Vattenfall ist mutig: Für die Abschaltung zweier maroder Atomkraftwerke verlangt das schwedische Unternehmen vor einem Schiedsgericht fast fünf Milliarden Euro Entschädigung. Außerdem in der Presseschau: das BVerwG schont Kampfhundbesitzer, der BGH schützt verletzte Unfallverursacher, Mithäftlinge beneiden Uli Hoeneß - und welches Drama der Kinofilm "Der Richter" schildert.
Thema des Tages
ICSID - Atomausstieg: Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verlangt von Deutschland 4,7 Milliarden Euro Entschädigung für den Atomausstieg. Diese bisher von allen Beteiligten geheim gehaltene Summe wurde jetzt im Wirtschaftsausschuss des Bundestags bekannt. Vattenfall hat die Klage vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington angestrengt und beruft sich dabei auf die Energiecharta, einen völkerrechtlichen Vertrag, der Investitionen von ausländischen Energieunternehmen schützt. Konkret geht es um das seit 2007 stillstehende AKW Brunsbüttel und um das ebenfalls oft abgeschaltete AKW Krümmel. Über den Vorgang berichten die SZ (Markus Balser/Michael Bauchmüller) und die FAZ (Andreas Mihm).
Rechtspolitik
Streikrecht: Joachim Jahn (FAZ) unterstützt im Wirtschafts-Leitartikel die Forderung einer Wissenschaftler-Gruppe nach Einschränkungen des Streikrechts in Unternehmen der Daseinsfürsorge. Wichtigster Punkt ist die Einführung einer Zwangsschlichtung. Nur wenn diese scheitert, sollen Streiks unter bestimmten Bedingungen zulässig sein. Die von der Bundesregierung geplante Rückkehr zur Tarifeinheit lehnt Jahn ab. Wettbewerb sei auch unter Gewerkschaften sinnvoll.
Europäische Staatsanwaltschaft: Die FAZ (Helene Bubrowski) befasst sich mit dem Entwurf der EU-Kommission zur Einführung einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Diese solle "Taten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union bekämpfen". Hauptkritikpunkt ist die Rechtszersplitterung. Es gelte jeweils das nationale Verfahrensrecht, auch die Beschuldigtenrechte bestimmten sich im wesentlichen nach nationalem Recht. Rechtsschutz gebe es vor nationalen Gerichten und nicht vor dem Europäischen Gerichtshof. Probleme könne dies vor allem dann bereiten, wenn Ermittlungen mehrere Länder betreffen. Anlass des Berichts waren Diskussionen auf dem EU-Strafrechtstag in Bonn.
Justiz
BVerwG zu Kampfhundesteuer: Wenn die Hundesteuer für Kampfhunde deutlich über 1.000 Euro pro Jahr liegt, ist dies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts unverhältnismäßig hoch. Die Erhebung der Hundesteuer dürfe nicht einem Verbot gleichkommen, erläutern die SZ (Wolfgang Janisch) und die FR (Ursula Knapp) das Urteil. Maßstab sei der Unterhaltsbedarf eines Hundes. Beanstandet wurde die Steuerregelung im bayerischen Kurort Bad Kohlgrub, der 2.000 Euro pro Jahr verlangte.
BSG zu studentischer Krankenversicherung: Die kostengünstigere Krankenversicherung für Studenten steht in der Regel nur bis zum 30. Lebensjahr zur Verfügung. Bei Vorliegen "bedeutender Gründe" kann die Frist bis zum 37. Lebensjahr verlängert werden. Über ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichts berichten spiegel.de und lto.de.
BGH zu Fahrerflucht: Wer den Unfallort wegen einer blutenden Wunde am Finger verlässt und die Polizei erst nach einer Behandlung im Krankenhaus verständigt, kann nicht wegen Fahrerflucht verurteilt werden. Dies entschied laut lto.de der Bundesgerichtshof in einem jetzt veröffentlichten Urteil.
BFH zu Werbungskosten: Der Bundesfinanzhof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Begrenzung der Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen auf die Pauschale von 801 Euro. Die zugleich im Jahr 2009 eingeführte Abgeltungssteuer von nur 25 Prozent berücksichtige auch über die Pauschale hinausgehende Ausgaben, so lto.de.
OLG München - NSU: Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München wurden alte strafrechtliche Verurteilungen von Uwe Böhnhardt verlesen, die spiegel.de (Gisela Friedrichsen) referiert. Der eigentlich vorgesehene Zeuge Jan W. (Ex- Führungsfigur bei Blood & Honour) hätte zu einer möglichen Waffenbeschaffung für das NSU-Trio befragt werden sollen, konnte sich jedoch auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen, da gegen ihn ermittelt wird. Seine Bedeutung beleuchtet zeit.de (Tom Sundermann).
VG Köln - US-Drohnenangriffe im Jemen: Drei Jemeniten haben beim Verwaltungsgericht Köln eine Unterlassungsklage gegen das deutsche Verteidigungsministerium eingereicht. Das Ministerium soll dafür sorgen, dass sich Einrichtungen der US-Airbase nicht mehr an gezielten Tötungen im Jemen beteiligen. Die Klage wird von den internationalen Menschenrechtsorganisationen Reprieve und ECCHR unterstützt, berichten die SZ (John Goetz/Hans Leyendecker) und tagesschau.de (Demian von Osten/Jürgen Kreller).
AG Dresden - Anti-Nazi-Protest: Am heutigen Donnerstag beginnt am Amtsgericht Dresden der Prozess gegen Markus Tervooren, den Berliner Geschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BDA). Am 19. Februar 2011 soll er als Rädelsführer in Dresden Landfriedensbruch begangen haben, als eine Nazi-Demonstration mit Straßenblockaden und Tumulten verhindert wurde. Tervooren sagt, er habe nur an einer Gegendemonstration teilgenommen. Die Berliner Zeitung (Bernhard Honnigfort) und die taz (Martin Kaul) erläutern die Bedeutung des Prozesses im Kontext ähnlicher Verfahren.
LG Köln - Kohl gegen Schwan: Das Landgericht Köln wird am 30. Oktober über den Eilantrag von Altkanzler Helmut Kohl gegen das Buch seines ehemaligen Ghostwriters Heribert Schwan verhandeln, meldet lto.de. Im zweiten Anlauf wendet sich Kohl jetzt nicht mehr gegen das Erscheinen des Buches, sondern konkrete Zitate.
Recht in der Welt
Österreich - Hypo Alpe Adria: Die Bayerische Landesbank legt beim österreichischen Verfassungsgerichtshof Klage wegen Enteignung ein, berichtet das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar). Konkret geht es gegen das Hypo-Sondergesetz, das vorsieht, dass die (inzwischen wieder österreichische) Bank Hypo Alpe Adria bestimmte Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen muss. Betroffen ist auch eine Eigenkapitalhilfe der zwischenzeitlichen Eigentümerin BayernLB in Höhe von 800 Millionen Euro.
Sonstiges
Pistorius und der Irrtum: Der emeritierte Strafrechtsprofessor Klaus Lüderssen betrachtet in der FAZ den Fall Pistorius aus der Sicht des deutschen Strafrechts und stellt fest, dass hier zwei klassische Irrtumskonstellationen gleichsam miteinander verschraubt seien: "Ein spezieller Irrtum über den Kausalverlauf: Ich treffe jemanden, der unversehens in die Schusslinie läuft – aberratio ictus. Und ein Irrtum über das Deliktsopfer: Ich treffe jemanden, den ich für einen anderen halte – error in persona."
Hoeneß und die Gleichheit: stern.de präsentiert die Kritik eines Mithäftlings von Uli Hoeneß, der behauptet, Hoeneß werde in der Vollzugsanstalt Landsberg vielfach bevorzugt, unter anderem bei Besuchen.
Das Letzte zum Schluss
"Der Richter": Der neue amerikanische Kinofilm "Der Richter" schildert die Rückkehr eines erfolgreichen Anwalts zur Beerdigung seiner Mutter, wo er auf seinen Vater, einen Richter, trifft, der ihn aber noch immer schlecht behandelt. Als der Vater wegen eines Verkehrsunfalls vor Gericht landet, verteidigt ihn der Sohn, um ihm seine Qualitäten zu beweisen. Ein Motto des Anwalts lautet laut SZ (Susan Vahabzadeh): "Unschuldige können sich mich nicht leisten."
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Oktober 2014: Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro – BVerwG deckelt Kampfhundsteuer – Hoeneß und die Gleichheit im Gefängnis . In: Legal Tribune Online, 16.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13496/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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