Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. April 2016: Regie­rung vor­sch­nell gegen Böh­m­er­mann / Intran­s­pa­rentes Ver­fahren gegen NSU-Umfeld / Smarte Mat­rat­zen

18.04.2016

Bundesregierung gab Ermittlungen gegen Jan Böhmermann frei, ohne auf Bericht der StA zu warten. Außerdem in der Presseschau: Bundesanwaltschaft bremst NSU-Nebenkläger und smarte Matratzen registrieren Aktivitäten im Ehebett.

Thema des Tages

StA Mainz - Böhmermann und Bundesregierung: Die Bundesregierung hat ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann gegeben, ohne den erforderlichen Bericht der Staatsanwaltschaft Mainz abzuwarten. Das meldet der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und verweist auf die RiStBV (Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren).

Am Freitag hatte Kanzlerin Merkel bekanntgegeben, dass die Bundesregierung die nach § 104a Strafgesetzbuch erforderliche Ermächtigung für die Strafverfolgung gemäß § 103 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) erteilt hat. SPD-Minister waren mit der Entscheidung nicht einverstanden. Es berichtete unter anderem spiegel.de (Philipp Wittrock/Severin Weiland). Eine erste Umfrage ergab laut BamS, dass zwei Drittel der Deutschen die Entscheidung missbilligen. spiegel.de beschreibt das weitere juristische Verfahren. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) schildert zum Vergleich, wie normale Beleidigungsverfahren von der Justiz in der Regel auf den unattraktiven Privatklageweg verwiesen werden. Die Montags-SZ (Heribert Prantl) erläutert, dass Böhmermann im Falle einer Abschaffung von § 103 StGB immer noch eine Verurteilung wegen einfacher Beleidigung drohe. Die Montags-FAZ (Reinhard Müller) portraitiert den Koblenzer-Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, in dessen Verantwortungsbereich die Ermittlungen laufen werden. Die Samstags-Welt (Naemi Goldapp) stellt Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger vor.

Christian Bommarius (Samstags-FR) verteidigt Merkels Schritt: Es wäre eine Verletzung der Gewaltenteilung gewesen, wenn die Regierung eine Entscheidung der Justiz verhindert hätte. Tobias Sindram (lto.de) sprach sich ebenfalls dafür aus, die Entscheidung der Justiz zu überlassen. Gigi Deppe (tagesschau.de) hofft auf ein Happy End für Böhmermann in Form eines Freispruchs. Dagegen kritisiert der Habilitand Roman Lehner auf verfassungsblog.de die Entscheidung der Kanzlerin. Sie habe die Grundrechtsbindung der Ermächtigung verkannt. Udo Vetter (lawblog.de) hält es für abwegig, die Strafverfolgung auf Grundlage einer Norm zu erlauben, die die Regierung zugleich abschaffen will. Thomas Stadler  (internet-law.de) fände es grotesk, wenn § 103 StGB sogar vor einer Entscheidung im Fall Böhmermann abgeschafft würde. "Man kann nicht zuerst zur Strafverfolgung ermächtigen und dann durch Streichung der Norm verhindern, dass jemand nach dieser Strafvorschrift verurteilt wird."

§ 103 StGB: Wie Kanzlerin Merkel ankündigte, soll § 103 StGB abgeschafft werden. Die Montags-taz (Pascal Beucker) schildert die Geschichte des Paragraphen, der in den 50er-Jahren sogar ausgeweitet werden sollte. Die WamS (Sven Felix Kellerhoff) erinnert an eine Verurteilung von Journalisten des Kölner Stadtanzeigers auf Betreiben des Schah von Persien in den 60er-Jahren.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Heinze kritisiert auf lto.de die geplante Abschaffung. Es werde übersehen, dass die Norm nicht die Ehre von Politikern schütze, sondern das deutsche Interesse an guten außenpolitischen Beziehungen. Christian Rath (Samstags-BadZ) begrüßt die Abschaffung der Norm, die der Bundesregierung entgegen ihres Rechtguts nur außenpolitischen Ärger beschere. Heribert Prantl (Samstags-SZ) fände es konsequent, wenn auch die "Verunglimpfung des Bundespräsidenten" als Sonderrecht beseitigt würde.

VG Berlin zu Demonstrationsrecht und Schmähgedicht: Die Berliner Polizei hat verboten, das Gedicht "Schmähkritik" von Jan Böhmermann vor der türkischen Botschaft zu verlesen. Ein hiergegen gerichteter Eilantrag scheiterte beim Verwaltungsgericht Berlin, meldet der blog kanzleikompa.de (Markus Kompa). Das Gedicht für sich sei eine Beleidigung. Ob es in der "quasi-edukatorischen" Einbettung von Böhmermanns Sendung strafbar war, ließen die Richter aber offen.

Rechtspolitik

Sexistische Werbung: Der Spiegel (Melanie Amann u.a.) schildert, wie der feministische Verein "Pink stinks" mit seiner Kampagne gegen sexistische Werbung die SPD und das Justizministerium überzeugen konnte, das Anliegen aufzunehnen. Sebastian Hammelehle (Spiegel) kritisiert die Pläne: "was modern sein soll, ist paternalistisch". Dagegen hält Jost Müller-Neuhof (Tsp) den Vorschlag für nachvollziehbar. Dass Werbung mit weiblichen Brüsten die Verfügbarkeit von Frauen suggeriere, sei "keine irre Feminismus-Klamotte".

Transparenzregister: Die Anwälte Wolfram Hertel und Stephan Bernhard Koch kritisieren auf lto.de den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas  für ein Transparenzregister, aus dem ersichtlich sein soll, wer die "wirtschaftlich Begünstigten" von Unternehmen sind. Der Vorschlag sei "wenig durchdacht", weil Strohleute, die ihre Hintermänner nicht nennen, keine Sanktionen befürchten müssten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. April 2016: Regierung vorschnell gegen Böhmermann / Intransparentes Verfahren gegen NSU-Umfeld / Smarte Matratzen . In: Legal Tribune Online, 18.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19107/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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