Kein Recht auf einen Gesichtsschleier vor Londoner Gericht. Außerdem in der Presseschau: Bizarre Filbinger-Biographie, unzulässige Produktplatzierungen, zu nette Asylheimleiterin gefeuert, Badezimmer-Kartell und ein Drohnenangriff auf Merkel.
Thema des Tages
Kein Recht auf Schleier vor Gericht: Laut einem Bericht von spiegel.de (Carsten Volkery) hat ein Londoner Richter am Montag entschieden, dass eine Angeklagte ihren Gesichtsschleier während ihrer gerichtlichen Vernehmung abnehmen müsse. Die Jury müsse ihr Gesicht sehen können, eine Videoschalte oder Schutzwände seien aber möglich. Die Berufung der Anwältin auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die der Angeklagten ein Recht auf den Schleier vor Gericht gebe, habe der Richter unter Verweis auf Notwendigkeiten in der "demokratischen Gesellschaft" abgelehnt.
Die FAZ (Jochen Buchsteiner) berichtet zur politischen Diskussion um (Voll)Verschleierungen in Großbritannien. So war etwa das Verbot der Verschleierung an einem College nach Protesten einer muslimischen Studentin in die öffentliche Kritik geraten. Wie die FAZ erläutert, dürfen Schulen und Universitäten die Kleiderordnung "in eigener Regie" regeln, es gebe lediglich eine Richtlinie des Bildungsministeriums, die jedoch Einschränkungen des Rechts zuließen, "sich äußerlich zur eigenen Religion zu bekennen".
Rechtspolitik
EU-Beitritt zu EMRK: Anders als sein Kollege Daniel Thym sieht Rechtsprofessor Marten Breuer (Verfassungsblog) im Abkommen für den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention keine Beeinträchtigung des Vorrangs des Unionsrechts; vielmehr stelle es einen "vorsichtig ausbalancierten Kompromiss dar, um die Europäische Union am Konventionstisch zu haben".
"Wahlrecht – eine Übersicht": In einem längeren Beitrag beantwortet lto.de Fragen rund ums (neue) Wahlrecht zu Themen wie Wahlalter, Auslandsdeutsche, Wahlpflicht, Briefwahl oder Wahlcomputern.
Bundesregierung zu NSA: netzpolitik.org (Markus Beckedahl) berichtet aus und zu den - soweit vorhanden - Antworten der Bundesregierung auf einen 104 Fragen umfassenden Katalog der Grünen zum NSA-Überwachungsskandal.
Verfassungsschutz und NSA: Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen an US-Dienste weiterleite, findet Thomas Stadler (internet-law.de) mit Blick ins Bundesverfassungsschutzgesetz erst mal nicht "sensationell", dies sei grundsätzlich rechtlich möglich. Viel spannender sei die Frage, um welche Daten es konkret gehe und ob eine flächendeckende Übermittlung stattfinde – dies würde aber kaum offiziell bestätigt werden.
Bayern – Verfassungsänderungen: Die Förderung des Ehrenamtes und gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in Stadt und Land würden künftig in der bayerischen Verfassung als Staatsziele niedergelegt, so die FAZ (Joachim Jahn). Weiter werde eine Schuldenbremse eingeführt sowie das Gebot, im Rahmen der staatlichen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung zu sichern. In Angelegenheiten der Europäischen Union solle eine Unterrichtungspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag bestimmt werden; würden Kompetenzen des Landtages betroffen, könne die Regierung künftig per Gesetz "in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben" gebunden werden und müsse gegebenenfalls Stellungnahmen des Parlamentes berücksichtigen.
Justiz
BVerfG – NPD verklagt Gauck: Mit Blick auf das Öffentlichkeitsarbeit-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1976 meint Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog) zur Organklage der NPD gegen den Bundespräsidenten: Gauck hätte sich seine "Formulierung mal besser verkniffen".
Wie die SZ knapp meldet, wolle das Bundesverfassungsgericht noch in dieser Woche über den ebenfalls eingereichten Eilantrag der NPD entscheiden, wonach Gauck "bis auf weiteres" untersagt werden solle, NPD-Aktivisten als "Spinner" zu bezeichnen, wie er es bei einer Veranstaltung in einer Berliner Schule getan habe.
Streit am BGH: Den eigentlichen Skandal im Streit am Bundesgerichtshof zur Frage der Arbeitsweise in den Strafsenaten sieht Rechtsanwältin Andrea Groß-Bölting (DeLegibus-Blog) darin, dass die Kritik aus dem fünften Strafsenat sich gegen eine öffentliche Diskussion derselben richte: Warum solle das Bekanntwerden des Ringens um Recht der Reputation schaden? Eine Berufung auf das Vier-Augen-Prinzip mit Blick auf beschränkte Ressourcen wolle sie aber nicht gelten lassen.
EuG zu "Badezimmer-Kartell": Über eine Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union zum sogenannten Badezimmer-Kartell informiert die FAZ (Corinna Budras): Das Gericht habe eine Entscheidung der EU-Kommission, die wegen jahrelanger Preisabsprachen von 17 Unternehmen, darunter die Villeroy & Boch AG, Bußgelder in Höhe von 622 Millionen Euro verhängt hatte, in Teilen für nichtig erklärt und die Geldbußen reduziert. Laut spiegel.de wurde gegen Villeroy & Boch die höchste Strafe unter den deutschen Unternehmen verhängt: Das Unternehmen müsse 71,5 Millionen Euro Bußgeld zahlen.
EuG zur Marke "Knut": In einem Beitrag für lto.de erläutert Rechtsanwältin Julia Dönch die Hintergründe der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom Montag im Markenstreit um "Knut". Das Gericht habe, wie bereits die Beschwerdekammer des europäischen Markenamts, entschieden, die Londoner "KNUT IP Management Ltd." müsse auf den markenrechtlichen Schutz von "KNUT – DER EISBÄR" verzichten. Die "Zoologischer Garten Berlin AG" sei mit der einen Monat älteren Marke "Knud" nun jedenfalls vorläufiger Sieger im Wettstreit um das Eisbärenerbe. Dazu auch spiegel.de.
OLG Frankfurt zu IP-Adressen-Speicherung: Hilft die Speicherung von IP-Adressen der Telekom tatsächlich bei der technischen Fehlersuche und –bekämpfung, muss, so das Oberlandesgericht Frankfurt laut Udo Vetter (lawblog.de), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten und auch eine siebentägige Speicherung hingenommen werden.
OVG Rheinland-Pfalz zu Produktplatzierungen: Die Präsentation von Brauereiprodukten im Rahmen einer Fußballübertragung des Privatsenders Sat.1 sei unzulässig gewesen, entschied laut spiegel.de das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Im Anschluss an das Fußballspiel hätte nicht in das von der Brauerei veranstaltet "Männercamp" geschaltet werden dürfen, wo das Brauerei-Logo wiederholt gezeigt worden sei. Dazu auch lto.de: Laut dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrages hätte auf das sogenannte "Product Placement" hingewiesen werden müssen.
ArbG Potsdam zu gefeuerter Asylheimleiterin: Die taz (Jean-Philipp Baeck) berichtet über einen Rechtsstreit zwischen der Sozialarbeiterin Nina Schmitz, ehemaligen Leiterin eines Flüchtlingsheimes in Luckenwalde, und dem Landkreis Teltow-Fläming, der am Montag mit einem Vergleich endete. Schmitz sei als Leiterin mit der Begründung gekündigt worden, sie habe Abschiebungen offen kritisiert und aus ihrer "Einstellung zu Gunsten der Flüchtlinge keine Hehl" gemacht. Aus formalen Gründen hätte Schmitz zwar wieder eingestellt werden müssen, erläutert die taz, man habe sich dann aber verglichen.
"Wehrhafte Justiz": Anlässlich der Verurteilung der ehemaligen Lehrerin Heidi K. zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Freiheitsentziehung durch das Landgericht Darmstadt befasst sich Amtsrichter Lorenz Leitmeier für lto.de mit der Macht der Zeugen im Strafverfahren und wie der Rechtsstaat auf eine missbrauchte Justiz reagieren kann.
Sonstiges
Filbinger-Biographie: Die Vater-Tochter-Biographie "Kein weißes Blatt" von Susanne Filbinger-Riggert über ihr Verhältnis zu ihrem verstorbenen Vater Hans Filbinger, ehemaliger baden-württembergischer Ministerpräsident und von Rolf Hochhuth als "Hitlers Marinerichter" und "furchtbarer Jurist" bezeichnet, stellt Wulf Reimer (SZ) vor: Ein "bizarres" Buch, dessen Anlass 60 Tagebücher Filbingers gewesen seien. Die erste Auflage des Buches sei nach einer gerichtlichen Verfügung gegen die Wiedergabe wörtlicher Zitate, erwirkt durch zwei Geschwister der Autorin, eingestampft worden.
Turner zu Bildung: In der Handelsblatt-Serie "Die vergessene Mitte" beklagt Rechtsprofessor George Turner, wie im deutschen Bildungswesen die "Mittelschicht durch den Rost zu fallen" droht und die Vernachlässigung "kulturrelevanter Fächer" zu einer "(weiteren) Spaltung der Gesellschaft" beitrage.
Das letzte zum Schluss
Drohnenangriff auf Merkel: Wie das Bundeskriminalamt laut focus.de meint, stelle der Drohnenangriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere "keine Straftat" dar. Ein Mitglied der Piratenpartei hatte eine kleinen ferngesteuerten Quadrokopter bei einem Wahlkampfauftritt der CDU in Dresden fliegen lassen und war zur kurzfristigen Landung angehalten worden – diese fand dann auf dem Podium statt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. September 2013: Kein Schleier vor Gericht – Unzulässiges Product Placement – Drohnenangriff auf Merkel . In: Legal Tribune Online, 17.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9570/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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