde. In den Verfahren stelle sich nun die Besonderheit, dass die jeweiligen Sozialhilfeträger hinzugezogen werden müssten und nicht wie bisher nur die Jobcenter.

In Teil 2 seiner Auseinandersetzung mit dem Grundsatzurteil des BSG auf juwiss.de erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter Florian Wilksch, warum darin eine weder mit dem Rechtsstaatsprinzip noch mit den Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Grundgesetz zu vereinbarende Rechtsfortbildung contra legem zu sehen ist.

BSG zu Nachzahlung von Sozialbeiträgen: Wie die SZ (TÖ) berichtet, hat das Bundessozialgericht entschieden, dass 3.300 Zeitarbeitsunternehmen wegen unwirksamer Tarifverträge Sozialbeiträge rückwirkend nachbezahlen müssen und sich nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Sie hatten Leiharbeiter auf Basis eines Tarifvertrags mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) beschäftigt, der 2010 vom Bundesarbeitsgericht das Recht abgesprochen worden war, Tarifverträge abzuschließen. In solchen Fällen gilt bei Leiharbeitern der Grundsatz, dass sie wie die Stammbelegschaft entlohnt werden müssen, was sich auf die Sozialbeiträge auswirkt.

OLG Hamm zu Parallelvollstreckung von Fahrverboten: Das Oberlandesgericht Hamm hat klargestellt, dass auch bei zwei Fahrverboten je mit und ohne Abgabefrist nicht parallel vollstreckt werden darf. Durch den Ausschluss der Parallelvollstreckung solle verhindert werden, dass die viermonatige Abgabefrist ausgenutzt wird, um Fahrverbote zusammenzulegen. Dafür reiche es aus, wenn die Frist bei der Vollstreckung eines der verhängten Fahrverbote gelte, was bei solchen Mischfällen der Fall sei, schreibt lto.de.

KG Berlin zu "Uber Black": Auch das auf Beförderung in schwarzen Luxusautos ausgerichtete gesonderte Geschäftsmodell "Uber Black" des Online-Beförderungsvermittlers Uber verstößt gegen Wettbewerbsrecht, entschied das Kammergericht Berlin. Die Fahrten dürften höchstens zum Selbstkostenpreis angeboten werden, berichtet lto.de.

AG Regensburg zu Redtube-Abmahnungen: Wie internet-law.de (Thomas Stadler) meldet, hat das Amtsgericht Regensburg die sogenannten Redtube-Abmahnungen einer mittlerweile nicht mehr existenten Abmahnkanzlei als vorsätzliche unerlaubte Handlung angesehen und den abmahnenden Anwalt zum Schadenersatz verurteilt.

VG Köln zu Suizidmittel: Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht verpflichtet werden kann, einem Ehepaar den Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zum Zwecke des Suizids zu bewilligen. Ein Recht auf Erlaubnis lasse sich weder aus den Grundrechten noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ableiten, so das Gericht nach Meldung von lto.de.

VG Gelsenkirchen – Jäger als Tierschutzverband: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat am heutigen Donnerstag darüber zu befinden, ob die im Bundesjagdgesetz festgeschriebene Waidgerechtigkeit, nach der Jäger den Lebensraum der Tiere zu erhalten haben, auch Tierschutz ist. Denn der nordrhein-westfälische Landesjagdverband klagt in einem bundesweit einmaligen Fall gegen das Landesumweltministerium auf Anerkennung als Tierschutzverband. Dieses hatte den Antrag unter Verweis darauf verwiesen, dass für die Anerkennung eine überwiegende Förderung von Tierschutzzielen gegeben sein müsse. Die Kriterien für die Anerkennung seien hoch, seit 2013 das Gesetz über das "Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine" beschlossen worden sei, das die Einflussmöglichkeiten von Tierschützern stärke, schreibt die taz (Claudia Hennen).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. Dezember 2015: Redsamkeit im NSU-Prozess / Griff nach Daten / SG Berlin stellt sich gegen BSG . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17892/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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