Sind drei Prozent schon zu hoch? Karlsruhe prüfte die neue Hürde für Kleinparteien bei der Europawahl. Außerdem in der Presseschau: der Vater von Uwe Mundlos sagt im NSU-Prozess aus, der BGH urteilte über die Rekommunalisierung von Stromnetzen, das OLG Nürnberg erkennt Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen, und warum teurer Wein nicht immer eine gute Geldanlage ist.
Thema des Tages
BVerfG - Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen: Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2011 die traditionelle Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen für nicht gerechtfertigt ansah, beschloss der Bundestag eine Drei-Prozent-Hürde. Gegen diese klagten 19 Kleinparteien. Am gestrigen Mittwoch verhandelte das Bundesverfassungsgericht über die Klage. Entscheidende Frage war dabei, ob der Einzug von mehreren deutschen Kleinparteien die Handlungsfähigkeit des Europaparlaments spürbar beeinträchtigen könnte. Bundestags- und Europaabgeordnete versuchten darzulegen, dass in Zukunft eine stärkere Aufspaltung des Europaparlaments in Mehrheits- und Minderheitsfraktionen zu erwarten sei, bei der eine Zersplitterung durch fraktionslose Abgeordnete dann mehr störe als noch vor zwei Jahren vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Es berichten unter anderem SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Helene Bubrowski), taz (Christian Rath) und zeit.de (Heinrich Wefing).
spiegel.de (Lisa Schnell) führte ein Interview mit dem Staatsrechtler Bernd Grzeszick. Er sieht wesentliche Unterschiede zwischen den Verfahren 2011 und 2013, wagt aber keine Prognose über den diesmaligen Ausgang.
Christian Rath (taz) vermutet in einem separaten Kommentar, dass das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Klausel schlucken wird und findet das akzeptabel: "Wenn die Richter schon 2011 eine Absenkung der Hürde auf drei Prozent angeordnet hätten, hätte sich kein Demokratiefreund beklagt."
Rechtspolitik
Justizminister Maas: Die SZ (Daniela Kuhr) berichtet von den ersten Amtstagen der neuen Bundesminister. Justizminister Heiko Maas habe bei seiner Antrittsrede im Ministerium angekündigt, er wolle länger als der bisherige Durchschnitt der Justizminister im Amt bleiben.
Justiz
OLG München - NSU-Prozess mit Vater Mundlos: An einem eher spektakulären Prozesstag sagte vor dem Oberlandesgericht München Siegfried Mundlos aus, der Vater des toten NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Er nahm seinen Sohn in Schutz, forderte die Unschuldsvermutung für ihn und geriet mehrfach mit dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl aneinander. Der Prozesstag wird lebhaft geschildert unter anderem von spiegel.de (Giesela Friedrichsen), FAZ (Karin Truscheit) und taz (Andreas Speit).
BGH zu Rekommunalisierung der Stromversorgung: Der Bundesgerichtshof hat die Hürden für Kommunen, die Stromversorgung nach dem Auslauf von Konzessionsverträgen wieder in die eigenen Hände zu nehmen, erhöht. "Gemeinden müssen den Konzessionär für ihr Stromnetz in einem diskriminierungsfreien und transparenten Verfahren auswählen", entschieden die Karlsruher Richter in zwei Fällen aus Schleswig-Holstein. Eigene kommunale Unternehmen dürften dabei gegenüber privatwirtschaftlichen Konkurrenten nicht bevorzugt werden. Es berichten die FAZ (Joachim Jahn), das Handelsblatt (Jürgen Flauger) und lto.de.
OLG München zu Media Markt/Saturn: Das Oberlandesgericht München hat im langen Streit um die Macht beim Elektronikhändler Media Saturn ein Urteil zugunsten des Mehrheitseigners Metro AG gesprochen. Über einige wichtige Themen dürfe in einem Beirat mit einfacher Mehrheit entschieden werden, berichtet unter anderem faz.net.
LSG Darmstadt zur Gesundheitskarte: Das Landessozialgericht Darmstadt hat eine Klage gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte abgelehnt, meldet lto.de. Weder die Verwendung eines Fotos noch die Speicherung und Verwendung von Daten des Krankenversicherten auf der Karte stellten einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
OLG Nürnberg zu Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen: Das Oberlandesgericht Nürnberg hat es als rechtsmissbräuchlich angesehen, dass ein Unternehmen binnen weniger Tage 199 Konkurrenten wegen falscher Impressumseinträge bei Facebook kostenpflichtig abmahnen ließ, berichtet spiegel.de. Die Massenabmahnung habe nur dazu gedient, "einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen".
Strafanzeige wegen Abmahnungen: Anwalt Christian Solmecke hat im Zusammenhang mit den redtube-Streaming-Abmahnungen Strafanzeige gegen unbekannt wegen Betrugs gestellt, meldet focus.de (Marion Lenke). "Wenn es nur darum geht, bewusst Anwaltsgebühren zu generieren, soll die Staatsanwaltschaft dem nachgehen", wird Solmecke zitiert.
LG Frankenthal verurteilt Billen: Das Landgericht Frankenthal hat den rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen wegen Geheimnisverrat zu einer Geldstrafe verurteilt, meldet spiegel.de. Billen habe sich über seine Tochter, eine Polizistin, Polizeidaten zu Geschäftspartnern der Landesregierung beim Ausbau des Nürburgrings beschafft und an Journalisten weitergegeben. Ein erster Freispruch für Billen war vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden.
LG Hannover - Christian Wulff: An diesem Donnerstag will das Landgericht Hannover im Verfahren gegen Christian Wulff wegen Vorteilsannahme eine Zwischenbilanz ziehen. Die SZ (Wolfgang Janisch) erläutert die entscheidenden juristschen Fragen des Prozesses. Insbesondere müsse eine Unrechtsvereinbarung zwischen Wulff und dem Filmproduzenten Groenewold nachgewiesen werden.
Aufarbeitung von NS-Verbrechen: Die taz (Klaus Hillenbrand) erinnert an den ersten Auschwitz-Prozess am Landgericht Frankfurt/Main vor fünfzig Jahren. In einem zweiten Artikel gibt die taz (Klaus Hillenbrand) einen Überblick über aktuelle Ermittlungen gegen Aufseher aus dem KZ Auschwitz.
Recht in der Welt
USA - Überwachung: Der Verfassungsblog (Ulf Buermeyer/Michael Riegner) bringt ein Interview mit dem ehemaligen FBI-Rechtsberater Andrew Weissmann in englischer Sprache. Weissmann erklärt, welche Überwachungsmöglichkeiten unter Sektion 215 und 702 FISA bestehen, wie die gerichtliche Kontrolle und Reformvorschläge hierzu aussehen.
Sonstiges
EEG-Befreiungen: Die Anwälte Stefan Meßmer und Jochen Bernhard stellen auf lto.de ein Beihilfeverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland vor, bei dem die Befreiung vieler deutscher Unternehmen von der Umlage nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz geprüft wird. Erläutert werden die Prüfschritte und mögliche Rechtsfolgen. Der Ausgang des Verfahrens sei "völlig offen".
Annahme von Geschenken und Korruption: Die SZ (Charlotte Parnack) schildert ein Gespräch mit Thomas Ludwig-Dücomy, einem polizeilichen Korruptionsbeauftragten. Ausgehend von einem Hamburger Fall, bei dem ein Polizist wegen der Annahme von Weintrauben verurteilt wurde, werden ähnliche Fälle aus der Praxis erläutert.
Verfassungsblog: lto.de (Claudia Kornmeier/Pia Lorenz) beschreibt ein Projekt der Humboldt-Universität Berlin zur Erforschung des Verfassungsblogs und kommt zum Schluss: "Es bleibt das ungute Gefühl, dass hier nicht in erster Linie interessierte Wissenschaftler auf das Phänomen der bloggenden Staatsrechtler gestoßen sind und für seine Erforschung Fördermittel beantragt haben. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass die Betreiber von Verfassungsblog.de sich ein Forschungsprojekt für den Blog überlegt haben, um diesen mit Fördergeldern zu stärken."
Das Letzte zum Schluss
Weinbetrug: Teure Weine müssen nicht immer echt sein. Ein New Yorker Gericht hat jetzt den kalifornischen Weinhändler Rudy Kurniawan wegen Betrugs verurteilt, meldet spiegel.de. Er habe gefälschten Wein im vermeintlichen Wert von mehr als 1,3 Millionen Dollar an wohlhabende Sammler verkauft.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Dezember 2013: BVerfG prüft Drei-Prozent-Hürde – Vater Mundlos provoziert OLG München – BGH erschwert kommunale Stromnetze . In: Legal Tribune Online, 19.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10409/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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