Bundesregierung gab Ermittlungen gegen Jan Böhmermann frei, ohne auf Bericht der StA zu warten. Außerdem in der Presseschau: Bundesanwaltschaft bremst NSU-Nebenkläger und smarte Matratzen registrieren Aktivitäten im Ehebett.
Thema des Tages
StA Mainz - Böhmermann und Bundesregierung: Die Bundesregierung hat ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann gegeben, ohne den erforderlichen Bericht der Staatsanwaltschaft Mainz abzuwarten. Das meldet der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und verweist auf die RiStBV (Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren).
Am Freitag hatte Kanzlerin Merkel bekanntgegeben, dass die Bundesregierung die nach § 104a Strafgesetzbuch erforderliche Ermächtigung für die Strafverfolgung gemäß § 103 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) erteilt hat. SPD-Minister waren mit der Entscheidung nicht einverstanden. Es berichtete unter anderem spiegel.de (Philipp Wittrock/Severin Weiland). Eine erste Umfrage ergab laut BamS, dass zwei Drittel der Deutschen die Entscheidung missbilligen. spiegel.de beschreibt das weitere juristische Verfahren. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) schildert zum Vergleich, wie normale Beleidigungsverfahren von der Justiz in der Regel auf den unattraktiven Privatklageweg verwiesen werden. Die Montags-SZ (Heribert Prantl) erläutert, dass Böhmermann im Falle einer Abschaffung von § 103 StGB immer noch eine Verurteilung wegen einfacher Beleidigung drohe. Die Montags-FAZ (Reinhard Müller) portraitiert den Koblenzer-Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, in dessen Verantwortungsbereich die Ermittlungen laufen werden. Die Samstags-Welt (Naemi Goldapp) stellt Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger vor.
Christian Bommarius (Samstags-FR) verteidigt Merkels Schritt: Es wäre eine Verletzung der Gewaltenteilung gewesen, wenn die Regierung eine Entscheidung der Justiz verhindert hätte. Tobias Sindram (lto.de) sprach sich ebenfalls dafür aus, die Entscheidung der Justiz zu überlassen. Gigi Deppe (tagesschau.de) hofft auf ein Happy End für Böhmermann in Form eines Freispruchs. Dagegen kritisiert der Habilitand Roman Lehner auf verfassungsblog.de die Entscheidung der Kanzlerin. Sie habe die Grundrechtsbindung der Ermächtigung verkannt. Udo Vetter (lawblog.de) hält es für abwegig, die Strafverfolgung auf Grundlage einer Norm zu erlauben, die die Regierung zugleich abschaffen will. Thomas Stadler (internet-law.de) fände es grotesk, wenn § 103 StGB sogar vor einer Entscheidung im Fall Böhmermann abgeschafft würde. "Man kann nicht zuerst zur Strafverfolgung ermächtigen und dann durch Streichung der Norm verhindern, dass jemand nach dieser Strafvorschrift verurteilt wird."
§ 103 StGB: Wie Kanzlerin Merkel ankündigte, soll § 103 StGB abgeschafft werden. Die Montags-taz (Pascal Beucker) schildert die Geschichte des Paragraphen, der in den 50er-Jahren sogar ausgeweitet werden sollte. Die WamS (Sven Felix Kellerhoff) erinnert an eine Verurteilung von Journalisten des Kölner Stadtanzeigers auf Betreiben des Schah von Persien in den 60er-Jahren.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Heinze kritisiert auf lto.de die geplante Abschaffung. Es werde übersehen, dass die Norm nicht die Ehre von Politikern schütze, sondern das deutsche Interesse an guten außenpolitischen Beziehungen. Christian Rath (Samstags-BadZ) begrüßt die Abschaffung der Norm, die der Bundesregierung entgegen ihres Rechtguts nur außenpolitischen Ärger beschere. Heribert Prantl (Samstags-SZ) fände es konsequent, wenn auch die "Verunglimpfung des Bundespräsidenten" als Sonderrecht beseitigt würde.
VG Berlin zu Demonstrationsrecht und Schmähgedicht: Die Berliner Polizei hat verboten, das Gedicht "Schmähkritik" von Jan Böhmermann vor der türkischen Botschaft zu verlesen. Ein hiergegen gerichteter Eilantrag scheiterte beim Verwaltungsgericht Berlin, meldet der blog kanzleikompa.de (Markus Kompa). Das Gedicht für sich sei eine Beleidigung. Ob es in der "quasi-edukatorischen" Einbettung von Böhmermanns Sendung strafbar war, ließen die Richter aber offen.
Rechtspolitik
Sexistische Werbung: Der Spiegel (Melanie Amann u.a.) schildert, wie der feministische Verein "Pink stinks" mit seiner Kampagne gegen sexistische Werbung die SPD und das Justizministerium überzeugen konnte, das Anliegen aufzunehnen. Sebastian Hammelehle (Spiegel) kritisiert die Pläne: "was modern sein soll, ist paternalistisch". Dagegen hält Jost Müller-Neuhof (Tsp) den Vorschlag für nachvollziehbar. Dass Werbung mit weiblichen Brüsten die Verfügbarkeit von Frauen suggeriere, sei "keine irre Feminismus-Klamotte".
Transparenzregister: Die Anwälte Wolfram Hertel und Stephan Bernhard Koch kritisieren auf lto.de den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas für ein Transparenzregister, aus dem ersichtlich sein soll, wer die "wirtschaftlich Begünstigten" von Unternehmen sind. Der Vorschlag sei "wenig durchdacht", weil Strohleute, die ihre Hintermänner nicht nennen, keine Sanktionen befürchten müssten.
Justiz
BAW - NSU und V-Leute: Die WamS (Stefan Aust u.a.) kritisiert, wie die Bundesanwaltschaft die Vorgänge um den V-Mann "Primus", in dessen Baufirma Uwe Mundlos eventuell gearbeitet hat, aufarbeite. Dies sei nur Gegenstand in einem separaten Strukturermittlungsverfahren gegen unbekannt, zu dem die Anwälte der Nebenklage keinen Zugang hätten. Die Überlegung der BAW, dass der V-Mann den Decknamen von Mundlos mit einem anderen Namen verwechselt habe, sei eher fernliegend.
OLG Düsseldorf - Reker-Attentat: Am Oberlandesgericht Düsseldorf begann der Prozess gegen Frank S., der die jetzige Kölner Oberbürgermeistern Henriette Reker im Wahlkampf lebensgefährlich verletzt hatte. S. berichtete aus seinem Leben. Er sei kein Nazi, sondern ein "wertkonservativen Rebell". Über den ersten Prozesstag schrieben die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Jörg Diehl).
BAW - Safia S.: Die Bundesanwaltschaft hat gegen die 15-jährige Islamistin Safia S., die in Hannover einen Polizisten mit einem Messer angegriffen hatte, jetzt einen Haftbefehl beim BGH-Ermittlungsrichter erwirkt. Die Tat habe einen terroristischen Hintergrund gehabt, meldet haz.de.
BVerfG - Bundeskriminalamt: Am Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Novelle des BKA-Gesetzes verkünden. Der Spiegel (Dietmar Hipp) sprach mit dem FDP-Politiker Gerhart Baum, einem der Kläger, über dessen Kritik an der Ausweitung von BKA-Eingriffsbefugnissen in das Vorfeld einer Gefahr.
LG Hildesheim - Schleuser: Am Landgericht Hildesheim beginnt am Mittwoch der Prozess gegen Hussein O. aus Essen, dem gewerbsmäßige Schleusungen und Urkundenfälschungen vorgeworfen werden. Laut Spiegel (Andreas Ulrich) soll O. zu einem "libanesischen Clan" gehören. Die Anklage wurde möglich, weil ein Syrer, dem unzureichend gefälschte Visa nach Deutschland verkauft wurden, sich als Zeuge an die deutsche Botschaft in Damaskus wandte.
Sorgerecht vor Gericht: Die WamS (Freia Peters) nimmt die starke Zunahme von Sorgerechtsstreitigkeiten zum Anlass, solche Verfahren näher zu beschreiben. In hochstrittigen Fällen würden sich Eltern oft wie Dreijährige verhalten. Richter versuchten beim Legospiel mit den Kindern herauszufinden, was jene wollen.
Recht in der Welt
USA - Microsoft gegen geheime Überwachung: Der Softwarekonzern Microsoft klagt gegen das US-Justizministerium, weil immer häufiger die Überwachung von E-Mail-Verkehr mit der Auflage verbunden wird, dass die Betroffenen nichts davon erfahren dürfen. Microsoft hält die gesetzliche Grundlage dieser Praxis für verfassungswidrig. Die Klage soll auch den Druck auf den Gesetzgeber erhöhen, die Klausel von sich aus zu reformieren. Es berichteten die Samstags-SZ (J. Kuhn/H. Tanriverdi) und die Samstags-FAZ (Roland Lindner).
USA - transparente Justiz: Im Schadensersatz-Verfahren gegen VW hat das Bundesgericht für den nördlichen Bezirk Kaliforniens jetzt eine Webseite eingerichtet, auf der alle Wortprotokolle, Beschlüsse und Schriftsätze zu finden sind. An der Statuskonferenz am 21. April können interessierte Journalisten sogar per Telefonkonferenz teilnehmen. Darauf weist das German American Law Journal hin.
Sonstiges
Pflegebetrug: Die Montags-Welt (Dirk Banse/Annette Dowideit) schildert wie "russische Pflegedienst-Banden" die Sozialversicherung und die Kommunen um Milliarden betrügen. Schwerkranken Patienten, die eigentlich eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Fachkräfte brauchen, wird nur ab und zu eine Hilfskraft vorbeigeschickt. Mit der Kasse wird aber die teure Fachkraft abgerechnet. Die Betrugsgewinne werden mit den betroffenen Familien geteilt. Verurteilungen seien selten, weil Staatsanwaltschaften meist keine Experten für Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen haben.
Musikrecht: irights.info (Fabian Rack) beschreibt, wie der in den USA anhängige Streit um das Eingangsriff des Rocksongs "Stairway to Heaven" (Led Zeppelin) nach deutschem Urheberrecht gelöst würde. Die vermeintliche Vorlage "Taurus" (Spirit) würde wohl nicht als schutzfähig angesehen, jedenfalls wären durch Led Zeppelin keine Rechte verletzt worden.
Das Letzte zum Schluss
Überwachung des Ehebetts: Ein spanischer Hersteller hat eine Matratze entwickelt, die Länge und Intensität von Erschütterungen und das Körpergewicht der Akteuere aufzeichnet. Damit können Ehegatten während ihrer Abwesenheit kontrollieren, ob das Ehebett zu einem Seitensprung genutzt wurde. Die Matratzendaten seien auch aus der Ferne abrufbar, berichtet die Samstags-SZ (Thomas Urban).
Fünf Jahre lto-Presseschau
Jubiläum: Die erste lto-Presseschau erschien am 18. April 2011. Seitdem wird sie von Juristen in Justiz, Anwaltschaft, Politik, Medien und Verbänden täglich genutzt, um schnell einen Überblick über das juristische Geschehen zu bekommen - und um außergewöhnliche Beiträge nicht zu verpassen. Auch in der Examensvorbereitung (von Studierenden und Prüfern) hat die Presseschau ihren festen Platz gefunden.
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lto/chr
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Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. April 2016: Regierung vorschnell gegen Böhmermann / Intransparentes Verfahren gegen NSU-Umfeld / Smarte Matratzen . In: Legal Tribune Online, 18.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19107/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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