Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. Februar 2016: BVerfG und Demo­k­ratie/ Klagen heißt nicht gewinnen/ Staats­rechtler zu Merkel

15.02.2016

Justiz

BAG zu Gutschrift für Überstunden: Rechtsanwalt Marcel Grobys stellt in der Samstags-FAZ (Beruf und Chancen-Teil) ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitnehmer, der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruche, nachweisen müsse – zusätzlich zu den Arbeitsnachweisen –, dass die Arbeit auch konkret vom Arbeitsgeber angeordnet oder gebilligt wurde. Pauschale Hinweise auf hohe Arbeitsaufkommen genügten nicht.

LAG Berlin zur Auswertung des Browserverlaufs: Das Landesarbeitsgericht Berlin hat im Januar dieses Jahres eine außerordentliche Kündigung wegen privater Internetnutzung am Dienstrechner für rechtmäßig erklärt, die nach einer Missbrauchskontrolle ohne Einwilligung des Betroffenen ausgesprochen wurde. Es liege kein Beweisverwertungsverbot für die personenbezogenen Daten des Arbeitsnehmers vor, da keine andere Möglichkeit des Nachweises der unerlaubten Internetnutzung bestanden habe. Dazu lto.de.

AG Tecklenburg verurteilt YouTube-Star: Laut focus.de hat das Amtsgericht Tecklenburg (NRW) den YouTube-Blogger "Julien" wegen Volksverhetzung zu seiner Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie einer Geldauflage verurteilt. Dieser hatte sich während des GDL-Streiks 2015 in einem Video u.a. dahingehend geäußert, man solle die Streikenden ("Mistviecher") vergasen.

Mit dem Urteil befasst sich mit Blick auf die Kunstfreiheit der Blog CSC.de (Conrad S. Conrad) und befürwortet es: "Nicht jedes Wort eines Komikers oder selbst ernannten 'Youtube-Stars' kann unter dem Deckmantel der 'Kunstfreiheit' für rechtlich zulässig erachtet werden."

VG Augsburg zu AfD-Empfang im Rathaus: Das Verwaltungsgericht Augsburg hat am Freitag zwei Eilrechtsschutzanträgen von AfD-Stadträten stattgegeben, die sich gegen den Widerruf der Nutzungsgenehmigung der oberen Rathaus-Etage für den AfD-Empfang am vergangenen Freitag gewehrt hatten. Ein Widerruf sei aber nur bei zu besorgenden Verstößen gegen die Benutzungsordnung zulässig. Dazu lto.de.

BVerfG – grüne Richter: Nun berichtet auch die Montags-taz (Christian Rath), dass die Grünen statt einer künftig zwei Bundesverfassungsrichter vorschlagen wollen. In 2016 müssten die Posten von Herbert Landau und Reinhard Gaier neu besetzt werden. Die Grünen wollten am liebsten die Landau-Nachfolge bestimmen, dieser sitzt im zweiten Senat; im ersten Senat haben die Grünen Rechtsprofessorin Susanne Baer erfolgreich vorgeschlagen.

StA Münster – Anklage Kükenschreddern: Die Staatsanwaltschaft Münster hat zum Landgericht Münster Anklage erhoben gegen die Brüterei Brinkschulte wegen des Tötens männlicher Eintagsküken. Dies sei die erste Klage dieser Art, Behörden hätten die Praxis stets geduldet; nach einer Anzeige einer Tierschutzorganisation könne Brinkschulte nun aber nicht wie üblich der sogenannte Verbotsirrtum zugebilligt werden, so der Spiegel. Dazu auch die Montags-taz (Heike Holdingshausen).

LG Detmold – Auschwitz-Prozess: Nach dem zweiten Verhandlungstag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Detmold berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und schildert noch einmal die juristischen Hintergründe. In einem weiteren Beitrag schildert spiegel.de (Gisela Friedrichsen) zwei Zeugenaussagen von Auschwitz-Überlebenden im Prozess; die Erinnerungen ließen "den Atem stocken". Auch hätten die Verteidiger des wegen Beihilfe zum Mord an 170.000 Menschen angeklagten Reinhold H. angekündigt, im weiteren Verfahren eine Erklärung für ihren Mandanten verlesen zu wollen, zu welcher dieser möglicherweise auch selbst Stellung beziehen werde.

Die FAS (Reiner Burger) widmet dem Prozess einen umfassenden Beitrag. Der Prozess mache deutlich, dass auch untere Dienstgrade mehr als nur kleine Rädchen waren; mit die Benennung "der Vernichtung durch die Lebensverhältnisse" in der Anklage als Teil des teuflischen Plans werde Justizgeschichte geschrieben.

LG Frankfurt – Deutsche Bank: An diesem Montag beginnt vor dem Landgericht Frankfurt ein weiterer Prozess mit Bezug zur Deutschen Bank. Sieben frühere Kundenbetreuer/Händler werde Mitwirkung am organisierten Steuerbetrug von Kunden im Umfang von 220 Millionen Euro vorgeworfen. Die Montags-FAZ (Joachim Jahn/Markus Frühauf) informiert ausführlich über Prozess und Hintergründe. Dazu auch das Hbl (L. de la Motte/V. Votsmeier).

LG Stuttgart – Porsche-Prozess: Nach bislang 16 Verhandlungstagen ist die Urteilsverkündung für den 26. Februar geplant. Die WamS (Karsten Seibel) geht von einem Freispruch aus und befasst sich in einem ausführlicheren Beitrag mit dem Prozess, insbesondere aber der Kritik an der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit in diesem und anderen Verfahren in Zusammenhang mit Kapitalmärkten. Einerseits würde die Arbeit als nicht objektiv deklariert, andererseits werde von Strafrechtsexperten das faktische Ungleichgewicht in solchen Prozessen angemahnt; dem Staat stünden einfach weniger personelle Mittel zur Verfügung, auch gebe es kaum Kapitalmarktspezialisten in den Anklagebehörden. Auch wird auf einen von einem geschädigten Hedgefonds nun kurzfristig benannten Zeugen hingewiesen, man gehe aber nicht davon aus, dass dieser noch gehört werden.

Laut Spiegel sei der Zeuge Manager einer Investmentfirma und habe 2008 mit einem Berater von VW gesprochen; danach sei die Presseerklärung aufgesetzt worden, weil man über die Aktienkurse frustriert gewesen sei und Hedgefonds zum Verschwinden habe bringen wollen.

GBA – Ermittlungen gegen Verfassungsschutz: Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) befasst sich mit den bekannt gewordenen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Anfangsverdacht laute auf Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung; die Mitarbeiter haben möglicherweise geduldet, befürwortet oder sogar angeregt, dass Gelder, die an eine V-Person flossen, an zwei terroristische Vereinigungen gespendet wurden.

Ermittlungsversagen bei Diplomatenkriminalität: Bastian Berbner/Catalina Schröder (FAS) befassen sich mit dem Fall einer ehemaligen Hausangestellten eines "hochrangigen arabischen Diplomaten", der die Philippinerin während seines Aufenthalts in Deutschland mehrfach vergewaltig haben soll. Dabei stehen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Vordergrund, die aus Autorensicht unzureichend gewesen seien: Nach der Ausreise des Diplomaten habe er keine Immunität mehr genossen, dennoch sei kein Haftbefehl beantragt worden. Dieser wäre aber wohl erfolgreich gewesen, der Mann sei wieder nach Deutschland gereist, als Unternehmer, und auch ansonsten leicht auffindbar, seine Adresse finde sich im Internet.

Juristische Aufarbeitung Colonia Dignidad: Der Spiegel (Martin Knobbe; Zusammenfassung) widmet dem Thema "Colonia Dignidad" einen mehrseitigen Bericht und erläutert unter anderem ein voraussichtlich in dieser Woche von der Staatsanwaltschaft Krefeld beim Landgericht beantragtes Exequaturverfahren. Konkret gehe es um die Strafvollstreckung gegen einen in Chile verurteilten ehemaligen Arzt der Sekte, Hartmut Hopp, der 2011 nach Deutschland geflohen sei; die Verurteilung zu einer fünfjährigen Haftstrafe wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung in mehreren Fällen könnte in Deutschland vollstreckt werden, wenn die prüfende Kammer befindet, das Urteil sei in einem rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen.

Untreue Anwälte: In der WamS (Joachim Wagner) findet sich ein ausführlicher Bericht zum Thema Veruntreuung von Mandantengeldern. Es gehöre zu den Pflichten von Anwälten und Notaren, Gelder von Mandanten zu betreuen, sei es als Treuhänder oder Testamentsvollstrecker. Würden Gelder veruntreut, sei dies nicht von der Berufshaftpflicht abgedeckt. Die Anwaltschaft sehe aber keinen Handlungsbedarf, es gehe nur um einzelne schware Schaafe.

Maßregelvollzug: In einer Reportage befasst sich der Spiegel (Frank Thadeusz) mit einem seit 20 Jahren im Maßregelvollzug untergebrachten Sexualstraftäter. Dabei geht es nicht nur um die Taten des etwa 50-Jährigen, sondern auch um dessen Lebensgeschichte und die Möglichkeit einer Entlassung.

VW-Abgasskandal: Wie spiegel.de und die Montags-FAZ (Philip Plickert/Joachim Jahn) berichten, habe der Ex-Vorstandschef von VW, Martin Winterkorn, bereits seit dem Frühjahr 2014 von den mutmaßlichen Abgas-Manipulationen gewusst und nicht erst seit kurz vor Bekanntwerden der Vorwürfe im Herbst 2015.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. Februar 2016: BVerfG und Demokratie/ Klagen heißt nicht gewinnen/ Staatsrechtler zu Merkel . In: Legal Tribune Online, 15.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18459/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen