Ein Knopf ist ein Knopf und jedenfalls keine Marke, urteilt das EuG. Außerdem in der Presseschau: Rechte der Opposition im Bundestag, Gesetz für Karenzzeit, EGMR zur Meinungsfreiheit, Anklage gegen Ecclestone, einstweilige Verfügung gegen Prokon beantragt, keine Amnestie für Snowden und ein verunglückter Kamelreiter.
Thema des Tages
EuG zu Markenschutz: Seit vielen Jahrzehnten kennzeichnet ein im Ohr befindlicher Knopf mit daran befestigtem Fähnchen die Plüschtiere eines deutschen Herstellers. Einen europaweiten Markenschutz genießt diese Eigenheit gemäß einer Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union jedoch nicht. Wie FAZ (Corinna Budras) und Welt (Michael Gassmann) berichten, fehle es dem Detail an Unterscheidungskraft für Verbraucher. Zur Eintragungsfähigkeit einer Marke müsse diese sich von der handelsüblichen Grundform abheben, was bei den in Frage stehenden Knöpfen gerade nicht der Fall sei, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch) in ihrem Wirtschafts-Teil über diese "an manchen Stellen wenig überzeugend" begründete Entscheidung und erläutert Einzelheiten zum deutschen und europäischen Markenschutz.
In ihrem Kommentar macht Corinna Budras (FAZ) auf die möglichen Konsequenzen für die Hersteller weniger bekannter Produkte aufmerksam und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Europäische Gerichtshof schnell Gelegenheit bekommt, "diese Rechtsprechung zu korrigieren."
Rechtspolitik
Oppositionsrechte: SZ (Robert Roßmann) und FAZ (Günter Bannas) berichten über einen Vorschlag des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zur Stärkung der Rechte der Oppositionsparteien. Mittels eines einfachen Bundestagsbeschlusses solle es "unter den politischen Bedingungen der Bildung einer Großen Koalition in der 18. Wahlperiode", so der vorgestellte Entwurf, bei Minderheitenrechten, die bislang ein Quorum von 25 Prozent der Abgeordneten erforderten, künftig ausreichen, das Mitglieder der Nichtregierungs-Fraktionen diese einforderten. Eine Änderung der grundgesetzlich geregelten Voraussetzungen einer Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht sei nicht vorgesehen.
Bürger und Staat: Die "digitalen Revolution und ihre Verwerfungen" kommentiert Reinhard Müller (FAZ). Zwar hätten Kunden, "als Nutzer oder Bürger" die Verwertung ihrer Daten oft selbst in der Hand, der Staat allerdings trage die Pflicht zum Schutz der Rechte seiner Bürger, womit in der digitalen Sphäre vor allem Persönlichkeitsrechte gemeint seien. Er komme dieser Verpflichtung nicht nach, wenn er "von Richtern in Karlsruhe und Luxemburg Staatsleitung erbettelt", anstatt etwa bei der Vorratsdatenspeicherung eine "im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des europäischen Rechts" befindliche Lösung zu finden. "Leider hat sich das Warten auf Gerichtsentscheidungen offenbar zu einer neuen Form des Regierens entwickelt."
Freiheit: Die "Ruckrede" des Bundespräsidenten Joachim Gauck, in der er freien Markt und freien Wettbewerb als die Eckpfeiler einer freien, demokratischen Gesellschaft bezeichnete, kommentiert Heribert Prantl (SZ) als einen "Ruck zurück nach vorgestern." Die Erfahrungen mit den wirtschaftlichen Turbulenzen der letzten Jahre hätten bewiesen, dass Freiheit "nicht per se gut" sei. "Ein Staat, der die Gerechtigkeit an den Markt delegieren würde, wäre nicht mehr der Staat des Grundgesetzes."
Freizügigkeit: In einem Kommentar widerspricht Daniel Brössler (SZ) der Vorstellung, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Unionsbürger habe etwas mit Großzügigkeit zu tun. Zusammen mit der "Bewegungsfreiheit" für Waren, Dienstleistungen und Kapital bilde sie vielmehr das "Fundament der EU." Der gerade in Wahlkampfzeiten zu beobachtende Versuch, "in der EU und in den Köpfen Grenzen" zu errichten, die sinnlos geworden seien, orientiere sich an einem "Nationalstaat, den es nicht mehr gibt."
Freihandel: In einem Interview mit der SZ (Cerstin Gammelin) spricht EU-Handelskommissar Karel de Gucht über die Verhandlungen zum europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen. Der Belgier gibt Auskunft zum Einfluss unterschiedlicher Datenschutz-Vorstellungen dies- und jenseits des Atlantiks, den Bedenken von Verbraucherschützern und den umstrittenen Investitionsschutzklauseln.
Staatsbürgerschaft: Von Beispielen für die unterschiedliche Praxis von EU-Mitgliedsstaaten, Aufenthaltsgenehmigungen oder auch Staatsbürgerschaften praktisch zu verkaufen, berichtet das Handelsblatt (M.Brüggmann/G. Höhler/T. Ludwig/H. Steuer). So könne maltesischer Staatsbürger werden, wer fünf Jahre lang Aktien im Wert von 150.000 Euro halte. Das EU-Parlament habe daher die Kommission aufgefordert, zu prüfen, ob diese Praxis gegen europäische Verträge verstoße, eine Sanktion sei aber fraglich, weil das Staatsbürgerschaftsrecht der alleinigen Kompetenz der Mitgliedsstaaten unterliege.
Karenzzeit: In der Debatte um Karenzzeiten für den beruflichen Wechsel von einem Regierungsamt in die Wirtschaft beabsichtigt die große Koalition nun offensichtlich doch eine gesetzliche Regelung. Die FAZ (Günter Bannas) schreibt, dass Juristen der Koalitionsparteien zu dem Schluss gekommen seien, dass Ausnahmen von der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Berufswahl nur durch Gesetz geregelt werden könnten.
Justiz
EGMR zu Meinungsfreiheit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2004, mit der einem Tierrechtsverein die Verbreitung undercover angefertigter Filmaufnahmen von Tierversuchen untersagt wurde, bestätigt. Das Oberlandesgericht hatte sein Urteil im wesentlichen darauf gestützt, dass der Verein "die Regeln des geistigen Meinungskampfes nicht gewährleistet" schreibt Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) in seiner Kolumne und schlussfolgert, dass "Gerichte der Meinungsfreiheit militanter Aktivisten bisweilen ein geringeres Gewicht zumessen als der von netten, höflichen Normalos."
BVerwG zu AKW Biblis: Mit dem jüngst bekannt gegebenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zur vorübergehenden Abschaltung des AKW Biblis beschäftigt sich Rechtsprofessor Felix Ekardt für lto.de. Die bislang bekannten Entscheidungsründe hält der Energierechtler für wenig überzeugend und meint, dass wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes etwaige Schadensersatzansprüche aus dem Atommoratorium nur dem Biblis-Betreiber RWE und nicht auch anderen deutschen Atomkonzernen zustünden. Der Atomausstieg als solcher bliebe insbesondere hinsichtlich der grundrechtlichen Eigentumsgarantie verfassungskonform.
OLG München – NSU-Prozess: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München wurde am gestrigen Donnerstag der Polizist Martin A. vernommen. Der Überlebende des Anschlags auf ihn und seine getötete Kollegin Michele Kiesewetter kann sich nach wie vor an keinerlei Einzelheiten des Tathergangs erinnern. Unter anderem die FAZ (Karin Truscheit), spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und zeit.de (Tom Sundermann) berichten.
Richter Heindl: Die SZ (Annette Ramelsberger) stellt Rupert Heindl, Richter am Landgericht München II, als einen strengen, Deals abgeneigten Juristen vor. Heindl wird ab dem 10. März das Strafverfahren gegen Uli Hoeneß leiten.
LG München – Ecclestone: Das Landgericht München hat eine Anklage gegen den Formel 1-Chef Bernie Ecclestone wegen Bestechung zugelassen, die Verhandlung soll Ende April beginnen. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Anteilen der Rennserie aus dem Bestand der BayernLB. In ihren Berichten beschreiben SZ (Rene Hofmann/Klaus Ott, Online-Version) und FAZ (Henning Peitsmeier) vor allem die ungebrochene Macht Ecclestones im Rennzirkus. Zu viele Geschäftspartner seien von ihm abhängig, als dass sie seinen Rücktritt verlangten. In einem weiteren Beitrag der SZ (Klaus Ott, Online-Version) wird auf das in London angestrengte Schadensersatz-Verfahren der BayernLB gegen Ecclestone verwiesen. Dem Manager könnte daran gelegen sein, sich möglichst schnell mit der Bank zu vergleichen, um seine Verhandlungsposition gegenüber dem Münchner Gericht zu verbessern. Das bei der Münchner Staatsanwaltschaft eine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Deal bestehe, hätten andere Schmiergeld-Verfahren bewiesen.
LG Itzehoe – Prokon: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat beim Landgericht Itzehoe eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der dem Energieunternehmen Prokon untersagt werden soll, Anleger durch Anschreiben von einer Kündigung ihrer Einlage abzuhalten. Nach Ansicht der Antragsteller werde durch Aufmachung und Gestaltung der Schreiben in unzulässiger Weise Druck ausgeübt, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
VG Karlsruhe zu Polizeireform: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit einer einstweiligen Anordnung dem Antrag eines unterlegenen Bewerbers für eine Polizeipräsidentenstelle in Baden-Württemberg entsprochen und damit die von Innenminister Reinhold Gall (SPD) initiierte Polizeireform in Frage gestellt. Wie die SZ (Roman Deininger) schreibt, müssten nun alle zwölf der erst zum 1. Januar neuernannten Polizeipräsidenten ihre Stellen räumen. Die Besetzungen beruhten nach Ansicht des Gerichts auf einem "fehlenden Leistungsvergleich" und seien daher rechtswidrig.
AG Hamburg zu Filesharing: Thomas Stadler (internet-law.de) macht auf eine Entscheidung aus der "Palette uneinheitlicher Rechtsprechung zum Thema Filesharing" aufmerksam. Nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg reicht es für eine Erfüllung der sekundären Darlegungslast nicht aus, sich darauf zu berufen, dass eine im Haushalt lebende Lebensgefährtin den Netzanschluss ebenfalls benutzt.
Recht in der Welt
EGMR zu Meinungsfreiheit: In einem Urteil vom Dezember befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Schweiz das Recht eines türkischen Nationalisten auf freie Meinungsäußerung verletzt hat, indem sie ihn zu einer Geldstrafe wegen Rassendiskriminierung verurteilte. Der Mann habe behauptet, die Ereignisse in der Türkei 1915 bis 1917 seien kein Genozid und Bemühungen von Armeniern zur Anerkennung als ein solcher seien eine Hetzkampagne, schreibt Matthias Uffer (juwiss.de) in einer Kritik der Entscheidung.
Sondertribunal al-Hariri: Über die Eröffnung des Verfahrens gegen mehrere Hisbollah-Mitglieder wegen der mutmaßlich von ihnen koordinierten Ermordung des libanesischen Premiers Rafik al-Hariri im Jahr 2005 vor dem Sondertribunal für den Libanon in Den Haag/Niederlande schreibt die taz (Raphael Thelen) und erläutert dabei auch die Hintergründe der nach wie vor unsicheren Lage im Libanon.
Griechenland – Siemens: Über Schmiergeldzahlungen des Siemens-Konzerns in Griechenland schreibt die SZ (Klaus Ott/Tasos Telloglou) in ihrem Bericht über die Vernehmung des langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, Heinrich von Pierer. Nachdem der Manager glaubhaft habe versichern können, von den Zahlungen nichts gewusst zu haben, hätte die griechische Justiz nun "nichts gegen ihn in der Hand."
USA – Edward Snowden: Zur US-amerikanischen Debatte über den strafrechtlichen Umgang mit dem Whistleblower Edward Snowden schreibt die SZ (Reymer Klüver). Während sich Stimmen mehren, die eine Amnestie für Snnowden forderten, zeige sich das Weiße Haus bislang unnachgiebig.
Nigeria – Homosexualität: Über die Verfolgung Homosexueller in Nigeria schreibt die taz (Katrin Gänsler). Erst kürzlich ist im bevölkerungsreichsten afrikanischen Land ein neues Gesetz verabschiedet worden, dass die Strafen für gleichgeschlechtliche Liebe erheblich verschärft hat.
Sonstiges
Guillotine: Im Depot des Bayerischen Nationalmuseums hat ein Kunsthistoriker kürzlich eine Guillotine entdeckt, mit der höchstwahrscheinlich die Geschwister Scholl und andere Mitglieder der "Weißen Rose" enthauptet wurden. Die SZ (Wolfgang Görl) berichtet in einer Seite Drei-Reportage über das Schicksal des transportablen Mordwerkzeugs, den damals reichsweit tätigen Scharfrichter und aktuelle Fragen zu einer musealen Nutzung des Geräts.
Wolfgang Beltracchi: Auch SZ (Renate Meinhof) und FAZ (Niklas Maak) schreiben nun, jeweils im Feuilleton, über das vom Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und seiner Ehefrau Helene verfasste Buch "Selbstporträt."
Fritz Bauer: Die taz (Alexandra Senfft) bespricht Ronen Steinkes "einfühlsames" Porträt "Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht."
Rechtsschutzversicherung: Die Welt (Anne Kunz) berichtet über die Vor- und Nachteile einer Rechtsschutzversicherung aus Verbraucherperspektive.
Das Letzte zum Schluss
Reisemangel Kamel: Nicht nur die Kanzlerin ist Leidtragende eines sicherlich schmerzhaften Beckenbruchs: Einen deutschen Urlauber ereilte das gleiche Schicksal, als er beim Versuch, ein Kamel zu besteigen, zu Fall kam. Wie Gerfried Braune (ra-braune.de) berichtet, bekam er vom Oberlandesgericht Koblenz dafür jetzt wenigstens ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro zugesprochen. Weil der Anbieter einer Pauschaltour in einer Reisebeschreibung einen "Kamelritt bei den Beduinen" angeboten habe, sei er dafür verantwortlich, diesen in geeigneter Art und Weise zur Verfügung zu stellen und müsse für ein Verschulden örtlicher Erfüllungsgehilfen haften.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Januar 2014: Kein Markenschutz für Knopf – Karenzzeit nach Gesetz – Anklage gegen Ecclestone . In: Legal Tribune Online, 17.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10702/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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