E-Zigaretten sind keine Medizinprodukte und deshalb nicht zulassungsbedürftig – so sieht es jedenfalls das OVG Münster. Außerdem in der Presseschau: EU will schnelle Designerdrogen-Verbote, Zschäpe-Anwälte wollen Geld und fürchten Befangenheit, NPD scheitert mit Eilantrag gegen Gauck und warum gerade Jurastudenten in Bibliotheken stehlen.
Thema des Tages
OVG Münster zu E-Zigaretten: Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster stellen E-Zigaretten bzw. die mit ihnen konsumierten nikotinhaltigen Flüssigkeiten keine Medizinprodukte dar und sind deswegen nicht zulassungsbedürftig. In drei verschieden gelagerten Fällen gelangte das Gericht zu dem Schluss, dass den "Liquids" weder eine therapeutische Eignung noch eine solche Zweckbestimmung zukomme, berichtet die FAZ (Reiner Burger). So dürfe vor dem Vertrieb seitens des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums auch nicht mit der Begründung gewarnt werden, dieser sei ohne Zulassung strafbar. Das Land Nordrhein-Westfalen wolle gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen, so die SZ.
lto.de liefert einen ausführlichen Bericht zum Hintergrund des Prozesses und geht auf Rechtsentwicklungen auf EU-Ebene sowie weitere Prozesse rund um E-Zigaretten ein.
Kathrin Zinkant (taz) kritisiert die "Fehleinschätzung" des Gerichts. "Effektiv" täte eine E-Zigarette "das gleiche" wie ein "Nikotin-Inhaler" – nur dass dieser ein Arzneimittel und damit apothekenpflichtig sei.
Rechtspolitik
EU gegen Designerdrogen: Die EU-Kommission will künftig entschiedener gegen neuartige synthetische Drogen vorgehen und ein schnelleres Verbot der übers Internet als "Badesalze" und "Lufterfrischer" vertriebenen Suchtstoffe ermöglichen, berichtet die SZ (Javier Cáceras). Bislang dauere ein Verbotsverfahren mindestens zwei Jahre; dies solle laut Justizkommissarin Viviane Reding auf zehn Monaten verkürzt werden. Auch die FAZ (Nikolas Busse) und die Welt (Christoph B. Schiltz) berichten über den Verordnungsentwurf.
Ulrike Heidenreich (SZ) begrüßt die EU-Pläne. Sie betont die Gefährlichkeit der "legalen" Drogen und die Notwendigkeit EU-weit geltender Verbote.
Urheberrecht: In der Serie zu den Wahlprogrammen der wichtigsten Parteien beschäftigt sich lto.de (Claudia Kornmeier) mit den Vorschlägen zur Reform des Urheberrechts, zu Maßnahmen gegen Internetpiraterie sowie zur Haftung für offene WLAN-Zugänge.
Justiz
NSU-Prozess – Honorare und Befangenheit: Der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ist um zwei Befangenheitsanträge reicher: Was als Streit um einen Honorar-Vorschuss eines der Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe begann, endet nun mit zwei Befangenheitsanträgen der Verteidigung. Im ersten wirft die Verteidigung laut FAZ (Karin Truscheit) dem Gericht vor, durch ein zu geringes Honorar eine "effektive Verteidigung" zu verhindern. Außerdem spielt die Begründung des Honorar-Beschlusses eine Rolle: In dieser ist laut SZ (Annette Ramelsberger) davon die Rede, dass ein geringfügig höheres Honorar angebracht sei, weil der "Tatnachweis" in diesem Verfahren schwer zu erbringen sei. In dieser Formulierung sähe die Verteidigung einen Beleg für die Voreingenommenheit des Gerichts. Der zweite Befangenheitsantrag habe mit angeblich unwahren Äußerungen des zuständigen Richters zur Beschlussfassung des Senats in dieser Sache zu tun, wie auch zeit.de (Tom Sundermann) berichtet.
Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) räumt dem Befangenheitsantrag kaum Aussicht auf Erfolg ein – das Problem mit der Vergütung werde aber bleiben. Udo Vetter (lawblog.de) setzt sich mit der Höhe der Honorarforderung auseinander – und kommt zu dem Schluss, dass der zugestandene Betrag wohl zu gering, die Forderung des Rechtsanwalts aber ihrerseits überzogen sei. Auch Per Hinrichs (Welt) plädiert für eine "angemessene Bezahlung" der Zschäpe-Verteidiger.
BVerfG zu NPD-Eilantrag: Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag der NPD gegen Bundespräsident Gauck zurückgewiesen. In den Augen des Gerichts sei nicht davon auszugehen, dass der NPD "durch künftige Wortbekundungen" des Bundespräsidenten "ein schwerer Schaden" drohe, so die FAZ (Reinhard Müller). Auch lto.de berichtet.
Thomas Stadler (internet-law.de) setzt sich mit den Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens auseinander und hält die Organklage der NPD mangels Klagebefugnis bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Immerhin habe Gauck seine Äußerungen nicht explizit auf die NPD, sondern nur auf eine der Partei mutmaßlich nahestehende Gruppe von Demonstranten bezogen.
BGH zu Lehmann-Insolvenz: Wie FAZ und lto.de melden, hält der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Lehmann-Insolvenz fest und hat am Dienstag eine weitere Schadensersatzklage abgewiesen. Die Insolvenz sei nicht vorhersehbar gewesen, weswegen über dieses Risiko nicht habe aufgeklärt werden müssen.
LG München – Siemens-Bestechungsprozess: Die SZ berichtet von der Verlesung der Anklage gegen den Ex-Siemens-Vorstand Uriel Sharef vor dem Landgericht München. Dem Angeklagten werde von der Staatsanwaltschaft Untreue vorgeworfen, weil er ein Schmiergeldsystem des Unternehmens in Argentinien gedeckt haben soll. Die Verteidigung werfe der Staatsanwaltschaft lückenhafte und intransparente Ermittlungen vor und habe bereits vor Verfahrenseröffnung die Einstellung des Verfahrens beantragt. Über den Antrag habe das Gericht bislang noch nicht entschieden.
StA Berlin – Anklage gegen Bushido: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Rapper Bushido erhoben. Wegen seines bereits indizierten Songs "Stress ohne Grund" werde ihm nun "Volksverhetzung, Beleidigung und Gewaltdarstellung" vorgeworfen, berichtet spiegel.de.
SachsenLB-Prozess – Privatgutachten: Im "Geld"-Teil befasst sich die SZ (Klaus Ott) am Beispiel des SachsenLB-Prozesses mit dem "Trend zur Hilfe von außen" bei umfangreichen Korruptionsverfahren: So gäben Staatsanwaltschaften immer häufiger Rechtsgutachten bei Großkanzleien in Auftrag oder stützten sich in ihren Anklagen auf Privatermittlungen der betroffenen Banken. Strafverteidiger sähen darin eine unzulässige und den Rechtsstaat gefährdende Privatisierung der Justiz – und fordern im SachsenLB-Prozess die Einstellung des Verfahrens.
LG Köln zu Forsa-AfD-Streit: Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat laut FAZ (Majid Sattar) vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen den Vorsitzenden der Partei "Alternative für Deutschland" erwirkt. Danach ist diesem künftig vorerst untersagt, zu behaupten, die AfD liege nach den Rohdaten des Instituts deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde.
Thomas Kröter (FR) meint, damit habe die AfD, die so einmal mehr versucht habe, sich zum Opfer zu stilisieren, "eine saftige Niederlage" kassiert.
ArbG Eberswalde zu sittenwidrigen Liefer-Löhnen: Das Arbeitsgericht Eberswalde hält Stundenlöhne von unter drei Euro für Pizza-Ausfahrer für sittenwidrig. Der vom Jobcenter verklagte Unternehmer muss nun Aufstockungsleistungen zurückzahlen. Er hatte Stundenlöhne zwischen 1,59 und 2,72 Euro bezahlt, berichtet blog.beck.de (Markus Stoffels).
Fusionsrechtsprechung: Vor dem Hintergrund des Fusionsverbots für zwei Kabelnetzbetreiber durch das Oberlandesgericht Düsseldorf im August erläutert der Rechtsanwalt Lutz Becker auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ, wie "vielschichtig" sowie "ökonomisch und rechtlich komplex" Fusionskontrollverfahren sind – und wünscht sich häufiger gerichtliche Entscheidungen, die Fusionen entgegen der bisherigen Praxis auch einmal entgegentreten.
BFH zu Online-Händlern: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ analysiert die Rechtsanwältin Christine Varga ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom Juli, in dem dieser die Betreiber von Internet-Handelsplattformen verpflichtet hatte, Umsätze und Kontaktdaten von Händlern an die Steuerfahndung herauszugeben, wenn der Verdacht von Umsatzsteuerstraftaten bestehe.
BayernLB vs. Hypo Group Alpe Adria: Das Handelsblatt (Christian Höller/Elisabeth Atzler) informiert über den aktuellen Verfahrensstand in der Auseinandersetzung zwischen der Hypo Group Alpe Adria und ihren früheren Mutter, der Bayerischen Landesbank, vor dem Wiener Handelsgericht. Demnach werde dem BayernLB-Chef Gerd Häusler von der Gegenseite nun Falschaussage unter Eid vorgeworfen.
Recht in der Welt
Kroatien – EU-Strafe wegen Haftbefehl-Nichtumsetzung: EU-Justizkommissarin Viviane Reding bereite einem Bericht der FAZ (Nikolas Busse) zufolge ein Strafverfahren gegen das jüngste EU-Mitglied Kroatien vor. Drei Tage vor seinem Beitritt habe das Land die Anwendbarkeit des Europäischen Haftbefehls zeitlich eingeschränkt, was laut Kommission gegen EU-Recht verstoße. Auch die taz (Eric Bonse) berichtet knapp.
Reinhard Veser (FAZ) begrüßt das "harte" Vorgehen Redings gegen das "dreiste" Verhalten Kroatiens. Dabei gehe es zum einen "ums Prinzip", andererseits aber auch darum, dass "in Zagreb Personen geschützt werden sollen, die in Verbrechen des kommunistischen Regimes verstrickt" seien.
Israel – Einwanderer-Internierung rechtswidrig: Das Oberste Gericht Israels hat am Montag ein Gesetz für ungültig erklärt, das es erlaubt hatte, ohne gültige Visa eingereiste Migranten bis zu drei Jahre lang zu inhaftieren. Nun müsse die Regierung fast 2.000 Einwanderer freilassen, berichten FAZ (Hans-Christian Rößler) und taz (Susanne Knaul).
USA – Prozesswütiger Milliardär: Das Handelsblatt (Thomas Jahn) portraitiert den "Prozesskönig" Ron Perelman. Der US-Milliardär sei "ständig vor Gericht" und habe allein in einem inzwischen fünf Jahre dauernden Rechtsstreit mit seiner Familie schon mehr als 60 Millionen US-Dollar Anwaltskosten aufgehäuft. Seine häufigen Klagen begründe er damit, dass es in seiner Natur liege, sich "nicht verarschen zu lassen".
Sonstiges
Aktionärs-Zustimmung: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ erläutert der Rechtsanwalt Harald Gesell, wann der Vorstand einer Aktiengesellschaft die Zustimmung der Aktionäre einholen muss, wenn er Vermögen der Gesellschaft veräußern will. Gesetzlich sei dies nur für den Fall die Veräußerung des Gesamtvermögens geregelt, und auch nach der Rechtsprechung seien die Fälle eines darüber hinausgehenden Zustimmungserfordernisses an sehr hohe Hürden geknüpft. Diese seien bislang in keinem gerichtlich entschiedenen Verkaufsfall erreicht worden.
Kriegsfolgen vor Gericht: Mit der gerichtlichen Aufarbeitung von Kriegsfolgen befasst sich Philipp Stöckle auf juwiss.de. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall der Brücken-Bombardierung im kosovarischen Varvarin, in dem das Gericht eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik abgelehnt hatte, sowie der jüngsten Entscheidung des Hoge Raad zur Verantwortung der Niederlande für das Srebrenica-Massaker versucht der Beitrag Schlussfolgerungen für das Verfahren zum Kunduz-Bombardement zu ziehen, das derzeit vor dem Landgericht Bonn anhängig ist. Demnach komme es hier vor allem auf einen Anspruch aus Amtshaftung an.
Das Letzte zum Schluss
Stehlende Jurastudenten: "Warum klauen so viele Juristen?" fragt sich bild.de (Romy Heinrich) und geht dem Phänomen nach, dass gerade in juristischen Bibliotheken "Sachbeschädigung und Diebstahl zum Tagesgeschäft" gehörten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. September 2013: E-Zigarette kein Medizinprodukt – Honorar-Streit im NSU-Prozess – NPD scheitert mit Eilantrag . In: Legal Tribune Online, 18.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9576/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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