Rechtsradikale schlagen auf einem Volksfest zu. Wegen des Überfalls in Eisleben ist nun ein Urteil gesprochen worden. Außerdem in der Presseschau: Verfahren gegen Gribkowsky eingestellt, Prozessbeginn im Teldafax-Verfahren, Menschenrechte in Nordkorea, Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Edathy-Ermittler, Juristinnen in der DDR und rabiate Selbsthilfe.
Thema des Tages
Rechtsradikaler Überfall: Vor knapp zwei Jahren überfielen drei Männer auf einem Volksfest in Eisleben in brutaler Weise eine syrischstämmige Familie. Eine Jugendstrafkammer des Landgerichts Halle verurteilte die Täter, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der rechtsradikalen Szene zuzuordnen sind, in zwei Fällen zu mehrjährigen Haftstrafen, in einem zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung. Der Bericht der taz (Thomas Gerlach) entwirft das bedrückende Bild einer 15 Minuten dauernden Aufzählung der bei dem Angriff entstandenen Verletzungen der Opfer. Ebenfalls zur Sprache kommen verschüchterte Zeugen, die auch schon mal zugeben, Angst vor einem der Angeklagten, der in der Stadt "bekannt wie ein bunter Hund" sei, zu haben sowie schleppende Ermittlungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Für die SZ (Annette Ramelsberger) ist dagegen an dem Urteil bemerkenswert, dass die Vorsitzende Richterin ausdrücklich die durch die Tat hervorgetretene politische Gesinnung der Täter betont habe. Häufig könnten sich Angeklagte durch Alkoholgenuss oder Schutzbehauptungen über die Identität der Opfer "rausreden".
Die Entscheidung bezeichnet Christian Rath (taz) als "nicht völlig entpolitisiert, eher etwas inkonsequent." Zwar sei es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass wegen gefährlicher Körperverletzung und nicht wegen versuchten Mordes verurteilt worden sei und habe das Gericht auch wenigstens in einem Fall deutlich gemacht, dass der Angriff nicht sinnloser Gewalt, sondern "ausgelebter rechtsextremistischer Gesinnung" entsprungen sei. Dennoch hätte man sich auch deutliche Worte zur "nachlässigen und verharmlosenden Ermittlungsarbeit nach der Tat gewünscht".
Rechtspolitik
Freizügigkeit: Mit den europarechtlichen Konsequenzen der jüngsten, erfolgreichen schweizerischen "Volksinitiative gegen Masseneinwanderung" befasst sich Rechtsprofessorin Astrid Epiney für lto.de. Der in der Schweiz lehrenden Europarechtlerin erscheint die Vereinbarung von Initiative und Personenfreizügigkeitsabkommen auf den ersten Blick "unmöglich", in einem zweiten Schritt entwirft sie jedoch einen denkbaren Lösungsansatz: Die von der Mehrheit angenommene Volksinitiative sieht eine Kontingentierung von Einwanderung im "gesamtwirtschaftlichen Interesse" vor. Auf dieser Grundlage könnten zunächst Höchstzahlen festgelegt und im Anschluss umfangreich modifiziert werden, so dass Unionsbürger in jedem Fall ein Aufenthaltsrecht erhielten.
Wegen der Ankündigung der Schweiz, ihren Arbeitsmarkt nicht wie ursprünglich geplant für das neueste EU-Mitglied Kroatien zu öffnen, hat die EU-Kommission derweil die Verhandlungen über die Beteiligung von Schweizer Studenten an Erasmus-Austauschprogrammen ausgesetzt, schreibt die FAZ (Hendrick Kafsack).
Kinderpornografie: SZ (Daniela Kuhr/Wolfgang Janisch) und Welt (Miriam Hollstein) berichten über eine Ankündigung des von Manuela Schwesig (SPD) geführten Familienministeriums, geltende Bestimmungen zur Kinderpornografie auf etwaige Schutzlücken zu untersuchen. Die in beiden Berichten zu Wort kommenden Strafrechtler würden in diesem Zusammenhang vor einer Rückkehr "zu einem rein moral-gebundenen Strafrecht", so die Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle, warnen.
Leiharbeit: Die Badische Zeitung (Christian Rath) befragt den ehemaligen Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Johannes Peter Francken, zu Reform-Vorschlägen bei der Leiharbeit. Der frühere Richter kommentiert Pläne der großen Koalition für eine zeitliche Begrenzung des Beschäftigungsmodells, erläutert die aktuelle Rechtslage und Rechtsprechung und spricht sich für ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch aus.
Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Die SZ (Susanne Höll) berichtet auf ihrer Titelseite über einen bundesweiten Trend zu einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Nachdem etwa in Berlin die befürchteten Nachteile ausgeblieben wären, wachse der politische Druck auf Länder, die sich bislang noch verweigerten.
Justiz
OLG München – Schufa-Scoring: Vor dem Münchner Oberlandesgericht klagt eine Anwältin derzeit dagegen, dass die Schufa bei der Einschätzung ihrer Bonität ihr Geschlecht berücksichtigt. Über den Fall schreibt das Handelsblatt (S. Metzger/J. Koenen/F. Drost) und berichtet über Pläne der Bundesregierung, die Transparenz beim sogenannten Scoring zu erhöhen. Eine vollständige Offenlegung des der Berechnung zugrunde liegenden Algorithmus sei nach dem jüngsten Bundesgerichtshof-Urteil gleichwohl nicht zu erwarten.
OLG Düsseldorf - Wasserbetrieb: In der kommenden Woche entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf über eine Klage der Berliner Wasserbetriebe gegen eine kartellamtlich verfügte Senkung der Preise. Dies berichtet die FAZ (Jan Hauser) in ihrem Wirtschafts-Teil innerhalb eines Berichts über bundesweiten "Wucher mit dem Wasser". Nach Ansicht des zitierten Präsidenten des Bundeskartellamts werde "so manches Stadtwerk als Cashcow der Kommunen missbraucht".
LG Stuttgart – Daimler: Der Daimler-Konzern hat beim Landgericht Stuttgart eine Unterlassungsklage gegen den SWR eingereicht. Wie die SZ (Max Hägler) in ihrem Medien-Teil berichtet, wolle der Autobauer jede weitere Ausstrahlung des erstmals im vergangenen Mai ausgestrahlten Dokumentar-Films "Hungerlohn am Fließband" verhindern. Im mit versteckter Kamera gedrehten Film wird die im Vergleich zu Festangestellten niedrige Entlohnung von Hilfsarbeitern angeprangert, Daimler bestünde jedoch darauf Fremdarbeiter gesetzeskonform behandelt zu haben.
LG München – BayernLB: Im Strafprozess gegen ehemalige Vorstände der BayernLB wegen der Übernahme der Hypo Alpe Adria vor dem Landgericht München ist das Verfahren gegen Gerhard Gribkowsky eingestellt worden. Nach dessen Verurteilung in der Schmiergeld-Affäre beim Verkauf von Formel-1-Anteilen würde in Anwendung des § 154 der Strafprozessordnung eine mögliche Strafe nach Ansicht des Gerichts nicht mehr ins Gewicht fallen, schreibt die FAZ (Henning Peitsmeier). Die SZ (OK) meldet darüber hinaus, dass die Anwälte von Bernie Ecclestone angekündigt hätten, den für "bayerische Justizverhältnisse ungewöhnlich frühen Freigang" des Bankers zu "hinterfragen". Allgemein werde erwartet, dass Gribkowsky im anstehenden Verfahren gegen Formel-1-Chef umfassend aussagen wird.
LG Bonn – Teldafax: Ab dem heutigen Dienstag müssen sich drei ehemalige Manager des insolventen Stromanbieters Teldafax vor dem Landgericht Bonn unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und gewerbsmäßigem Betrug verantworten. Das Handelsblatt (Jürgen Flauger/Sönke Iwersen) widmet dem Verfahren sein Titelthema und berichtet in diesem Zusammenhang über einen "Coup" der ermittelnden Staatsanwaltschaft. Dieser sei es gelungen, die frühere Marketing-Chefin der Firma als "Zeugin der Anklage" zu gewinnen, nachdem sie einen Strafbefehl wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung akzeptiert habe. In einem Kommentar betont Jürgen Flauger (Handelsblatt), dass auch "einige Behörden" zum letztlich eingetretenen Debakel mit mehreren hunderttausend Geschädigten beigetragen hätten. Trotz deutlicher Hinweise auf eine Insolvenzreife des Unternehmens sei nicht eingegriffen worden, dies offenbare Defizite des "ruinösen Wettbewerbs auf dem Strommarkt", für den die Politik verantwortlich sei.
FG Köln zu Papstspende: Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Köln kann eine Spende an den Papst nicht von der Steuer abgesetzt werden. Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, wurde die streitgegenständliche Bescheinigung über eine Zuwendung von 50.000 Euro vom "Staatssekretär seiner Heiligkeit" unterzeichnet. Damit sei nach Auffassung des Gerichts nicht die katholische Kirche in Deutschland Empfänger.
FG Münster zu Fernsehhonorar: Auch das Preisgeld einer Reality Show ist steuerpflichtig. Das Finanzgericht Münster entschied, dass die Sendung "Die Farm" kein vom Zufall geprägtes Glücksspiel, sondern ein auf Geschicklichkeit und Wissen beruhender Wettkampf sei. Die hierbei erzielten Einkünfte seien Gegenleistung für die Teilnahme an der Show, schreibt die FAZ (Joachim Jahn).
AG München – ADAC: Das Amtsgericht München prüft als Registergericht derzeit auf Antrag den Vereinsstatus des ADAC. Ein ausführlicher Artikel im Unternehmens-Teil der FAZ (Maximilian Weingartner) berichtet aus diesem Anlass über andere große, ebenfalls gewerblich agierende Vereine wie den TÜV oder den FC Bayern München und wagt die Prognose, dass die anstehende Entscheidung des Münchner Gerichts "so oder so" richtungsweisend sei. Eine komplette Aberkennung als Verein sei eher selten, wie die bis zum Bundesverwaltungsgericht verfolgte, letztlich erfolgreiche Auseinandersetzung der Scientology-Kirche belege.
Edathy – StA Hannover: Der ehemalige Bundestags-Abgeordnete Sebastian Edathy (SPD) hat bei der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, eingelegt. Edathys Anwalt Christian Noll warf dem Ermittler vor, die Öffentlichkeit über die Vorwürfe bewusst unrichtig informiert und bei Detailschilderungen "ganz offensichtlich" gelogen zu haben, schreibt die SZ (Hans Leyendecker). Zudem sei angeregt worden, Staatsanwalt Fröhlich vom Verfahren zu entbinden. Den ungewöhnliche Schritt einer Beschwerde bei der Justizministerin erklärte Noll damit, dass der eigentlich zuständige Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig ebenfalls in das Verfahren eingebunden sei. Dass aus dem Verfahren gegen Christian Wulff (CDU) bekannte "Duo Fröhlich und Lütting" habe auch bei seinem Mandanten "jedes Augenmaß vermissen" lassen. FAZ (Robert von Lucius) und Welt (Thorsten Jungholt) berichten ebenfalls. Udo Vetter (lawblog.de) formuliert fünf Sätze, die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Erklärung "hätten gesagt werden dürfen".
Recht in der Welt
Frankreich – Michael Schumacher: Die Ermittlungen zum Ski-Unfall von Michael Schuhmacher in Frankreich sind von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Nach Darstellung von bild.de (Nicola Pohl/Julien Wilkens) hätten sich keinerlei Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Pistenbetreibers ergeben.
USA – Menschenrechtsverletzungen: Stephan Wernicke und Heiko Willems (Handelsblatt), Chefjustiziare des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, erläutern im Recht und Steuern-Teil der Zeitung verschiedene Entscheidungen des Supreme Courts der USA, in denen eine deliktische Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ohne direkten US-Bezug verneint wurde. Die vorgestellten Urteile, unter ihnen ein Verfahren gegen eine Daimler-Tochter wegen mutmaßlicher Verwicklungen in Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur, würden "Rechtssicherheit für ausländische Unternehmen" schaffen und vor "überbordender exterritorialer US-Rechtsprechung" schützen. Deutsche und europäische Unternehmen seien "in verlässlichen Rechtsstaaten zu Hause" und könnten in diesen effektiv zur Verantwortung gezogen werden.
Südafrika – Pistorius: Über die in Südafrika zu erwartende "Gerichts-Show" anlässlich der für den 3. März vorgesehenen Prozesseröffnung gegen Oscar Pistorius schreibt die SZ (Tobias Zick) in ihrem Medien-Teil. Ein Kabel-Anbieter plane die Einrichtung eines eigenen, sich inhaltlich nur mit dem Verfahren beschäftigenden Kanals, dabei sei noch nicht einmal klar, ob eine Übertragung aus dem Gerichtssaal zugelassen werde.
Nordkorea – Menschenrechte: In Nordkorea werden bis zu 120.000 politische Gefangene unter brutalsten Bedingungen in Straflagern festgehalten. Diesen Sachverhalt beschreibt eine UN-Untersuchungskommission und fordert gleichzeitig den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu auf, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag/Niederlande mit Ermittlungen gegen Spitzenfunktionäre des Landes zu beauftragen, schreibt die FAZ (Petra Kolonko, Zusammenfassung).
Südkorea – Hochverrat: In Südkorea ist ein Parlamentsabgeordneter wegen Hochverrat zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Der Politiker soll den Umsturz der Regierung für den Fall eines Krieges mit Nordkorea geplant haben, berichtet die taz (Sven Hansen).
Sonstiges
DDR-Juristinnen: Die taz-Nord (Jakob Epler) berichtet über eine vom Deutschen Juristinnenbund erarbeitete Wanderausstellung "Juristinnen in der DDR". Über die weithin bekannte frühere Justizministerin Hilde Benjamin hinaus habe sich das Rechtssystem durch einen relativ hohen Frauenanteil ausgezeichnet, wird Rechtsprofessorin Rosemarie Will, eine der Veranstalterinnen, zitiert. Damit seien die Betroffenen aber auch "an all dem, was die Justiz zu verantworten hatte, beteiligt".
Gurlitt: Als "PR-Maßnahme" beschreibt die SZ (Catrin Lorch) in ihrem Feuilleton eine vom mutmaßlichen Raubkunst-Besitzer eingerichtete Webseite. Auf gurlitt.info sei unter anderem die Erklärung enthalten, dass es "keine durchsetzbaren juristischen Ansprüche auf Herausgabe der sogenannten Raubkunst" im Besitz des Kunstsammlers gebe, diese seien schließlich verjährt.
Das Letzte zum Schluss
Brennender Blitzer: Erst kürzlich feierte die Radarfalle ihr 55-jähriges Jubiläum in Deutschland. Über eine eher ungewöhnliche Methode, sich dieser Art der Verkehrserziehung zu widersetzen berichtet Rechtsanwalt Hahn (drschmitz.info). Ein geblitzter Autofahrer zündete das Gerät kurzerhand ab. Nachdem er amts- und landgerichtlich wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung, Urkundenunterdrückung, Brandstiftung und Störung öffentlicher Betriebe verurteilt wurde, befand das Oberlandesgericht Braunschweig in der Revision, dass die getroffenen Feststellungen "allein den Straftatbestand der Sachbeschädigung" erfüllen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Februar 2014: Haft für rechtsradikale Schläger – Prozess wegen Teldafax-Pleite – Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Edathy-Ermittler . In: Legal Tribune Online, 18.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11031/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag