Union und SPD einigen sich auf einen Quoten-Kompromiss. Was den einen ein Feigenblatt, ist den anderen bereits zu viel der Gängelei. Außerdem in der Presseschau: Bahn gegen Entschädigung bei Unwetter, Schaar und Rechtsanwälte gegen Überwachung, Bischof darf Verfahrenseinstellung erkaufen, Ex-Nazi erneut vor Gericht und ein gespielter Klinik-Terroranschlag in Nizza.
Thema des Tages
Frauenquote: Berichten der SZ (Robert Rossmann) und der taz (Simone Schmollack) zufolge haben sich SPD und Union in den Koalitionsverhandlungen auf einen Kompromiss in Sachen Frauenquote geeinigt. Demnach solle ab 2016 eine Aufsichtsrats-Quote von 30 Prozent für voll mitbestimmungspflichtige und zugleich börsennotierte Unternehmen gelten. Für Vorstände und die Aufsichtsräte anderer Unternehmen werde dagegen nur eine Verpflichtung zur Selbstverpflichtung ("Flexi-Quote") eingeführt.
Trotz des "erwartungsgemäßen" und betriebswirtschaftlich "logischen" Aufschreis der Wirtschaftsverbände werde sich die Frauenquote volkswirtschaftlich durch eine Stärkung der Frauenerwerbstätigkeit lohnen, ist sich Barbara Gillmann (Handelsblatt) sicher. Ines Kappert (taz) kritisiert die in ihren Augen zu schwache Regelung scharf: Mit ihr werde "die bislang inoffizielle Männerquote" in den Chefetagen "legalisiert". Das Maß bereits überschritten sieht dagegen Dorothea Siems (Welt): Das "Quotendiktat" trete "den in der Verfassung verankerten Schutz des Eigentums mit Füßen" und entwerte die Leistung "erfolgreicher Alphafrauen".
Rechtspolitik
Bahn will Erstattungsregelung entschärfen: Die Deutsche Bahn drängt bei der EU-Kommission auf eine Änderung der europarechtlichen Erstattungsregelungen im Falle von Verspätungen. Erst im September hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Bahn auch bei Verspätungen wegen Unwettern, Streiks oder anderen Fällen höherer Gewalt den Fahrpreis erstatten muss. Dadurch werde die Bahn gegenüber anderen öffentlichen Verkehrsmitteln benachteiligt, argumentiert deren Chef Rüdiger Grube laut SZ (Daniela Kuhr). Auch die taz (Richard Rother) berichtet.
Richard Rother (taz) plädiert für eine differenziertere Regelung der Fälle "höherer Gewalt" und gleiches Recht für alle Verkehrsträger.
Datenschutz: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fordert eine schärfere Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland. Es gelte "erhebliche kontrollfreie Räume" zu schließen, zitiert die taz (Astrid Geisler) aus einem Bericht der Behörde zur NSA-Affäre. Zugleich sehe Schaar die Regierung auch in der "Bringschuld" was die Sicherung privater Kommunikation angehe. Auch zeit.de (Patrick Beuth) berichtet über die Forderungen des Datenschützers.
spiegel.de (Peter Gotzner) berichtet unterdessen von einer Protestaktion von Rechtsanwälten in Berlin. In Roben gekleidet hätten diese vor dem Bundestag die Aufklärung des Überwachungsskandals und den Stopp der allumfassenden Kommunikationsüberwachung gefordert.
Justiz
AG Hamburg zu Tebartz-van Elst: Gegen Zahlung von 20.000 Euro hat das Amtsgericht Hamburg das Strafverfahren gegen den beurlaubten Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides statt vorläufig eingestellt. SZ (Matthias Dobrinski) und FAZ (Frank Pergande/Daniel Deckers) berichten über den "Ablass für den Bischof" (SZ). Hintergrund der Ermittlungen sei ein Rechtsstreit mit dem Spiegel-Verlag gewesen, in dessen Verlauf der Bischof nach dem Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen falsche Angaben gemacht haben soll. Offen sei weiterhin, ob die Staatsanwaltschaft wegen der Finanzierung des Bischofssitzes ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue einleiten werde.
Daniel Deckers (FAZ) kommentiert, dass die Hamburger Justiz die Entscheidung über die Zukunft des Bischofs dem Vatikan "nicht abgenommen" habe – wäre er als Straftäter verurteilt worden, hätte seine Entlassung nach bisheriger Übung wohl festgestanden. So dürfte sich das Verfahren noch hinziehen.
LG Freiburg – Prozess gegen Ex-Nazi: Die taz (Christian Rath) berichtet vom zweiten Anlauf des Prozesses gegen das Ex-NPD-Mitglied Florian S. vor dem Landgericht Freiburg. Der Angeklagte habe einen Antifa-Aktivisten mit dem Auto angefahren und dabei schwer verletzt. Ein erster Freispruch wegen schuldlosen Überschreitens der Notwehrgrenzen sei vom Bundesgerichtshof im März aufgehoben worden. Das Landgericht hätte das Vorliegen eines Verteidigungswillens nicht ausreichend geprüft.
Augsburger Oberstaatsanwalt: Im "München"-Teil portraitiert die SZ (Stefan Mayr) den aktuell durch den Gurlitt-Raubkunst-Skandal ins Rampenlicht gerückten Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. Er sehe sich nun zu Unrecht öffentlicher Kritik ausgesetzt.
OLG Düsseldorf – Zweiter FDLR-Prozess: Mit einem Befangenheitsantrag und einer Besetzungsrüge hat der zweite deutsche Prozess gegen Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR) vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begonnen. Während in Stuttgart seit Mai 2011 ein Verfahren gegen die beiden in Deutschland lebenden Führer der im Kongo aktiven ruandischen Hutu-Miliz, stünden in Düsseldorf nun drei Deutsche ruandischer Herkunft wegen der mitgliedschaftlichen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor Gericht. Die taz (Annette Hauschild) berichtet vom "holprigen" Prozessauftakt.
BGH zu Fluggastrechten: Wer wegen einer nicht erteilten Landeerlaubnis seinen Anschlussflug verpasst, hat keinen Anspruch auf Entschädigung durch die Fluggesellschaft. Das hat laut lawblog.de (Udo Vetter) der Bundesgerichtshof entschieden, der darin einen "außergewöhnlichen Umstand" gesehen habe, auf den die Fluggesellschaft keinen Einfluss gehabt habe.
LG Frankfurt – Trassenpreise: Die Bahn-Tochter DB Netz AG sieht laut Handelsblatt einer Prozesswelle wegen überhöhter Trassenpreise entgegen. Am Landgericht Frankfurt seien bereits vier Verfahren von Verkehrs- und Zweckverbünden anhängig, die von der Bahn für angeblich "unwirtschaftliche" Strecken zusätzlich zu Kasse gebeten worden seien. Dies habe die Bundesnetzagentur untersagt; die Bahn eine Rückzahlung bislang aber verweigert.
SG Berlin zu Gesundheitskarte: Das Sozialgericht Berlin hält die elektronische Gesundheitskarte für verfassungsgemäß und insbesondere mit dem Datenschutz vereinbar. Das hat das Gericht einer Meldung der taz zufolge auf die Klage mehrerer Versicherter entschieden.
BGH zu Urheberrecht: Auf lto.de erklärt der Rechtsanwalt Jens Petry wie und warum der Bundesgerichtshof in seinem letztwöchigen Urteil zum Urheberrechtsschutz für Gebrauchsgegenstände von seiner bisherigen restriktiven Rechtsprechungslinie abgewichen ist. Die Entscheidung stärke die Rechte von Designern, mache gleichzeitig aber auch vieles komplizierter.
BGH zu Delisting: Auf dem Handelsblatt-Rechtsboard stellt der Rechtsanwalt Cornelius Götze ausführlich den bereits im Oktober gefällten Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Delisting vor. Mit der "wegweisenden" Entscheidung, weder eine Barabfindung noch einen Hauptversammlungsbeschluss zu verlangen, habe das Gericht seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben.
Recht in der Welt
Österreich – Hypo Alpe Adria: Das Handelsblatt (Elisabeth Atzler/Kerstin Leitel/Hans-Peter Siebenhaar) berichtet vom ersten Prozesstag im Hypo Alpe Adria-Prozess vor dem Landgericht Klagenfurt in Österreich. Angeklagt wegen Untreue und teils auch wegen Bilanzfälschung seien die Ex-Vorstände der Bank sowie die Flick-Stiftung. Der Prozess sei dabei nur "eine Facette" der juristischen Aufarbeitung der Vorgänge um die Skandal-Bank. Der "vorläufige Höhepunkt" werde am kommenden Montag vor dem Landgericht München erreicht: Dort starte dann das Zivilverfahren der BayernLB gegen ihre ehemalige Tochter.
Die Rolle der im österreichischen Prozess ebenfalls angeklagten Flick-Stiftung beleuchtet das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar) in einem eigenen Artikel.
Großbritannien – Soldatenmord-Prozess: spiegel.de (Carstel Volkery) berichtet vom ersten Tag des Soldatenmord-Prozesses in London. Vor Gericht stünden die beiden mutmaßlichen Mörder des Soldaten Lee Rigby, der im Mai auf offener Straße "regelrecht zerhackt" worden sei.
Russland – Greenpeace-U-Haft verlängert: Die Untersuchungshaft eines der in Russland inhaftierten Greenpeace-Aktivisten ist von einem Gericht in St. Petersburg um drei Monate verlängert worden. Während eine russische Greenpeace-Ärztin freigelassen worden sei, sei dem Australier dies oder eine Unterbringung im Hausarrest verwehrt worden, meldet die SZ. Die taz (Bernhard Clasen) berichtet ausführlich.
USA – Google Books: Auf lto.de erklärt der New Yorker Rechtsanwalt Zohar Efroni die Entscheidung des New Yorker District Court zu Google Books und die "fair use"-Doktrin des US-amerikanischen Urheberrechts. Zwar sei die Entscheidung hinsichtlich der Informationsfreiheit zunächst erfreulich; für die Zukunft müsse allerdings den Ansprüchen der Rechteinhaber stärker Rechnung getragen werden.
Sonstiges
Cyber-Kriminalität: Die FAZ (Peter Carstens) beschäftigt sich heute ausführlich mit dem Phänomen "Cyber-Kriminalität" und den Schwierigkeiten der Ermittlungsbehörden, die zunehmenden Internet-Betrügereien aufzuklären. Sie seien gefangen zwischen findigen Tätern und einer auch durch den NSA-Skandal sensibilisierten und gegenüber staatlichen Datenzugriffsmöglichkeiten kritischen Öffentlichkeit.
EU-Recht gegen NSA und GCHQ: Auf verfassungsblog.de stellt Franz C. Mayer einige "EU-bezogenen rechtlichen Hebel" vor, mit denen auf die USA hinsichtlich der Zügelung ihrer Geheimdienste eingewirkt werden könnte. Der vielversprechendste Ansatzpunkt sei hierbei die Safe-Harbor-Absprache im Zusammenhang mit der EU-Datenschutzrichtlinie. Gegenüber dem britischen Geheimdienst GCHQ bringt Mayer im zweiten Teil seines Artikels dagegen das EU-Sekundär- und Primärrecht in Stellung und erörtert, wie die Vorbehalte zugunsten der "nationalen Sicherheit" ausgelegt werden könnten.
Thomas Stadler (internet-law.de) fasst Mayers Analyse zusammen und fordert neben der rechtlichen "vor allen Dingen" eine gesellschaftliche Debatte über die Geheimdienst-Befugnisse.
Das Letzte zum Schluss
Gespielter Terror-Anschlag: Offenbar um einen Videofilm für eine Studentenfeier zu drehen haben vier französische Zahnmedizinstudenten für Terror-Alarm in einer Klinik in Nizza gesorgt. In einem muslimischen Gewand und mit einem Maschinenpistolen-Nachbau sei einer von ihnen durch das Klinikum gelaufen und habe dadurch einen massiven Polizeieinsatz ausgelöst, meldet die SZ. Den Studenten drohe nun der Ausschluss vom Studium.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. November 2013: Die Quote kommt – Ablass für Tebartz-van Elst – Terror-Spiele in Klinik . In: Legal Tribune Online, 19.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10083/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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