Der Fall Edathy könnte zu einer Verschärfung des Strafrechts führen. Justizminister Maas will den Handel mit Nacktbildern von Kindern künftig unter Strafe stellen. Außerdem in der Presseschau: Urteil zum Völkermord in Ruanda, BGH erleichtert Abbruch von Ebay-Auktionen, Impressumspflicht bei Xing ist umstritten - und warum eine vergessene Videokassette neun Jahre später einen Haftaufenthalt verursachte.
Thema des Tages
Maas will Strafbarkeit von Nacktbildern: Justizminister Heiko Maas (SPD) hat vorgeschlagen, den gewerblichen Handel mit Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen künftig unter Strafe zu stellen. Einen Gesetzentwurf will er allerdings erst nach gründlicher Diskussion vorlegen. Bis Ostern will Maas jedoch einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur sexuellen Ausbeutung von Kindern vorlegen. Darin soll unter anderem jedes gezielte Betrachten von Kinderpornographie im Internet unter Strafe gestellt werden. Es berichten die Welt (Thorsten Jungholt), die taz (Christian Rath) und zeit.de (Teresa Dapp).
Die Kommentare konzentrieren sich auf die Kriminalisierung kommerzieller Nackbilder. Ludwig Greven (zeit.de) bejaht diese ohne Abstriche. "Das sexuelle Ausnutzen von Kindern muss in jeder Form tabu sein. Denn es schädigt ihren Körper und ihre Seele, oft für ihr ganzes Leben." Ähnlich argumentiert Joachim Käppner (SZ): "Um Missbrauch handelt es sich aber auch, wenn Kriminelle ihre kleinen Opfer 'nur' nackt zu eindeutigen Zwecken posieren lassen. Wehren können sich die Kinder nicht, sie werden getäuscht oder bedroht, manchmal stimmen Eltern aus Geldgier zu." Simone Schmollack (taz) warnt dagegen vor Gesetzen, die Eltern, Erzieher und Pädagogen verunsichern könnten. "Man stelle sich vor, wie Kinder groß werden, wenn sie umzingelt sind von Hysterie, Verboten und Prüderie." Reinhard Müller (FAZ) warnt: "Die Ausdehnung der Strafbarkeit darf nicht zu erleichterten falschen Verdächtigungen führen", insbesondere wenn schon der bloße Verdacht das soziale Todesurteil beinhalte.
Vorermittlungen wegen Geheimnisverrats: Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hannover haben sich nun abgesprochen, wer bei welchen Sachverhalten der Edathy-Affäre prüft, ob ein Anfangsverdacht des Geheimnisverrats vorliegt, meldet spiegel.de. Ex-Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigte sich in einem Interview mit dem ZDF, die Weitergabe der Informationen über Sebastian Edathy an die SPD-Spitze sei nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten gewesen. Dieses Interview wird heftig kritisiert von Stefan Kuzmany (spiegel.de) und Jasper van Altenbockum (FAZ). Inzwischen hat der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki den BKA-Präsidenten Jörg Ziercke wegen Geheimnisverrat angezeigt sowie den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wegen Anstiftung hierzu, meldet die Welt (Martin Lutz/Uwe Müller).
Ermittlungen gegen Edathy: Thomas Darnstädt (spiegel.de) rechtfertigt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy mit statistischen Erwägungen: "Ist die Quote der Betrachter gerade noch legaler Knabennacktbilder unter den Nutzern illegaler Kinderpornos signifikant höher als unter den Menschen, die sich durchweg nur an legalen Fotos erfreuen?" Wenn dies bejaht werde, spräche dies für die Staatsanwaltschaft Hannover.
Rechtspolitik
BSG - Hartz IV für EU-Bürger: Die FAZ (Corinna Budras/Jan Hauser) berichtet über die Jahrespressekonferenz des Bundessozialgerichts. Nach der EuGH-Vorlage des Bundessozialgerichts im Dezember letzten Jahres hätten arbeitssuchende EU-Ausländer gute Chancen, vor den deutschen Sozialgerichten im Eilverfahren Hartz IV zugesprochen zu bekommen. Richterin Nicola Behrend habe die Politik dann aufgefordert, möglichst rasch zu handeln und die deutschen Regelungen europarechtskonform auszugestalten. Ähnlich argumentiert Corinna Budras (FAZ) in ihrem Kommentar: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei nicht vor dem nächsten Jahr zu erwarten. Bis dahin sollte die Politik das Gesetz so ändern, dass Hartz IV "in Härtefällen gezahlt wird."
Justiz
OLG Frankfurt/Main zu Völkermord in Ruanda: Das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte den ruandischen Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe wegen Beihilfe zum Völkermord zu einer 14-jährigen Freiheitsstrafe. Ihm wird die Beteiligung an einem Massaker in einer Kirche angelastet, bei der 1994 rund 400 Tutsi starben. Es berichtet unter anderem die FAZ (Jochen Stahnke) und die taz (Dominic Johnson).
Heribert Prantl (SZ) begrüßt zwar das Urteil, äußert aber auch Unbehagen: "Ein Prozess vor einem deutschen Gericht, sechstausend Kilometer entfernt vom Tatort, ist nur ein Notbehelf; es gibt so viele Beweis- und Beweiswürdigungsprobleme. Besser wäre ein Verfahren vor dem UN-Strafgericht für Ruanda gewesen, einem Gericht mit Spezialkompetenz; es wurde zu früh zugemacht." Dominic Johnson (taz) meint dagegen, das Verfahren zeige, "dass Probleme bei der Beweisermittlung und der Zeugenvernehmung kein Grund sein können, einen solchen Prozess nicht zu Ende zu führen." Das Gericht habe die Opfer ernst genommen. Reinhard Müller (FAZ) ordnet das Verfahren in eine skeptische Betrachtung der internationalen Strafjustiz ein.
BGH zu abgebrochener Ebay-Auktion: Der Bundesgerichtshof hat es Verkäufern erleichtert eine für sie unbefriedigend verlaufende Auktion abzubrechen. Gründe für einen den Abbruch rechtfertigenden Irrtum über den zu versteigernden Gegenstand könnten auch nachträglich gefunden werden. In einer ausführlichen Analyse der Interessenslagen kommt die SZ (Markus Mähler) zum Schluss, dass damit zwar systematischen "Abbruchjägern", die in solchen Konstallationen bisher mit guten Chancen für sich ein Schnäppchen reklamieren konnten, Einhalt geboten werde. Für normale Kunden verschlechterten sich damit die Bedingungen aber auch.
LG Hamburg zu Umsatzsteuerkarussel: Erneut führten betrügerische Karussel-Geschäfte mit CO2-Zertifikaten zu Strafen wegen Steuerhinterziehung. Das Landgericht Hamburg verurteilte den Hauptangeklagten zu sechs Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe, berichtet spiegel.de.
LG Bonn - Teldafax-Konkurs: Am Landgericht Bonn begann am Dienstag der Prozess gegen Manager des Energieunternehmens Teldafax, denen Konkursverschleppung und Betrug an ihren vorauszahlenden Kunden vorgeworfen wird. Der erste Verhandlungstag war geprägt von einem Befangenheitsantrag, bei dem die Verhandlung vor einer "Hilfskammer" gerügt wurde, berichtet die FAZ (Helmut Bünder).
LG Magdeburg - Nazi-Angriff: Neun Rechtsradikale hatten im September 2013 den türkischen Inhaber eines Imbisses in Bernburg lebensgefährlich verletzt. Am Dienstag begann vor dem Landgericht Magdeburg der Prozess wegen versuchten Totschlags. Die Anklage sah kein dominierendes fremdenfeindliches Motiv und klagte deshalb nicht wegen Mordversuchs an, da zunächst die deutsche Freundin des Türken angepöbelt wurde und dieser sie verteidigte. Es berichtet die taz (Konrad Litschko).
OLG München - NSU und Pogromly: Im Prozess gegen Beate Zschäpe und andere ging es nun um das Brettspiel "Pogromly", das die mutmaßlichen NSU-Mitglieder nach ihrem Untertauchen anfertigten, um Unterstützungsgelder einzuwerben. Das Spiel zeige die menschenverachtende politische Haltung der drei, zum Zeitpunkt als sie in den Untergrund gingen, folgert die SZ (Annette Ramelsberger).
Urteilsanmerkungen von BGH-Mitarbeitern: Der Anwalt Stephan Bausch kritisiert in einem FAZ-Gastbeitrag, dass wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Fällen, bei denen die Revisionen zum Bundesgerichtshof kurzfristig zurückgenommen wurden, Urteilsanmerkungen zum zunächst angegriffenen Urteil des Oberlandesgerichts schreiben und so die Position des BGH öffentlich machen. Es sei "nicht Aufgabe des BGH, außerhalb anhängiger Gerichtsverfahren für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts zu sorgen." Dies gelte auch, nachdem der Bundestag im letzten Jahr die Rücknahme von Revisionen erschwert habe.
Recht in der Welt
Schottlands Weg in die EU: Wäre nach einer Abspaltung Schottlands von Großbritannien ein unkomplizierter Beitritt zur EU möglich? Der Jura-Student Maximilian Jermies prüft dies auf verfassungsblog.de und ist im Ergebnis sehr skeptisch. Weil damit die schnelle Re-Integration in den Binnenmarkt fraglich sei, spräche dies eher gegen einen Erfolg der Abspaltungs-Befürworter beim Referendum im September.
Sonstiges
Impressumspflicht bei Xing: Der Anwalt Thomas Schwenke wurde abgemahnt, weil er auf seiner Xing-Seite angeblich kein Impressum vorhalte. Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert Schwenke, dass Xing nach seiner Ansicht keine Telemedium, sondern eher ein Forum sei und deshalb keine Impressumspflicht bestehe. Auf Facebook-Seiten hält aber auch er ein Impressum für geboten.
Das Letzte zum Schluss
Haft wegen vergessenen Videos: Eine damals 19-jährige Amerikanerin lieh vor neun Jahren in einer Videothek eine VHS-Kassette aus, vergaß aber diese zurückzubringen. Mahnungen der Videothek hatten sie angeblich nicht erreicht. Darauf erwirkte die Videothek einen Haftbefehl wegen Diebstahls gegen die Frau, der auch bestehen blieb, nachdem die Videothek aufgegeben wurde. Jahre später kam die Frau zur Polizei, um ein ganz anderes Delikt anzuzeigen. Auf der Wache wurde dann aber festgestellt, dass gegen sie noch ein Haftbefehl bestand. Und da erst am nächsten Tag eine Anhörung möglich war, so spiegel.de, musste die Frau tatsächlich eine Nacht in der Arrestzelle verbringen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Februar 2014: Strafbarkeit von Nacktbildern? – Völkermord in Frankfurt bestraft – Ausweg aus unergiebigen Ebay-Auktionen . In: Legal Tribune Online, 19.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11052/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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