Der Euro-Rettungsschirm ESM bestimmt weiterhin die Debatte in den Medien und stößt auf rechtliche Bedenken. Außerdem geht es in der Presseschau zum Wochenbeginn um Mobbing im Internet, Bio-Mineralwasser, den Prozess gegen das Recyclingunternehmen Envio, ein gefälschtes Kunstwerk - und um Missverständliches auf sächsisch und japanisch.
Deutscher Richterbund zu ESM-Immunität: Das Präsidium des Deutschen Richterbundes will bei einem Treffen in dieser Woche rechtsstaatliche Bedenken gegen die strafrechtliche Immunität des Eurorettungsschirms ESM formulieren, so die Montags-SZ (Wolfgang Janisch). Für die Mitarbeiter des ESM bestehe Immunität, die Durchsuchung von Räumen des ESM oder die Beschlagnahme von Unterlagen durch Staatsanwälte ist nicht möglich. Der Richterbund wolle die Europäische Union auffordern, Haftungsregeln zu schaffen, die vor europäischen Gerichten durchsetzbar seien.
Rechtsgrundlage des ESM: Die Montags-taz (Christian Rath) erklärt, warum der ESM, wenn er im Oktober gegründet wird, auf "rechtlich unsicheren Füßen" steht. Zum einen tete die als Rechtsgrundlage gedachte Änderung der EU-Verträge erst zum 1. Januar 2013 in Kraft, zum andern müsse der Europäische Gerichtshof noch klären, ob die Änderung der Verträge rechtmäßig war.
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Internet-Mobbing: Anlässlich der Verleumdungskampagne gegen Bettina Wulff stellt Heribert Prantl (Samstags-SZ) eine Reihe historischer und aktueller Rufmorde dar und fordert einen besseren Persönlichkeits- und Datenschutz im Internet. Enstprechende Empfehlungen könnte der Deutsche Juristentag abgeben, der diese Woche stattfindet.
Vergewaltigung: Nachdem das Landgericht Essen einen Mann vom Vorwurf der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens freigesprochen hat, weil es sich nicht ausreichend gewehrt habe, fordert Thomas Stadler (internet-law.de), den Tatbestand der Vergewaltigung umgehend nachzubessern, um die sexuelle Selbstbestimmung umfassend zu schützen. "Das eingeschüchterte und verängstigte Opfer darf nicht schlechter gestellt werden als jemand, der sich aktiv wehrt."
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Diskussion um ESM-Entscheidung: Die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Beteiligung am ESM wird weiterh diskutiert. Welche "Fallstricke" die Entscheidung berge, schildert die FAS (Christiane Hoffmann/Eckart Lohse). Möglicherweise müsse die Bundesregierung die Europäische Zentralbank vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen, falls diese sich nicht an ihre Ankündigungen halte, allein aus geldpolitischer Motivation Staatsanleihen zu kaufen und dadurch nur solche Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die den Sparvorgaben des ESM-Rettungsschirms folgen. Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof sieht in einem Gastbeitrag für die FAS in der gegenwärtigen "Rechtsvergessenheit" eine Ursache für die Schuldenkrise, in der Besinnung auf das Recht aber auch ein Gegenmittel. In der Reihe "Gesichter der Krise" porträtiert die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) den für das Europarecht zuständigen Verfassungsrichter Peter Michael Huber. Er schildert den "Ausnahmezustand" in seinem Dezernat angesichts der zahlreichen europarechtlichen Entscheidungen.
EuGH/BGH – Kabelweitersendung: Der Bundegerichtshof hat mit einem Beschluss vom August dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Erlaubnis- und Vergütungspflicht für Kabelnetzbetreiber europarechtskonform ist. Die möglichen Folgen der Entscheidung für Fernsehsender, Verwertungsgesellschaften und Zuschauer erläutert der Rechtsanwalt Sören Rößner auf lto.de.
BGH zu Bio-Mineralwasser: Die Brauerei Neumarkter Lammsbräu darf weiterhin Mineralwasser mit der Bezeichnung "Bio" vermarkten. Der Bundegerichtshof hat eine dagegen gerichtete Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zurückgewiesen. Verbraucher würden damit nicht in die Irre geführt. Das meldet die Samstags-SZ.
BAG zu Kündigung eines NPD-Mitglieds: Die Rechtsanwältin Cornelia Schmid erläutert auf dem Handelsblatt Rechtsboard ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach einem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wegen seiner NPD-Mitgliedschaft gekündigt werden darf.
LG Dortmund – Envio-Prozess: Von dem Prozess vor dem Dortmunder Langericht gegen vier ehemalige Manager des Recyclingunternehmens Envio, berichtet spiegel.de (Jörg Diehl/Nicola Kuhrt). In dem Fall geht es um einen Giftmüllskandal, zahlreiche Arbeiter sollen mit hochgiftigen Stoffen in Konktakt gekommen sein. Das Verfahren zieht sich in die Länge und soll möglicherweise ausgesetzt werden, weil zunächst ein neuer Gutachter gefunden werden muss.
Landgericht Köln – Gefälschtes Kunstwerk: Der maltesische Trasteco Limited Trust verlangt von dem Auktionshaus Lempertz 2,88 Millionen Euro Kaufpreis für ein ersteigertes Kunstwerk zurück, das dem Expressionisten Heinrich Campendonk zugeschrieben wurde, jedoch von dem Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi stammt. zeit.de (Stefan Koldehoff) berichtet von dem Prozess vor dem Landgericht Köln, in dem sich der Richter bereits dahingehend geäußert habe, dass das Auktionshaus möglicherweise die "erforderliche Sorgfalt verfehlt" habe. Das Urteil soll am 28. September verkündet werden.
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EGMR zu Terrorlisten: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 30.000 Euro verurteilt, weil Schweizer Behörden drei Jahre lang die Ausreise eines Mannes aus einer italienischen Enklave verhinderten. Der Italiener stand auf einer Terrorliste des UN-Sicherheitsrates, obwohl Ermittlungen gegen ihn bereits eingestellt worden waren. Die Hintergründe des Falles erläutert der Rechtswissenschaftler Matthias Lippold für lto.de.
Blair und Bush sollen vor IStGH: Auf zeit.de ist der Kommentar Ulrich Ladurners nachzulesen, der sich mit der Forderung des südafrikanischen Bischofs Desmond Tutu auseinandersetzt, Tony Blair und George W. Bush wegen des Irakkrieges vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen.
USA – Prozess gegen Siemens: Ein argentinischer ehemaliger Regierungsmitarbeiter klagt vor dem Florida Southern District Court in den USA gegen den Technologiekonzern Siemens. Er fordert 100 Millionen Dollar Schmerzensgeld, weil er von Schlägertrupps gehetzt worden sei und Morddrohungen erhalten habe, nachdem er Korruption bei Siemens angeprangert hatte. Die Hintergründe des Falles schildert ausführlich spiegel.de (Stefan Schultz).
England – Prozess gegen Ex-UBS-Banker: Von dem Prozess gegen einen ehemaligen Finanzmarkthändler der Schweizer Großbank UBS berichtet spiegel.de (Carsten Volkery). Kweku Adoboli muss sich vor dem englischen Southwark Crown Court wegen Betrugs und Buchfälschung verantworten. Er soll 2,3 Milliarden Dollar "verspielt" haben.
Sonstiges
Forensik: Der Spiegel spricht mit dem Gerichtspsychiater Hans-Ludwig Kröber, der in einem Buch Fälle aus seinem Berufsleben schildert.
Das Letzte zum Schluss
Falsch verstanden I: Eine Sächsin, die einen Flug nach Porto buchen wollte, muss nun ein Ticket nach Bordeaux bezahlen. Die Mitarbeiterin des Reiseveranstalters L'Tur hatte die Frau aufgrund ihres Dialekts falsch verstanden. Die "undeutlich gesprochene Erklärung" gehe allerdings zu Lasten der Kundin, entschied das Amtsgericht Stuttgart. Das berichtet Die Welt.
Falsch verstanden II: Eine Sushi-Bar im kanadischen Montréal muss ihren Namen ändern. Auch wenn "Fukyu" eine japanische Kampfsportart bezeichne, sei es nachvollziehbar, dass sich der Vermieter und Ladenbesitzer aus der Umgebung gestört fühlten, entschied ein Gericht. Das meldet die FR.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. September 2012: Juristen kritisieren ESM – Envio vor Gericht – BGH erlaubt Bio-Mineralwasser . In: Legal Tribune Online, 17.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7093/ (abgerufen am: 01.07.2024 )
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