Was wird aus den Gurlitt-Bildern? Der Kunsthändler-Sohn will sie nicht freiwillig hergeben, die Staatsanwaltschaft wird zunehmend kritisiert. Außerdem in der Presseschau: Generalbundesanwalt Range im Interview, Richterbund beklagt Personalnot, BAG klärt Weihnachtsgeldklauseln, Google Books darf Snippets zeigen, US-Agenten in Deutschland – aber wenigstens die Treuepunkte sind sicher.
Thema des Tages
Gurlitt-Kunstschatz: Der Umgang mit dem bei Cornelius Gurlitt gefundenen Kunstschatz wirft zunehmend juristische Fragen auf. Wie der Focus (M. Krischer/T. Röll) berichtet, will die bayerische Justiz den Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt dazu bewegen, die in seiner Wohnung gefundenen Bilder dem Staat zu überlassen. Cornelius Gurlitt solle "straffrei bleiben im Austausch gegen die Bilder", heißt es in dem Bericht. Bisher ist allerdings völlig unklar, ob Gurlitt überhaupt Straftaten vorgeworfen werden können.
Der Spiegel widmet dem Fall das Titelthema: Özlem Gezer (Zusammenfassung auf spiegel.de) porträtiert Gurlitt als einen einsamen Menschen, der sich keiner Schuld bewusst ist. Demnach will Gurlitt weder mit den Behörden sprechen, noch auf die Bilder verzichten – allerdings unternimmt er offenbar bisher auch keine juristische Schritte, um die Bilder zurück zu verlangen. Ein weiterer Spiegel-Bericht (L. Gorris/U. Knöfel/C. Neumann/S. Röbel/F. Schmid/M. Sontheimer) gibt einen Überblick über das bisherige Vorgehen der Staatsanwaltschaft.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagt gegenüber der Montags-SZ (Jörg Häntzschel), sie hoffe, die Weigerung Gurlitts sei "nicht sein letztes Wort". In der WamS erklärt der Strafverteidiger Reinhard Birkenstock, welche Rechte Gurlitt zustehen könnten. Birkenstock, der Gurlitt nicht vertritt, betont, dabei müsse je nach Herkunft der Bilder unterschieden werden.
Julia Voss (Montags-FAZ Feuilleton) kritisiert, dass Bund und Länder nicht rechtzeitig die Verjährungsfristen für NS-Raubkunst verlängerten – und nun ohne entsprechende Rechtsgrundlagen ein "moralisches" Verfahren gegen einen Privatmann betreiben.
Rechtspolitik
Spoorendonk stößt auf "Überheblichkeit": Die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk - selbst nicht Juristin - stoße mit ihrem Vorschlag für eine Reform der Tötungsdelikte auf "Überheblichkeit" im Kreis der Justizminister, schreibt die Samstags-Welt (Thorsten Jungholt). Dabei sei ihre Forderung "keine spinnerte Idee", viele Rechtswissenschaftler forderten schon lange eine Überarbeitung. Spoorendonk wolle möglichst noch in diesem Jahr eine Bundesratsinitiative einbringen und neben einer neuen Formulierung des Mord- und des Totschlagsparagrafen auch eine systematische Reform vorschlagen.
Überwachung von Hartz-IV-Empfängern: In einem Kurzinterview mit dem Spiegel verteidigt der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, die Forderung seiner Behörde, Hartz-IV-Empfänger stärker im Internet zu überwachen. Es gehe lediglich um professionelle Internethändler, die entsprechend umsatzsteuerpflichtig sind – hier möchte die Bundesagentur Daten mit den Steuerbehörden abgleichen dürfen. Zugleich fordere man einen Datenabgleich mit den Grundbuchämtern.
Justiz
Kritik am Bundesverfassungsgericht: "Von einem Gesetzesstaat zu einem Richterstaat" - in einem ganzseitigen Gastbeitrag für die Montags-FAZ kritisiert der emeretierte Professor Bernd Rüthers die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und seine Entscheidung zur Gleichstellung homosexueller Paare beim Ehegattensplitting. Die Verfassungsrichter dürften das Grundgesetz zwar fortbilden, aber nicht ändern.
Generalbundesanwalt Range im Interview: Der Deutschlandfunk (Gudula Geuther) bringt ein ausführliches Gespräch mit dem Generalbundesanwalt Harald Range, zwei Jahre nach dessen Amtsantritt. Es geht um die NSA-Spionage, Drohnen-Einsätze und den NSU-Skandal. Range berichtet insbesondere über zwei Prüfverfahren im Zusammenhang mit dem US-Geheimdienstes NSA, einerseits geht es um die massenhaften Abfrage von Daten, andererseits um den Vorwurf, das Mobiltelefon der Kanzlerin sei abgehört worden. Hier würden derzeit zahlreiche Informationen gesammelt, ob es zu einem Ermittlungsverfahren komme, sei aber weiterhin unklar.
Richterbund kritisiert Personalnot: Der Deutsche Richterbund (DRB) geht davon aus, dass bundesweit mehr als 2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen. Das erklärt der DRB-Präsident Christoph Frank gegenüber dem Focus (ähnlicher Bericht auf focus.de). Teilweise könnten Verfahren nicht schnell genug bearbeitet werden, Verdächtige müssten wegen Fristüberschreitung aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
BVerfG – Braunkohleabbau: Die FAS (Reiner Burger) berichtet über das nordrhein-westfälische Dorf Immerath, das dem Braunkohleabbau weichen soll. Gegen die Umsiedlung klagen einer der letzten verbliebenen Einwohner und der Naturschutzbund BUND, demnächst wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet.
BVerwG zu Fahrerlaubnis: Der Verkehrsrechtsexperte Adolf Rebler erklärt für lto.de die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach einem Autofahrer die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, wenn er Cannabis und Alkohol konsumiert – auch wenn er im Straßenverkehr stets nüchtern ist.
BAG zu Weihnachtsgeld: Das Bundesarbeitsgericht hat Stichtagsregelungen beim Weihnachtsgeld für Arbeitnehmer überprüft. Demnach müssen Arbeitgeber klar unterscheiden, ob die Sonderzahlung ausschließlich die Betriebstreue belohnen soll oder ob es zugleich um die Vergütung erbrachter Arbeit geht – in diesem Fall haben auch auch Mitarbeiter, die vor dem Stichtag gekündigt wurden, einen Anspruch auf einen entsprechenden Anteil des Weihnachtsgeldes. beck.blog.de (Markus Stoffels) erklärt die Entscheidung.
OLG Frankfurt/Main zu Kirch-Klage: Im Streit zwischen den Erben des Medienunternehmers Kirch und der Deutschen Bank hat das Oberlandesgericht Frankfurt eine Klage der Witwe Leo Kirchs abgewiesen. Ruth Kirch wollte einen Jahresabschluss der Deutschen Bank für das Jahr 2011 für ungültig erklären lassen. Die Kirch-Erben erlitten derzeit "eine Schlappe nach der anderen", heißt es in einem kurzen Bericht der Samstags-FAZ (Joachim Jahn).
OLG Celle zu "Schotter"-Aufruf: Landtagsabgeordnete können bestraft werden, wenn sie öffentlich dazu aufrufen, bei Protesten gegen Atomtransporte Schottersteine aus dem Gleisbett einer Bahnstrecke zu entfernen. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass sich ein Landtagsabgeordneter bei einer Äußerung außerhalb des Parlaments nicht auf seine Indemnität berufen kann, so die Montags-FAZ (Robert von Lucius). Das Amtsgericht Lüneburg, das im Mai einen thüringischen Linkspartei-Abgeordneten vom Vorwurf der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten freigesprochen hatte, muss nun erneut entscheiden.
LG Leipzig zu Hammerattacke: Ein Arbeitsloser, der eine Mitarbeiterin des Jobcenters Leipzig mit einem Hammer angriff und schwer verletzte, ist vor dem Landgericht Leipzig wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Das meldet spiegel.de.
LG Hannover – Wulff-Prozess: Den Auftritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff vor dem Landgericht Hannover am Donnerstag voriger Woche kommentiert nun auch Gisela Friedrichsen (Der Spiegel). Wulffs Ruf sei schwer beschädigt. Was er von den Ermittlungen berichtete, erinnere "an die Klagen der Opfer im NSU-Prozess, an denen manche Strafverfolger ebenfalls ihren Frust über ausbleibende Fahndungserfolge ausgetobt haben". Ulrich Exner (WamS) sieht eine "offene Flanke" in Wulffs Verteidigungsrede: Es werde sich zeigen müssen, ob der Filmproduzent David Groenewold ein echter Freund Wulffs war, oder ein "professioneller Netzwerker".
NSU-Prozess - Zschäpes Freunde: Die Samstags-taz (Andreas Speit) berichtet vom NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München über das enge Verhältnis Beate Zschäpes zu der Familie des Mitangeklagten André E.
Zeit-Dossier zu falschem Vergewaltigungsvorwurf: Ein Vater, dem die Tochter fälschlicherweise Vergewaltigung vorgeworfen hatte und die Tochter, die ihre Anschuldigungen zurücknahm, schildern ihre Sicht der Ereignisse in einem Dossier der Zeit (Tanja Stelzer/Elisabeth Raether) das nun online nachzulesen ist. Der Vater war 1996 zu sieben Jahren Haft und wurde kürzlich in einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Memmingen freigesprochen.
Domains für Anwälte: Kanzleien können ihre Webadresse künftig mit .law, .lawyer oder ähnlichen Domainnamen abschließen. Rechtsanwältin Susanne Reinemann erklärt auf anwaltskommunikation.de, welche Vorteile die Umstellung haben kann – ob sich die neuen Domains durchsetzen bleibe aber abzuwarten.
Recht in der Welt
Österreich – Hypo Alpe Adria: Am heutigen Montag beginnt vor dem Landgericht Klagenfurt ein Prozess zwischen der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria und der Bayerischen Landesbank. In dem Streit um die inzwischen notverstaatlichte Hypo-Bank sei dies ein wichtiger Termin, so die Samstags-FAZ (Michaela Seiser). Es gehe unter anderem um Bilanzen aus den Jahren 2006 und 2007. Falls die gefälscht seien, hätte die Bayern LB, die die Hypo-Bank 2007 übernahm und Milliardenverluste machte, gute Aussichten von den Hypo-Aktionären Schadensersatz zu verlangen.
Malta – Staatsbürgerschaft zu kaufen: Malta hat angekündigt, für 650.000 Euro Staatsbürgerschaften zu verkaufen – und damit auch Unionsbürgerschaften. Darf das Land das? Claudia Kornmeier (lto.de) erklärt, grundsätzlich stehe es jedem Staat frei, sein Staatsvolk zu definieren, allerdings verstoße Malta möglicherweise gegen Loyalitätspflichten gegenüber anderen EU-Staaten, wenn es Staatsbürgerschaften verkauft.
USA – Sieg für Google Books: Google darf Bücher digitalisieren und Inhalte in Form sogenannter Snippets ausschnittsweise zugänglich machen. Das entschied ein Bundesrichter in New York und wies damit eine Klage der US-amerikanischen Autorengewerkschaft Authors Guild ab. Die kündigte Berufung an. Richter Denny Chin habe die Vorteile Google Books für die Allgemeinheit betont, erläutert netzpolitik.de (Leonhard Dobusch). Die Hintergründe des jahrzehntelangen Streits um Google Books schildert die Samstags-FAZ (Roland Lindner/Corinna Budras).
USA – Haft für Anonymous-Hacker: Der Anonymous-Aktivist Jeremy Hammond ist von einem Bundesgericht in New York zu zehn Jahren Haft wegen Hackerangriffen verurteilt worde. Er habe die Tat gestanden und die in diesem Fall vorgesehene Höchsstrafe erhalten, berichtet spiegel.de.
Brasilien – Bestechungsskandal endet mit Haftstrafen: Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat die Festnahme von zwölf Politikern und Unternehmern angeordnet und damit einen viel beachteten Korruptionsprozess beendet. Nachdem sie vor einem Jahr wegen Stimmenkaufs für die Arbeiterpartei PT verurteilt worden waren, stellten sich die meisten Verurteilten nun freiwillig der Justiz. Die Montags-FAZ (Matthias Rüb) und die Montags-SZ (Peter Burghardt) berichten.
Juristische Ausbildung
Law Clinic der Uni Gießen: spiegel.de (Klaus Martin Höfer) stellt auf seiner Uni-Seite die "Refugee Law Clinic" der Uni Gießen vor, in der Jurastudenten Flüchtlinge beraten.
Sonstiges
Wie souverän ist Deutschland?: Der US-amerikanische Secret Service soll an deutschen Flughäfen Verdächtige festnehmen, obwohl er dazu nicht befugt ist. Das berichtet die Montags-SZ (J. Goetz/C. Fuchs/F. Obermaier/T.Schultz) in ihrer Serie "Der geheime Krieg". Angesichts der Recherchen von SZ und NDR zu den Aktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland fragt Heribert Prantl (Montags-SZ): "Wie souverän ist Deutschland?" In der globalisierten Welt werde Nationalstaatlichkeit zwar richtigerweise relativiert. Das erkläre aber nicht "das rigorose Schalten und Walten der USA auf deutschem Boden". Dies sei nur teilweise durch Verträge legitimiert, teilweise offenbar durch "schiere Existenz" und führe so zu "zwei Staatsgewalten" - wie zu früheren Zeiten Kaiser und Papst.
Schutz für Snowden?: Könnte oder müsste Deutschland Edward Snowden aufnehmen? Mit einem Beitrag des Rechtsreferendars Christoph Tometten setzt verfassungsblog.de seine Schwerpunkt-Reihe zur NSA-Spionage auf deutschem Boden fort. Tometten betont, ob Snowden in Deutschland Asyl oder subsidiären Schutz erhalten würde, sei keine politische, sondern eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung – die wohl so ausfallen würde, dass Snowden zumindest nicht abgeschoben werden. Ob Snowden allerdings von Russland aus beantragen kann aus humanitären Gründen aufgenommen zu werden, hänge letztlich vom politischen Willen des Bundesinnenministers ab.
Verfassungsbeschwerden wegen schlechter Pflege?: Die Samstags-SZ (Heribert Prantl) stellt eine Dissertation der Rechtswissenschaftlerin Susanne Moritz vor. Sie komt zu dem Ergebnis, dass die Zustände in Pflegeheimen so schlecht seien, dass eine menschenwürdige Existenz nicht gewährleistet sei. Dabei verletze der Staat seine Schutzpflichten, so dass Verfassungsbeschwerden zulässig wären und auch Aussicht auf Erfolg hätten. Klagen könne dabei jeder – weil möglicherweise später pflegebedürftig sei.
Verstößt WADA gegen deutsches Recht?: Der Rechtsanwalt Paul Lambertz kritisiert auf lto.de die neuen Regeln der Anti-Doping-Agentur WADA. So komme die verlängerte Sperrzeit von vier Jahren mit Trainingsverbot einem Berufsverbot gleich.
Das Letzte zum Schluss
Der BGH rettet Treuepunkte: Wer Treuepunkte sammelt, darf sie auch einlösen. Zu diesem Recht verhalf der Bundesgerichtshof zahlreichen enttäuschten Rewe-Kunden dank einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Der Supermarktkette waren vorzeitig die Messer ausgegangen, die sie ihren Treuepunktesammlern versprochen hatte. Verbrauchertäuschung beschieden die Richter, Treuepunkte dürfen nicht einfach verfallen - künftig müsse Rewe in solchen Fällen zumindest eine Alternative anbieten. Die Samstags-FAZ (Corinna Budras) erläutert das Urteil.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. - 18. November 2013: Offene Fragen im Fall Gurlitt – Zu wenig Richter – Erfolg für Google Books . In: Legal Tribune Online, 18.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10069/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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