Die Verfilmung von Schirachs "Terror" sieht sich herber Kritik ausgesetzt. Außerdem: Behinderte Dobrindt das Musterklagen-Vorhaben? Revision in Sachen Deutsche Bank, Justizminister erwägen Reform der Juristenausbildung.
Thema des Tages
Kritik an "Terror": Die am vergangenen Montagabend gesendete Verfilmung von Schirachs Theaterstück "Terror" sieht sich einiger Kritik ausgesetzt. So habe der Film die strafrechtliche Lage falsch dargestellt: Er bringe etwa Rechtswidrigkeit und Schuld durcheinander, erörtere Entschuldigungsgründe nicht ausreichend und suggeriere den Zuschauern mit der Entscheidung "Schuld oder Unschuld", es gebe nur diese beiden Lösungen, obwohl das Strafrecht weitere kenne. Der Film vermittele ein "primitives" Bild des Rechts, das keine überzeugende Antwort für diesen besonderen Fall finden könne. Die Kritiker monieren zudem, es widerspreche dem Rechtsstaat, das Grundrecht der Menschenwürde für Opportunitätsüberlegungen zu öffnen und Menschen damit zum reinen Objekt der Staatsgewalt zu machen. Dies habe schon das BVerfG in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz erklärt. Die Spannung habe mehr gezählt, als eine sachlich richtige Darstellung. Bundesrichter Thomas Fischer braust in seiner zeit.de-Kolumne. Frank Bräutigam (tagesschau.de) wägt zudem ab, wie sinnvoll solche Volksbefragungen in Rechtsfragen sind. Christian Bommarius (BerlZ) sieht eine Abstimmung über ein Scheinproblem. Heribert Prantl (SZ) setzt sich auch mit der darauffolgenden Diskussion bei "Hart aber fair" auseinander. Rechtsanwalt Heinrich Schmitz zieht sein Fazit auf causa.tagesspiegel.de und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki auf focus.de.
Rechtspolitik
Musterklagen: Nach Recherchen der SZ (Markus Balser/Klaus Ott u.a.) mit NDR und WDR heißt es, das Vorhaben Musterfeststellungsklage sei deswegen nicht vorangegangen, weil Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) alle Passagen dazu anlässlich der regierungsinternen Abstimmung aus einem Entwurf des Justizressorts herausstrich. Dies belegten handschriftliche Notizen des Ministers ("Komplett streichen!"). Auf Anfrage habe er nun angegeben, er sei "offen" für eine Regelung der Musterklage.
Ceta: Die EU-Handelsminister haben Ceta an die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts angepasst. Allerdings konnten sie sich bei ihrem Treffen nicht auf eine vorläufige Anwendung des Abkommens einigen, nachdem die Zustimmung aus Belgien, Rumänien und Bulgarien aus unterschiedlichen Gründen fehlt. Beim EU-Gipfeltreffen ab morgigem Donnerstag sollen nun die letzten Hindernisse des Abkommens ausgeräumt werden, denn dieses soll am 27. Oktober mit Kanada unterzeichnet werden, schreiben SZ (Daniel Brössler) und FAZ (Hendrik Kafsack). Das Hbl (Dana Heide) berichtet über den durch die BVerfG-Entscheidung bedingten Zusatztext.
Albakr/Justizvollzug: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verteidigt gegenüber der SZ (Cornelius Pollmer/Robert Rossmann) das Vorgehen des Generalbundesanwalts in Sachen Albakr: Dieser habe "im Rahmen seiner Zuständigkeiten und seiner Befugnisse angemessen und adäquat gehandelt". Maas bezweifelt zudem, dass mit einem Gefängnis für terroristische Verdächtige in der Sache etwas gewonnen wäre. Das Problem suizidgefährdeter Häftlinge beschränke sich nicht nur auf Terrorismusverfahren. Eine Expertenkommission wird nun dabei helfen, den Fall Albakr aufzuklären.
Auch Generalbundesanwalt Peter Frank selbst weist die Vorwürfe im Interview mit der FAZ (Reinhard Müller) zurück und trägt ähnliche Bedenken hinsichtlich einer Haft-Reform vor. Er erklärt, dass Albakr auch nach Vorführung vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs wieder in die sächsische Justizvollzugsanstalt gebracht worden wäre. Eine Totalüberwachung eines Inhaftierten stelle einen schwerwiegenden Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar und bedürfe einer entsprechenden Rechtfertigung.
Bundesgefängnis für Terroristen: Der Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas führt im Interview mit spiegel.de (Ansgar Siemens) aus, warum er zentrale Justizvollzugsanstalten für in Untersuchungshaft befindliche Terrorverdächtige befürwortet. Er äußert sich zudem zu den Besonderheiten islamistischer Inhaftierter und hält fest, warum ein zentrales Gefängnis für verurteilte Islamisten nicht sinnvoll sei. Er betont, es brauche weder Reformen im materiellen Strafrecht noch im Recht zur Untersuchungshaft.
Legalisierung von Cannabis: Der Ko-Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, spricht sich in der Welt dafür aus, Cannabis zu legalisieren.
Justiz
StA München I – Revision gegen Deutsche Bank: Die Staatsanwaltschaft München I hat am vergangenen Montag im Fall Deutsche Bank ihre Revisionsbegründung vorgelegt. Sie will die Freisprüche für Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen überprüfen lassen – nicht jedoch für Börsig und Heydebreck. Die StA beanstandet unter anderem Beweisanträge, die die Richter nicht hätte ablehnen dürfen und insgesamt eine lückenhafte und widersprüchliche Beweisführung, schreiben FAZ (Hendrik Wieduwilt), Hbl (Michael Maisch) und SZ (Stephan Radomsky).
Hendrik Wieduwilt (FAZ) meint, es werde nun zur "Munition" der Staatsanwaltschaft, dass der Vorsitzende Richter nach einem Jahr Prozess nicht mehr alle Beweisanträge zugelassen habe. Zudem zeige die Revision, dass der Weggang der hartnäckigen Oberstaatsanwältin nicht dazu führe, dass "die Ermittler nun die Konzilianz für sich entdecken". Ihre Medienarbeit (die Verteidiger warteten noch auf die Revisionsbegründung) veranschauliche, dass die Behörde auch um ihre Reputation kämpfe.
OLG Celle – Islamistin: Am morgigen Donnerstag beginnt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle das Verfahren gegen Safia S. Die Bundesanwaltschaft hat die 16-Jährige wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer Terrororganisation angeklagt, nachdem diese einen Bundespolizisten in Hannover mit einem Messer lebensgefährlich verletzte. Sie wird verdächtigt, dem sogenannten Islamischen Staat anzuhängen. Die Welt (Ulrich Exner/Florian Flade) bringt einen ausführlichen Vorabbericht.
Asylklagen: Auch die FAZ meldet, dass syrische Flüchtlinge, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lediglich subsidiären Schutz zuerkannt hatte, in 80 Prozent der Fälle Erfolg mit ihren Klagen vor Verwaltungsgerichten haben. Sie erhielten den Flüchtlingsstatus. Dies ergibt sich aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.
AG Frankfurt am Main zu Flugverspätung: Verspätet sich ein Flug, weil die Maschine enteist werden muss, haben die betroffenen Passagiere einen Anspruch auf Entschädigung gegen die Fluggesellschaft. Dies meldet spiegel.de unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht ReiseRecht aktuell.
GStA Koblenz – Schadsoftware: Die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz hat Anklage gegen einen 22-Jährigen erhoben, welcher weltweit Tausende Kunden mit Schadsoftware für Internetkriminalität beliefert haben soll. Er soll sich in mehr als 7.000 Fällen des Vorbereitens des Ausspähens und Abfangens von Daten, der Computersabotage und des Computerbetrugs strafbar gemacht haben. spiegel.de fasst die Vorwürfe zusammen.
BVerfG zu Ceta: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Björn Schiffbauer befasst sich auf juwiss.de mit der "Ja, aber"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Ceta. Er erläutert den einstweiligen Rechtsschutz vor dem BVerfG und legt die sogenannte Folgenabwägung des BVerfG dar.
"Bundesverfassungsgericht billigt CETA und macht sich zum Handlanger der Groko und Großkonzerne." Auf diesen Kommentar der Bundestagsabgeordneten Katja Kipping (Linke) antwortet Gigi Deppe (swr.de): Die Entscheidung in der Hauptsache sei noch gar nicht gefallen. Die Auflagen aus Karlsruhe zeigten, "dass die Verfassungsrichter auch Bauchschmerzen haben". Deppe teilt zwar auch Zweifel Kippings, sie vertraue allerdings der Einsicht aus Karlsruhe, insbesondere im Hinblick auf die Investitionsschutzgerichte. Sie meint daher: "Erst mal abwarten."
Recht in der Welt
EGMR – Tod eines Demonstranten: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei verurteilt, weil Polizist einen kurdischen Mann auf einer Demonstration in Diyarbakir erschossen hatte. Der türkische Staat muss den Angehörigen ein Schmerzensgeld von insgesamt 63.000 Euro bezahlen, meldet die taz.
Türkei – Verfassungsänderung: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will die Verfassung ändern, um im angestrebten Präsidialsystem mehr Befugnisse zu erhalten. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig – bislang hatte die AKP nicht ausreichend Stimmen. AKP-Chef Binali Yıldırım will nun das Volk entscheiden lassen und damit wohl das Parlament umgehen. Die Oppositionspartei MHP hat angekündigt, ein Referendum zu dieser Frage zu unterstützen. Die SZ (Mike Szymanski) und zeit.de schreiben über den Sinneswandel der MHP und die Kritik am Vorgehen der AKP.
Großbritannien – geheimdienstliche Vorratsdatenspeicherung: Ein für die britischen Geheimdienste zuständiges Gericht in London hat am vergangenen Montag die geheime Vorratsdatenspeicherung der Behörden für rechtswidrig erklärt. Sie hätten gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Recht auf Privatsphäre, verstoßen, indem sie seit 1998 massenhaft Verbindungs- und Standortdaten sammelten und auswerteten. Offen ließ das Gericht, ob die Dienste die Daten löschen müssen und ob die Vorratsdatenspeicherung generell gegen die EMRK verstoße oder nur die geheime Durchführung, meldet spiegel.de (tsi).
EU – Judenfeindlichkeit: Der Menschenrechtskommissar des Europarats Nils Muižnieks mahnt, in Europa wachse die Judenfeindlichkeit. In einem Blogbeitrag, auf den sich spiegel.de bezieht, sorgt sich Muižnieks um "zunehmende antisemitische Hetze, Gewalt und Leugnung des Holocausts". Er appelliert an die EU-Staaten juristisch dagegen vorzugehen.
Juristische Ausbildung
Ausbildungsreform: Einer Online-Vorabmeldung der NJW (Joachim Jahn) zufolge, wollen die Justizminister die Ausbildungs- und Prüfungsbedingungen für angehende Juristen stärker vereinheitlichen. Dies gehe aus einem noch unveröffentlichten Bericht eines Koordinierungsausschusses der Justizministerkonferenz, der der NJW vorliegt, hervor. Im Fokus stehe eine Begrenzung des Pflichtstoffs für beide Staatsprüfungen.
Sonstiges
Unternehmen und Erbschaftsteuer: In einem Gastbeitrag für die FAZ erklären Matthias Blum und Christian Wentrup, beide Rechtsanwälte, wie Familienunternehmen und ihre Gesellschafter nach der Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer ihre steuerliche Situation ausloten sollten.
Das Letzte zum Schluss
Kann denn nicht ein Mal jemand an die Kinder denken? Wobei... Seifenblasen schaffen es sogar die Großen zu verzücken! So wundert es nicht, dass man immer wieder Seifenblasen-Künstler in Fußgängerzonen sichtet. In Köln jetzt allerdings wohl nicht mehr. Die Kölner Stadtordnung droht Seifenblasenpustern künftig mit einem Bußgeld von bis zu 510 Euro. Als Begründung führt sie unter anderem eine Verunreinigung öffentlicher Flächen durch die Lauge und eine "akute Rutschgefahr" der Fußgänger an. justillon.de (Jannina Schäfer) gibt allerdings einen Lichtblick: Das Ordnungsamt habe klargestellt, dass Seifenblasen nicht per se verboten seien; professionelle Künstler müssten sich aber an bestimmte Vorgaben halten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Oktober 2016: Kritik an "Terror" / Reform der Juristenausbildung / Revision gegen Deutsche Bank . In: Legal Tribune Online, 19.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20898/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag