Die juristische Presseschau vom 20. Februar 2014: Kirch-Erben vor Millionen-Entschädigung – Debatte um Nacktbilder – Gefährliche 84-Jährige

20.02.2014

Justiz

BVerfG zu fehlendem Aufsichtsratsbericht: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein Unternehmen dann nicht wegen eines fehlenden Aufsichtsratsberichts mit einer Ordnungsstrafe belegt werden darf, wenn es gar keinen Aufsichtsrat hat – selbst wenn es einen hätte haben müssen. Laut verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) halte das Gericht die gegenteilige Auslegung einer Norm des Handelsgesetzbuchs durch das Bundesamt für Justiz für einen Verstoß gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

LVerfGH Berlin – Übersichtsaufnahmen: Auf eine abstrakte Normenkontrolle der Opposition im Abgeordnetenhaus verhandelte der Berliner Landesverfassungsgerichtshof am gestrigen Mittwoch über die Vereinbarkeit polizeilicher Übersichtsaufnahmen bei Demonstrationen. Wie taz-Berlin berichtet, sahen die Richter die Aufnahmen durchaus kritisch und "nahmen Polizei und Senat in die Mangel". Ein Urteil solle am 11. April verkündet werden.

BayVGH zu dritter Startbahn: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat alle 17 anhängigen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen abgewiesen. Nach Verkündung des Urteils sei es wegen lautstarker Proteste zu tumultartigen Szenen im Gerichtssaal gekommen, berichtet die SZ (Marco Völklein/Ingrid Fuchs) im "München"-Teil. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht habe das Gericht nicht zugelassen, die Kläger hätten aber bereits Nichtzulassungsbeschwerden angekündigt. Mit einem baldigen Baubeginn sei wegen eines entgegenstehenden Bürgerentscheids und des daraus folgenden Neins der Stadt München als Teileignerin des Flughafens allerdings trotz des Urteils nicht zu rechnen, berichtet die SZ in einem weiteren Artikel.

Nina Bovensiepen (SZ) erklärt das Hochkochen der Emotionen mit der Deutlichkeit des Richterspruchs: Die Bedenken der Gegner seien vom Gericht "in Bausch und Bogen" beiseitegewischt worden.

OLG Stuttgart zu Verena Becker: Die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker bleibt auf freiem Fuß. Wie der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) berichtet, hat das Oberlandesgericht Stuttgart auf Antrag von Bundesanwaltschaft und Verteidigung entschieden, den noch nicht verbüßten Teil der gegen sie im Fall Buback verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.

LG Halle zu Totschlag mit Axt: Das Landgericht Halle hat eine 60-Jährige wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt, nachdem die Frau gestanden hatte, ihren Ehemann mit einer Axt erschlagen zu haben. Der Tat sei in den Augen des Gerichts eine "jahrelange Leidensehe vorausgegangen", meldet die SZ.

OLG Düsseldorf – Schadensersatz wegen versagter Fusion: Die SZ (Daniela Kuhr) berichtet über eine Klage mit "Sprengkraft", die am 5. März vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wird: Erstmals wird das Bundeskartellamt von einem Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil es rechtswidrig eine Fusion versagt haben soll. Es gehe um immerhin 1,1 Milliarden Euro, die das dänische Elektronikunternehmen GN Store Nord fordere. Die 2007 verfügte Untersagung der Fusion sei 2010 vom Bundesgerichtshof wegen mehrere Fehler aufgehoben worden. In erster Instanz sei die Schadensersatzklage vom Landgericht Köln aber wegen fehlenden Verschuldens der Behörde abgewiesen worden.

LG Köln – Sal. Oppenheim: Anlässlich der Vernehmung des Goldmann-Sachs-Bankers Alexander Dibelius am gestrigen Mittwoch schildert die SZ (C. Dohmen/K. Bialdiga) den Verfahrensstand im beim Landgericht Köln anhängigen Untreue-Prozess gegen die persönlich haftenden Gesellschafter des infolge der Arcandor-Pleite untergegangenen Bankhauses Sal. Oppenheim. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet detailliert über die Aussage des Bankers.

Elektronischer Rechtsverkehr: Im Rahmen der Themenwoche "Anwalt und Technik" beschäftigt sich lto.de (Anna Katharina Bernzen) mit dem elektronischen Rechtsverkehr (ERV). Ab 2022 soll dieser der einzig formwirksame Weg zu den Gerichten sein – so wolle es ein im Sommer des vergangenen Jahres verabschiedetes Gesetz. Insgesamt sei dies für alle Beteiligten mit "erheblichem Umstellungsaufwand" verbunden; immerhin werde so aber der bestehende "Flickenteppich" der ERV-Nutzung beseitigt, der aktuell "erhebliche Haftungsrisiken" berge.

StA Berlin – Geheimnisverrat: Im Zusammenhang mit den Vorermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft zu einem Anfangsverdacht gegen Ex-Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wegen Geheimnisverrats setzt sich das Handelsblatt (D. Delhaes/M. Etzold/T. Sigmund) mit der Frage auseinander, wer eigentlich Friedrichs Dienstherr ist. Nur mit dessen Ermächtigung dürfe die Staatsanwaltschaft echte Ermittlungen nämlich überhaupt aufnehmen. Pikantes Detail: Offenbar sei Friedrich nach seinem Rücktritt noch Mitarbeiter im Bundeswirtschaftsministerium – was Sigmar Gabriel (SPD) zu seinem aktuellen Dienstherren machen würde. Die Staatsanwaltschaft gehe aber davon aus, dass die Ermittlungen vom Innenministerium autorisiert werden müssten.

Fall Edathy: Die FAZ (Peter Carstens), die Welt (Ulrich Clauss/Claudia Kade) und die taz (Konrad Litschko/Anja Maier) berichten von der Vernehmung des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke im Innenausschuss des Bundestages zum Fall Edathy. Danach seien dem Bundeskriminalamt die Daten aus Kanada schon seit 2011 vorgelegen; der Zusammenhang mit Edathy aber erst im Oktober 2013 durch die niedersächsische Polizei entdeckt worden. Die Zeit (Miriam Lau) und spiegel.de (Veit Medick) bringen Porträts des Innenpolitikers Sebastian Edathy (SPD).

Jasper von Altenbockum (FAZ) wirft Ziercke vor, er hätte nach dem Anruf des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann eine zügige Prüfung der Vorwürfe durch die Justiz veranlassen müssen; die Kritik nachlässiger Ermittlungen treffe mit der Hannoveraner Staatsanwaltschaft jedenfalls die Falschen. Heribert Prantl (SZ) beklagt derweil, dass die Regierungskoalition dabei sei, im Zusammenhang mit den Edathy-Ermittlungen "aus der Tragödie ein Schmierentheater zu machen" – und schlägt vor, die Bundesregierung könnte einen Sonderermittler einsetzen, der "abseits von politischen Keifereien Merkwürdigkeiten aufklären" und damit "strukturelle Fehler" bei der Informationsweitergabe zwischen Justiz und Verwaltung aufdecken könnte.

Heinrich Wefing (Zeit) kritisiert das konkrete Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hannover. Zwar habe diese Ermittlungen aufnehmen müssen – ihre Informationsstrategie gegenüber der Öffentlichkeit sei aber verheerend und setze sie dem Vorwurf aus, nicht unvoreingenommen zu sein. In der Welt (Sabine Menkens/Jaques Schuster) findet sich eine Pro-Contra-Gegenüberstellung zu der Frage, ob "wir" mit Sebastian Edathy "richtig umgehen".

AG Hannover zu Edathy-Durchsuchung: Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert in scharfen Worten einen weiteren Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover für die Büroräume Sebastian Edathys (SPD). Sei schon die erste Hausdurchsuchung rechtswidrig gewesen, so seien jedenfalls nach dem Nichtauffinden von belastenden Beweismitteln weitere Durchsuchungen nicht zulässig.

LG Augsburg – Fall Gurlitt: Vor dem Hintergrund der von seinen Anwälten beim Landgericht Augsburg eingelegten Beschwerde gegen die Beschlagnahmung seiner Kunstsammlung beschäftigt sich die SZ (Catrin Lorch) im Feuilleton erneut mit dem Fall Gurlitt – und der neuen Strategie seiner "juristisch versierten" Anwälte. Die allerdings trotz "Medienoffensive" nicht erwarten lasse, dass Gurlitt mehr preisgebe, als er unbedingt müsse. Auch die FAZ (Stefan Koldehoff) berichtet im Feuilleton und spekuliert, ob auf die Behörde wohl Schadensersatzforderungen wegen der nun faktischen Unverkäuflichkeit der Werke zukomme.

LG Berlin zu Computerspiel-Abos: Das Landgericht Berlin hat nach Informationen der FR auf eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband entschieden, dass Anbieter von Online-Computerspielen ihre monatlichen Preise nicht beliebig ändern dürfen. Daneben habe das Gericht noch weitere Regelungen der Nutzungsbedingungen des Online-Spiels "World of Warcraft" für unwirksam erklärt.

EGMR zu Caroline-Urlaubsbildern: Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem September 2013, mit der das Gericht eine Beschwerde Carolines von Monaco gegen die Veröffentlichung von Urlaubsbildern in einem Bericht über die Vermietung ihres Ferienhauses abgewiesen hatte, ist rechtskräftig. Das Gericht habe entschieden, den Fall nicht an die Große Kammer weiterzuleiten und halte damit an seiner Rechtsprechung zur Abwägung von Privatsphäre und Berichterstattungsinteresse fest, berichtet die FAZ (Reinhard Müller).

EuGH – EZB-Verfahren: Die Prozessvertreter des Bundestags rechnen nicht vor 2016 mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlage des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren zu den EZB-Anleihekäufen. Das ist nach der FAZ (Joachim Jahn) aus einer Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestags verlautet. Die Prozessvertreter rechneten danach nicht damit, dass der Gerichtshof von sich aus ein beschleunigtes Verfahren einleite.

BVerfG zu Vaterschaftsanfechtung: Auf juwiss.de bespricht Joana Remus die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung vom Dezember des letzten Jahres.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Februar 2014: Kirch-Erben vor Millionen-Entschädigung – Debatte um Nacktbilder – Gefährliche 84-Jährige . In: Legal Tribune Online, 20.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11107/ (abgerufen am: 01.07.2024 )

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