Ein Eilantrag beim BVerfG zur Verhinderung der Abstimmung zum Hilfspaket für Zypern ist gescheitert. Außerdem in der Presseschau: Regeln für Prostitution, Ermittlungen gegen Steuerflüchtlinge, mehr Gleichberechtigung in Saudi-Arabien, eine Clifford Chance-Anwältin wechselt zur Deutschen Bank und ein Auftritt bei der Grammy-Verleihung hat juristische Folgen.
Zypern-Abstimmung: Am Donnerstag wird der Bundestag über das Hilfspaket für Zypern abstimmen. Wie spiegel.de meldet, scheiterte ein beim Bundesverfassungsgericht eingereichter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Abstimmung zu verhindern. Einzelheiten des Eilantrags kennt die SZ (Susanne Höll/Wolfgang Janisch). Der Wirtschaftswissenschaftler Markus C. Kerber bemängele die unzureichende Information des Parlaments durch die Regierung. Auch seien die im Karlsruher Urteil zum Euro-Rettungsschirm vom September des letzten Jahres formulierten Bedingungen nicht eingehalten.
Heribert Prantl (SZ) erinnert in seinem Kommentar an die Gesetzeskraft des ESM-Vertrages. Der im Karlsruher Urteil unternommene Versuch einer Stärkung der Rechte des Bundestages werde durch die Regierungsvorlage konterkariert. Denn zur Abstimmung stünde heute keine Grundsatzfrage, sondern die von der EU-Troika bereits fertig ausgehandelten Auflagen. Das Parlament könne diese nur noch abnicken oder sich – mit unabsehbaren Folgen – verweigern. Diese Alternativen nähmen die Haushaltsverantwortung des Bundestages nicht ernst. Vielmehr verfestige sich der Eindruck, dass die ganze Euro-Rettung auf einer "Entrechtlichung" basiere. Getroffene Vereinbarungen verlören bei der jeweils nächsten Krise ihre Wirksamkeit. Dagegen sei der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union geltendes Recht. Die zu beobachtende Praxis, den Vertrag der Arbeitsweise anzupassen, berge die Gefahr einer Notverordnungs-Demokratie.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Frauenquote: Aus Anlass der Bundestagsdebatte zur Frauenquote in Aufsichtsräten kommentiert Günter Bannas (FAZ) den auf Betreiben von Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) bewirkten Beschluss des CDU-Bundesvorstandes, im Wahlprogramm der Union eine starre Quote von 30 Prozent bis 2020 zu fordern. Dies sei ein Eingriff "in Eigentumsrechte". Bis zum Stichtag "sollen alle Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern unter staatliche Kuratel gestellt werden".
Prostitutions-Regeln: Die Forderung der Grünen, dass Freier Prostituierten vor dem Sex ein "aktuelles ärztliches Zeugnis" vorlegen sollen, nimmt die SZ (Roland Preuss) zum Anlass, über Reformvorschläge zum Prostitutionsgesetz zu berichten. Parteiübergreifend sei man sich einig in der Enttäuschung darüber, mit dem Gesetz aus dem Jahr 2002 entscheidende Ziele wie die Austrocknung krimineller Milieus, insbesondere die Verhinderung von Zwangsprostitution sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sex-Arbeiterinnen, nicht erreicht zu haben. Innerhalb der Regierungskoalition streite man sich über eine von der Union favorisierte Verschärfung, daher sei auch die volle Umsetzung einer EU-Richtlinie von 2011 bislang nicht erreicht worden.
Abmahn-Wahn: Der Bundestag berät heute auch über einen Regierungsentwurf zu einem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, mit dem vor allem massenhafte Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen eingedämmt werden sollen. Die SZ (Guido Bohsem/Daniela Kuhr) beantwortet in ihrem Geld-Teil die wichtigsten Fragen von Verbrauchern, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes derartige Post erhalten.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu erbrechtlicher Stichtagsregelung: Wie die SZ (Wolfgang Janisch) meldet, hat das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Stichtagsregelung gebilligt, nach der in bestimmten Fällen nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen benachteiligt werden. Die Erbfähigkeit nichtehelicher Kinder war bereits 1970 etabliert worden, galt jedoch nicht für vor dem 1. Juli 1949 Geborene. Dies rügte 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die nunmehr beanstandete Regelung legte die EGMR-Entscheidung als Stichtag fest. Zu Recht, wie das BVerfG nun befand: Die Rückabwicklung abgeschlossener Erbfälle sei praktisch wie rechtlich schwierig.
BVerfG zu rechtlichem Gehör: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) glossiert eine gestern veröffentlichte Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der eine Entscheidung des Amtsgerichts Landau a.d. Isar bereits zum zweiten Mal wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör aufgehoben wurde. Streitgegenständlich im Ausgangsfall war eine Telefonrechnung. Steinbeis stellt grundsätzliche Überlegungen zu "stolze[n] Diener[n] der bayerischen Rechtspflege" an und betont die Bedeutung "untadeliger Juristen" speziell in Bagatellsachen "auch und gerade in Bayern."
OLG München – NSU-Prozess: Einem Bericht von welt.de (Per Hinrichs) zufolge haben Anwälte der Hinterbliebenen des NSU-Opfers Halit Yozgat beim Oberlandesgericht München eine gerichtsinterne Übertragung der Verhandlung beantragt. Der Antrag könne Rechtsgeschichte schreiben. Die Anwälte, die bereit seien, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, argumentieren, dass ein gesetzliches Übertragungsverbot nicht greife, sofern die Übertragung justizinternen Zwecken diene. Auch seien die technischen Voraussetzungen einer Videoübertragung im Gebäude gegeben, so dass sich der Aufwand "in engen Grenzen" halte.
OLG Frankfurt zur Ehegattenhaftung bei Filesharing: Einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem letzten Monat bespricht Thomas Stadler auf internet-law. Das Gericht entschied, dass der Inhaber eines Internetanschlusses das Nutzungsverhalten des Ehegatten nicht im Hinblick auf etwaige Urheberrechtsverletzungen überwachen müsse und ihn insoweit auch keine Störerhaftung treffe. Dies gelte, solange der Anschlussinhaber keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen habe.
OLG Hamm zu Brautgaben: Das Oberlandesgericht verurteilte jüngst einen Deutsch-Iraner, seiner Ex-Frau eine "Brautgabe" im Gegenwert von 800 Goldmünzen als Unterhalt zu zahlen. Die taz (Daniel Bax) interviewt den Juristen Mathias Rohe aus diesem Anlass zur Frage der Anwendbarkeit iranischen Familienrechts in der Bundesrepublik.
LG Bonn – Kunduz-Entschädigung: Einer Meldung der SZ (bed) zufolge haben die klagenden Hinterbliebenen der Opfer eines Bundeswehr-Angriffs bei Kunduz in Afghanistan vor dem Landgericht Bonn einen Teilerfolg erzielt. Die Zivilkammer entschied, mit Hilfe von Luft- und Funkaufnahmen die Umstände der Bombardierung aufklären zu wollen.
LG Braunschweig – Porsche-Übernahme: Im Rechtsstreit um milliardenschwere Entschädigungen von Anlegern im Zusammenhang der Übernahme von Porsche durch den VW-Konzern vor fünf Jahren hat das Landgericht Braunschweig eine Vertagung angeordnet, berichtet die SZ (Kristina Läsker). Bis zum 19. Juni wolle die Kammer nun ihre Zuständigkeit klären. Eventuell würde ein Teil der diversen Klagen an ein Gericht mit Kartellrechtsschwerpunkt abgetreten werden. Auch die FAZ (Joachim Jahn) berichtet.
Ermittlungen zu Steuerhinterziehung: Hans Leyendecker (SZ) kommentiert den staatlichen Ankauf von Dateien mutmaßlicher Steuerflüchtlinge. Dies sei zwar nicht "ganz sauber". Andererseits könnten sich Behörden, die sich weigern, angebotene Daten auszuwerten, wegen Strafvereitelung im Amt strafbar machen. Bei der Bekämpfung von Kriminalität müsse man sich schließlich "die Hände auch ein wenig schmutzig machen". "Gar nicht sauber" sei dagegen, wenn sich – wie geschehen – Länder nicht an den Kosten der Käufe beteiligen wollten. Im Bericht der SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott) ist von einem Preis von vier Millionen Euro die Rede, den rheinland-pfälzische Steuerfahnder für eine CD mit den Daten von 20.000 Betroffenen bezahlten. Ein weiterer Artikel der SZ (Hans Leyendecker/o.k) macht darauf aufmerksam, dass ein im letzten Jahr erlassener schweizerischer Haftbefehl gegen drei deutsche Ermittler aus Nordrhein-Westfalen wegen nachrichtendienstlicher Betätigung und Verletzung des Bankgeheimnisses nach wie vor in Kraft sei. Dass die Schweiz bislang darauf verzichtet habe, den Haftbefehl international ausschreiben zu lassen, beweise ihre Hilflosigkeit in der Angelegenheit.
Rassismusahndung in Deutschland: Den staatlichen Umgang mit den umstrittenen Äußerungen des früheren Berliner Wirtschaftssenators Thilo Sarrazin rügt der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Rassendiskrimierung. Wie die taz (Andreas Zumach) berichtet, ist der Ausschuss mit Sitz in Genf nach dreijähriger Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Weigerung der Berliner Staatsanwaltschaft, in den in einem Interview mit der Zeitschrift "Lettre International" getätigten Aussagen eine Gefährdung des öffentlichen Friedens zu erkennen, Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der UN-Antirassismuskonvention verletze. Der Ausschuss erwarte von der Bundesregierung, seine Entscheidung "insbesondere den Staatsanwaltschaften und Gerichten" bekannt zu machen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
EU vs. Ungarn: Die EU-Justizkommissarin Reding hat in einer Rede vor dem Europaparlament angekündigt, dass die Europäische Kommission demnächst über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Ungarn entscheiden werde. Nach dem Bericht der SZ (Javier Caceres) bemängelt Reding nach wie vor die Vereinbarkeit ungarischer Verfassungsbestimmungen etwa zur Zuständigkeit von Gerichten oder Beschränkungen der Wahlwerbung mit Rechtsstaats-Prinzipien der EU. Den Hinweis der Kommissarin, auch vor der Anwendung der "juristischen Atombombe" - Art. 7 des EU-Vertrags, durch den Mitgliedstaaten faktisch ausgeschlossen werden könnten – nicht zurückschrecken zu wollen, begrüßt Javier Caceres (SZ) in einem separaten Kommentar. Zu lange sei es Ministerpräsidenten Orbán gelungen, sich durch Teil-Zugeständnisse "durchzumogeln." Dabei gehe es in Ungarn "um fundamentale Fragen der europäischen rechtsstaatlichen Werteordnung."
Russland – Regierungskritiker: Über den Prozess gegen den russischen Regierungskritiker Aleksej Nawalnyi, dem Wirtschaftsvergehen vorgeworfen werden, berichtet nun auch die FAZ (Michael Ludwig). Zum Auftakt vor dem Rayongericht Kirow ist der Prozess auf Antrag des Angeklagten um eine Woche vertagt worden. Dem neu verpflichteten Rechtsbeistand Nawalnyis solle Zeit gegeben werden, sich in die Akten einzuarbeiten.
Saudi-Arabien – Gleichberechtigung: Über vorsichtige Lockerungen geschlechtsspezifischer Verbote in Saudi-Arabien berichtet die SZ (Tomas Avenarius). So dürften Frauen nun – unter männlicher Aufsicht – Fahrrad fahren. Als weitere Premiere habe eine Frau eine Lizenz als "Junior-Rechtsanwältin" erhalten.
USA – Folter: Nach dem in den USA vorgelegten Bericht einer von dem unabhängigen Think-Tank "Constitution Project" einberufenen Untersuchungskommission ist es "unbestreitbar", dass die amerikanische Regierung nach dem 11. September Terroristenführer und Terrorverdächtige gefoltert habe. Bemerkenswert sei, dass es niemals "zuvor eine so umfassende und detaillierte Diskussion über Nutzen, Tauglichkeit und Zulässigkeit der Anwendung von schmerzhaften Verhörmethoden und von Folter" gegeben habe, berichtet die FAZ (Matthias Rüb).
Sonstiges
Informationsfreiheitsgesetz: Seit 2006 gibt das Informationsfreiheitsgesetz Bürgern das Recht, Behördenakten einzusehen. Die Zeit (Kai Biermann/Martin Kotynek) zieht eine vernichtende Bilanz. Zwar stiegen Anträge auf Akteneinsicht der Zahl nach, gleichzeitig würden Behörden aber auch kreativer bei deren Ablehnung. So würden gesetzlich vorgesehene Ausnahmegründe manchmal "gnadenlos" ausgedehnt oder Antragsteller mit hohen Gebührenforderungen abgeschreckt. Dabei beweise das neue Hamburger Transparenzgesetz, "dass es auch anders geht".
Porträt Weber-Rey: In ihrem Wirtschafts-Teil stellt die FAZ (Corinna Budras) die Rechtsanwältin Daniela Weber-Rey vor. Die Partnerin der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance wird ab Juni als "Chief Governance Officer" und "Deputy Global Head Compliance" zur Deutschen Bank wechseln. Ihre Berufung sei der "bisher eindrücklichste Ausweis" dafür, dass das Geldhaus es mit dem proklamierten "Kulturwandel" ernst meine. Auch das Handelsblatt (Tanja Kewes/Per Köhler) porträtiert die renommierte Anwältin, hier eine Kurzversion.
Das Letzte zum Schluss
Unerwünschter Gast: Der ukrainische Komiker Vitalii Sediuk muss seine 15 Minuten Ruhm womöglich mit einer Haftstrafe bezahlen. Während der Grammy-Verleihung im Februar hatte sich Sediuk auf die Bühne geschlichen, um der Sängerin Adele ihr Goldenes Grammophon zu überreichen. Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles fand den Auftritt überhaupt nicht lustig und erhob jetzt Anklage wegen unerlaubten Zutritts zu einer Veranstaltung, berichtet die FAZ (Christiane Heil).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. April 2013: Wirtschafts-Experten gegen Zypern-Hilfe - Ermittlungen gegen Steuerflüchtlinge - EU gegen Ungarn . In: Legal Tribune Online, 18.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8551/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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