An diesem Montag beginnt der erste Prozess gegen ein deutsches IS-Mitglied. Offen ist wohl nur noch das Strafmaß. Außerdem in der heutigen Presseschau: Sollen Erwachsene ihr amtliches Geschlecht frei wählen können?, ein Krankenpfleger soll Patienten aus Profilierungssucht getötet haben, Palästina kann nun doch dem IStGH beitreten - und warum man im Gericht keine Fahrräder stehlen sollte.
Thema des Tages
Mit Recht gegen Islamisten: Am Oberlandesgericht Frankfurt/Main beginnt an diesem Montag der Prozess gegen den 20-jährigen Kreshnik B., der sich ein halbes Jahr in Syrien bei der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) aufgehalten hat. Er ist u.a. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung angeklagt. Der Spiegel (Jörg Diehl u.a. - spiegel.de-Teilzusammenfassung) und die WamS (Florian Flade) verbinden ihre Vorberichte mit Überblicken zur Belastung der Justiz durch derartige Prozesse und über die rechtspolitische Debatte zu Gesetzesverschärfungen im Kampf gegen Islamisten.
Am Freitag hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Grundlage des Vereinsgesetzes ein Betätigungsverbot für den IS in Deutschland ausgesprochen. Rechtsgrundlagen und -folgen erklärt die Samstags-Badische Zeitung (Christian Rath). Justizminister Heiko Maas (SPD) begrüßt diesen Schritt, fordert zugleich aber "Wiedereingliederungshilfen für geläuterte Rückkehrer", so die Montags-Leipziger Volkszeitung (Dieter Wonka).
Rechtspolitik
WLAN-Haftung: Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, Rechtssicherheit für die Betreiber offener WLAN-Angebote zu schaffen. Derzeit müssen sie noch mit Schadensersatzforderungen rechnen, wenn Nutzer dort zum Beispiel illegal Musikdateien tauschen. Die FAS (Corinna Budras) beschreibt, dass Deutschland mit diesen Haftungsrisiken weltweit allein da stehe.
Managerhaftung: Beim Deutschen Juristentag, der am Dienstag beginnt, wird u.a. über die Haftung von Managern für Fehlverhalten diskutiert. Joachim Jahn (Montags-FAZ) beschreibt im Wirtschafts-Leitartikel den Rahmen und plädiert dafür, dass Gerichte wieder mehr die Risikogeneigtheit unternehmerischer Entscheidungen berücksichtigen sollen. Schadensersatzansprüche für einzelne Aktionäre lehnt er ab.
Herkunftskultur und Recht: Ebenfalls beim Juristentag wird über die Frage diskutiert, wieviel Rücksicht Gesetzgeber und Richter auf kulturelle oder religiöse Prägungen nehmen müssen. Die FR gibt einen Überblick über die strittigen Fragen: vom islamischen Kopftuch über Beschneidung, Ehrenmorde bis zur Paralleljustiz in Migrantenmilieus.
Drogenstrafrecht: Im Interview mit der Samstags-taz (Benjamin Moldenhauer) erläutert der emeritierte Rechtsprofessor Lorenz Böllinger den Stand der Initiative zur Überprüfung des Drogenstrafrechts. Im Gesundheitsausschuss des Bundestags zeichne sich die Möglichkeit ab, dass tatsächlich eine Expertenkomission einberufen werde. Seine eigene Position beschreibt Böllinger so: "Die Strafe richtet größeren Schaden an als der Konsum, der bestraft wird".
CETA-Investorenschutz: Die Sozialdemokraten im Europaparlament haben sich darauf festgelegt, dass sie dem CETA-Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nur zustimmen, wenn auf Investorenschutz-Regeln verzichtet wird, berichtet die Samstags-taz (Ulrike Hermann). Es gebe auch genügend Zeit für Nachverhandlungen, weil der Vertragstext in den kommenden acht Monaten noch übersetzt und sprachjuristisch geprüft werde.
Streikrecht und Spartengewerkschaften: In einem Gastbeitrag für die Samstags-FAZ greift Wolfgang Franz, Ex-Vorsitzender des Wirtschafts-Sachverständigenrats, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Streikrecht an. Erst die niedrigen Anforderungen an Warn- und Sympathiestreiks hätten zu einem "Ausufern der Spartenstreiks" geführt. Der Gesetzgeber solle dagegen dem "Ultima Ratio"–Prinzip im Streikrecht wieder volle Geltung verschaffen und seine Angst vor einer Kodifizierung des Streikrechts aufgeben.
Reform der Grundsteuer: Es wird damit gerechnet, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Herbst die Grundsteuer, die noch auf der Grundlage jahrzehntealter Einheitswerte erhoben wird, für verfassungswidrig erklärt. Deshalb bereiten die Finanzminister der Länder schon jetzt eine Reform vor, deren Einzelheiten die Montags-FAZ (Manfred Schäfers) schildert. Es laufe auf ein Mischmodell hinaus, bei dem der Wert des Grundstücks und die Fläche für die Aufbauten in die Berechnung eingehen.
Freie Geschlechtswahl: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) überlegt anlässlich von Regeln in Dänemark und Argentinien, ob es Erwachsenen erlaubt werden soll, ihr amtliches Geschlecht frei zu wählen, oder ob dies an die Feststellung von Sachverständigen geknüpft werden sollte. Steinbeis plädiert für ersteres, da die Zuordnung zu einem Geschlecht heute kaum noch eine rechtliche Rolle spiele und nur noch einem alten "Sortierreflex" diene.
Justiz
LG Oldenburg - Mord durch Pfleger: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schildert ein Verfahren am Landgericht Oldenburg. Dort ist ein Krankenpfleger wegen dreier Morde und zweier Mordversuche angeklagt. Er soll Patienten Überdosen eines Herz-Medikaments verabreicht haben, um Notfälle zu provozieren, bei denen er sich dann als begabter Retter profilieren konnte.
LG Würzburg - Autobahnschütze: Die Montags-SZ (Hans Holzhaider) schildert auf Seite 3 ausführlich die Taten und das Leben des LKW-Fahrers, der rund 700 Mal auf deutschen Autobahnen auf Fahrzeuge geschossen hat. In fünf Fällen habe er dabei Personen gefährdet, was in der Anklage vor dem Landgericht Würzburg als versuchter Mord gewertet wird. Der Angeklagte zeige sich aber wenig einsichtig und verweise auf seine hervorragenden Schießkünste - er habe darauf vertraut keine Personen zu verletzten.
AG München zu Fußball-Dauerkarten: Der FC Bayern München hat Jahreskarten-Abos gekündigt, wenn die Inhaber zu selten im Stadion waren. Die Betroffenen wollen sich dagegen juristisch wehren. Im Sporteil der Samstags-SZ (Markus Schäflein) werden die geringen Erfolgsaussichten solcher Klagen geschildert. Das Amtsgericht München habe jüngst erklärt, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des FC Bayern, die die Kündigung ohne Angabe von Gründen erlaubt, einer Prüfung durch das Amtsgericht München standgehalten habe.
StA Krefeld - Rachat Alijew: Die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt wegen Geldwäsche gegen Rachat Alijew, den ehemaligen Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nusarbajew. In Wien läuft zeitgleich ein Verfahren wegen Mordes. Beide Verfahren betreffen Vorgänge in Kasachstan und sind auf kasachische Beweismittel angewiesen. Alijews Anwalt Reinhard Birkenstock spricht laut Montags-SZ (Frederik Obermaier) von einem persönlichen Rachefeldzug Nusarbajews, mit dem Alijew sich längst überworfen hat.
StA Stuttgart - Florian Heilig: Der Nazi-Aussteiger Florian Heilig hatte vor einem Jahr einen Termin mit dem Stuttgarter Landeskriminalamt, stirbt aber Stunden vorher in den Flammen seines Fahrzeugs. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart nimmt eine Selbsttötung an, die Eltern wollen das jedoch nicht glauben und bereiten nun eine Strafanzeige vor. Die Montags-taz (Christian Rath) schildert den Fall.
KZ-Wachleute: Anlässlich des späten Versuchs der deutschen Justiz, doch noch gegen Wachleute in NS-Konzentrationslagern vorzugehen, beschreibt die Samstags-FAZ (Alexander Haneke) präzise die bisherige Entwicklung der deutschen Rechtsprechung hierzu und ihre Wechselwirkung mit dem verfolgungsunwilligen Zeitgeist.
Schrottimmobilien: Die WamS (Jan Guldner) gibt einen ausführlichen Überblick über die Tricks beim Vertrieb von überteuerten Immobilien in den 90er-Jahren und über die meist erfolglosen Versuche der Übervorteilten, aus den Darlehensverträgen wieder herauszukommen. Wegen der niedrigen Zinsen sei damit zu rechnen, dass derzeit auch wieder viele Anleger auf unseriöse Angebote hereinfallen.
EuGH zu Studentenvisa: Die Montags-SZ (Tobias Dirr) greift nun auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von voriger Woche auf, wonach ausländische Studenten in Deutschland ein Visum erhalten müssen, wenn sie die EU-rechtlichen Anforderungen erfüllen (u.a. die Zulassung durch eine Hochschule). Nationale Behörden hätten daneben kein Ermessen, das Visum zu verweigern. Nach Auffassung der Rektorenkonferenz werde dadurch die Zulassungsentscheidung der Hochschule aufgewertet.
EuGH zu elektronischen Leseplätzen: Nun befasst sich auch taz.de (Christian Rath) mit dem EuGH-Urteil zur Digitalisierung von Büchern in Bibliotheken. Diese ist auch dann zulässig, wenn Verlage entsprechende E-Books anbieten. Ob Studenten an solchen elektronischen Leseplätzen Kopien machen und Inhalte auf USB-Sticks speichern dürfen, müsse der nationale Gesetzgeber entscheiden. Geschildert werden auch die Positionen von Deutschem Bibliotheksverband und Börsenverein des deutschen Buchhandels zu einer Neuregelung.
BGH zu Geldauflagen für Manager: Aktiengesellschaften dürfen Geldauflagen gemäß § 153a der Strafprozessordnung nur dann für ihre Manager übernehmen, wenn die Hauptversammlung dies beschließt. Eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Juli analysiert beck.blog.de (Bernd von Heintschel-Heinegg). Die Anforderungen des BGH seien so hoch, dass Manager solche Geldauflagen künftig wohl selbst bezahlen müssen.
Recht in der Welt
IStGH - Palästina: Der Internationale Strafgerichtshof lehnt einen Beitritt Palästinas zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht mehr ab. Grund: Ende 2012 wurde Palästina von der UN-Generalversammlung zum "Beobachterstaat" aufgewertet. Die Entwicklung und die möglichen Folgen beschreibt die Montags-SZ (Ronen Steinke).
Südafrika - Oscar Pistorius: Der Leichtathlet Oscar Pistorius wurde in Südafrika wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er hatte auf seine Freundin geschossen, die er angeblich für einen Einbrecher hielt. focus.de (Sandra Tjong) schildert das Urteil und den weiteren Verfahrensgang.
Sonstiges
Google-Justiziar: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) portraitiert den Chefjuristen von Google Deutschland, Arnd Haller. Dabei werden auch verschiedene Rechtsfragen, wie das Recht auf Vergessenwerden oder die Verpixelung bei Google Street View, angesprochen.
Juristische Ausbildung
Law Clinics: Die FAS (Nina Himmer) gibt einen Überblick über Law Clinics an deutschen Universitäten. Bis 2007 seien sie wegen des anwaltlichen Rechtsberatungsmonopol verboten gewesen, inzwischen gebe es rund 80 von ihnen. Die Grundidee: Jurastudierende beraten arme Mandanten kostenlos und unter Anleitung. Dabei lernen sie mehr als in jedem Seminar.
Das Letzte zum Schluss
Fahrrad des Richters geklaut: Ein Angeklagter klaute nach der Verhandlung ein im Amtsgericht Aschersleben abgestelltes Fahrrad. Es war das Rad des Richters. Der Richter nahm die Verfolgung auf und stellte den Dieb, berichtet strafakte.de (Mirko Laudon). Die Personalien des Täters waren immerhin schon gerichtsbekannt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. September 2014: Mit Recht gegen Islamisten – Ist freie Geschlechtswahl sinnvoll? – Mordprozess gegen Krankenpfleger . In: Legal Tribune Online, 15.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13176/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag