Die juristische Presseschau vom 15. Januar 2014: SG Berlin zieht Bilanz – AKW-Abschaltung rechtswidrig – Staaten immun gegen Folter

15.01.2014

Das größte Sozialgericht des Landes zieht Bilanz und vermeldet zurückgehende Eingangszahlen. Außerdem in der Presseschau: Karenzzeit durch Selbstverpflichtung, BVerwG zu AKW Biblis, BGH zu Elternunterhalt, konfuse Zeugin im NSU-Prozess, Hartmut Mehdorn gegen sich selbst, EGMR zu Staaten-Immunität und ein besonders rabiater Fall von Selbstjustiz.

Thema des Tages

SG Berlin: Alle 20 Minuten geht beim Sozialgericht Berlin eine gegen das Jobcenter gerichtete Klage ein. Diese und andere Zahlen stellte die Präsidentin des Gerichts, Sabine Schudoma, auf der Jahrespressekonferenz des Hauses vor. So haben sich die Eingangszahlen der zu mehr als 60 Prozent ALG-II-Bescheide betreffenden Verfahren leicht verringert, gleichzeitig warten circa 42.000 Fälle auf eine Bearbeitung. Mehr als die Hälfte der Kläger obsiegten wenigstens teilweise.

Die Welt (Stefan von Borstel) beschreibt in ihrem Bericht die umfangreichen Ermittlungen, die Jobcenter bei der Prüfung von Aufstockungsanträgen von Selbstständigen betreiben müssen und deren Ergebnisse dann regelmäßig vor Gericht landen würden. Eine Klagewelle von EU-Ausländern hätte die Gerichtspräsidentin dagegen nicht ausmachen können. Die taz-Berlin (Juliane Schumacher) berichtet zudem über eine aktuelle Verhandlung, zu der die Präsidentin anwesende Journalisten aus Anschauungsgründen lud: Einem Streit über zusätzliche Leistungen für Umstandskleider. In der Darstellung der FAZ (Mechthild Küpper) offenbarte sich in der letztlich vertagten Verhandlung, "warum das Gericht schwer unter der Last der Hartz-IV-Klagen zu leiden hat." Durch die Gebührenfreiheit der Sozialgerichtsbarkeit und die häufig erfolgreichen Prozesskostenanträge ermutigt, würden unbemittelte Kläger mithilfe wenig kompetenter Anwälte oft "auch aussichtslose oder groteske Klagen" über mehrere Instanzen verfolgen. "Wo weder Mandant noch Anwalt etwas an konsistentem Auftreten liegt, hat Justitia es schwer."

Rechtspolitik

Nachtflugverbot: Auf seiner Titelseite berichtet das Handelsblatt (Daniel Delhaes/Jens Koenen) über ein am heutigen Mittwoch vorgestelltes "nationales Luftverkehrskonzept" einer Bund-Länder-Kommission zur Stärkung des deutschen Wirtschaftsstandortes. Als "brisantes Detail" gelte hierbei die Festlegung bestimmter Flughäfen "von besonderer nationaler Bedeutung", die als Teil der Infrastrukturplanung des Bundes aus der Zuständigkeit der Länder gelöst werden sollen und an denen bisherige Nachtflugverbote zumindest für Frachtflüge aufgehoben werden sollten.

Karenzzeit: Nach Bericht der FAZ (Günther Bannas) hat sich die große Koalition darauf verständigt, eine Regelung zu Karenzzeiten für Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft dem Kabinett zu überlassen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Böhmer (CDU) wird mit der Äußerung zitiert: "Man muss nicht zwanghaft alles gesetzlich regeln." Selbstverpflichtungen, bezüglich derer eine grundsätzliche Kompromissbreitschaft bestehe, seien ebenso zielführend. Robert Rossmann (SZ) kommentiert dies als "Pseudo-Regel." Nicht ohne Grund gebe es ein Bundesminister-Gesetz, die "vielen windigen Selbstverpflichtungen" in der freien Wirtschaft bewiesen hingegen, dass "derlei Regeln zur Befriedung von Debatten" nur wenig beitrügen.

Raubkunst: Rechtsprofessor Lorenz Kähler unterzieht für lto.de den Entwurf eines Kulturgut-Rückgewähr-Gesetzes einer kritischen Würdigung. So sei zu bemängeln, dass die im Gesetz geforderte Bösgläubigkeit des Besitzers hinsichtlich der Herkunft eines Werks gerichtlich als Fahrlässigkeit gewertet werden könnte. Noch fragwürdiger sei aber die Beweislastverteilung des Entwurfs; sie obliegt den Eigentümern bzw. deren Nachkommen und dürfte praktisch kaum zu erbringen sein. Zudem schwäche die Konzentration auf den Herausgabeanspruch von Eigentümern deren auch jetzt schon "nicht zu unterschätzende Verhandlungsposition."

§ 211 StGB: Die SZ meldet, dass der Deutsche Anwaltverein Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf für eine Neufassung des Mordparagrafen 211 Strafgesetzbuch überreicht hat. Der Vorschlag sehe einen einheitlichen Tötungsparagrafen unter Beibehaltung der bisherigen Strafrahmen vor. Auch welt.de (Thorsten Jungholt) berichtet.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Januar 2014: SG Berlin zieht Bilanz – AKW-Abschaltung rechtswidrig – Staaten immun gegen Folter . In: Legal Tribune Online, 15.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10665/ (abgerufen am: 01.07.2024 )

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