Das "No Spy"-Geheimdienstabkommen mit den USA und die Erklärung von Kanzleramtsminister Pofalla rufen kontroverse Reaktionen in der Presse hervor. Außerdem in der Presseschau: Killer-Roboter und Menschenrechte, BVerfG stärkt Versicherte, OLG verschärft Apotheker-Haftung, US-Richterin stoppt Willkür-Durchsuchungen – und warum doch kein Messias geboren wurde.
Datenüberwachung – "No Spy"-Abkommen und Pofalla-Erklärung: Die FAZ (Peter Carstens) und spiegel.de (Severin Weiland) wollen Näheres zum von den USA vorgeschlagenen Inhalt des "No Spy"-Abkommens wissen. So sollen staatliche Stellen von Überwachung ausgenommen bleiben, nationale Gesetze geachtet und Wirtschaftsspionage ausgeschlossen werden.
Christian Rath (taz) findet es "unglaublich, womit uns die Bundesregierung abspeisen will" – die Äußerungen von Kanzleramtsminister Pofalla (CDU) zum Spionageskandal seien kaum beruhigend und blieben "rätselhaft"; "seltsam" sei auch, dass das angekündigte "No Spy"-Abkommen von BND-Chef Schindler und nicht von der Bundesregierung ausgehandelt werde. Da werde "ein Geheimdienstler zum Datenschützer", also "der Bock zum Gärtner" gemacht.
Auch Frederik Obermaier (SZ) kritisiert das Lavieren des Kanzleramtsministers – entscheidend sei nicht, ob es "auf deutschem Boden" zu Grundrechtsverletzungen gekommen sei, sondern ob die Daten deutscher Bürgerinnen und Bürger ausgespäht worden seien – unabhängig davon, wo diese gespeichert seien.
Johannes Boie (SZ) betont, dass Politiker wie Pofalla nicht verstünden, dass das Internet für "jüngere Generation" längst Lebenswelt sei – und es bei dessen Überwachung deswegen für viele Deutsche um die Überwachung ihres "Zuhauses" ginge.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Stärkere Geheimdienstkontrolle: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich einem Bericht von spiegel.de zufolge für eine stärkere parlamentarische Kontrolle der deutschen Geheimdienste ausgesprochen. Das Parlament solle "mehr Möglichkeiten bekommen, hier zuzugreifen".
Derweil resümiert Heribert Prantl (SZ), dass es in Deutschland nie zu einer wirklichen Geheimdienstreform gekommen sei – obwohl "die Geschichte der Bundesrepublik an Geheimdienstskandalen nicht arm" sei. Der Beitrag zeichnet diese Skandale und parlamentarische Reformbemühungen nach, die sich insbesondere um die Einrichtung eines dem Wehrbeauftragten des Bundestages nachempfundenen Geheimdienst-Beauftragten drehen – eine Idee, die schon 1996 entstanden, aber bislang nicht umgesetzt worden sei.
Agenda für den Datenmarkt: Im Feuilleton der FAZ schlägt Christian Lindner, FDP-Fraktionsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landtag, eine Agenda zur Regulierung des Datenmarktes vor. Der Staat müsse "endlich Regeln setzen" und "die für unsere Gesellschaft so zentralen digitalen Märkte nicht allein privaten Konzernen überlassen". Dabei geht es Lindner einerseits um einen "stabilen Ordnungsrahmen" für die Wirtschaft und den Schutz von Wettbewerb, andererseits um den Schutz von Privatsphäre und Daten-Selbstbestimmung.
Killer-Roboter und Menschenrechte: Die SZ widmet ihr "Thema des Tages" der Entwicklung von "Automaten des Todes" – dem militärischen Einsatz von Robotern. Während Reymer Klüver die militärische Entwicklung vor allem in den USA und die massive Kritik von Menschenrechtsgruppen darstellt, führt Oliver Hollenstein ein Interview mit dem Salzburger Strafrechtsprofessor Otto Lagodny, der durch den Einsatz von Drohnen oder gar autonom agierenden Robotern eine Senkung der Tötungshemmschwelle befürchtet.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zu Auskunftspflicht von Versicherten: Versicherte müssen im Schadensfall nicht pauschal alle möglichen Institutionen wie zum Beispiel Ärzte von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Versicherung entbinden. Das hat laut FAZ (Joachim Jahn) das Bundesverfassungsgericht im Fall einer unter Depressionen leidenden Frau entschieden, die Ansprüche gegen ihre Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machte. Versicherungsbedingungen, die pauschale Auskunftsermächtigungen enthalten, verstießen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
BVerfG – bevorzugte Behandlung von Richterin im Krankenhaus? Der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis) weist auf einen Artikel im Ärzteblatt hin, in dem ein Arzt des Karlsruher Klinikums schildert, wie eine Richterin des Bundesverfassungsgerichts über die Intervention eines Chefarztes eine bevorzugte Behandlung in der Notaufnahme erreicht haben soll. Eine Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts liege wegen urlaubsbedingter Abwesenheit der Richterin noch nicht vor.
BGH zu Werbung mit OLG-Zulassung: "Noch nicht irreführend" und deswegen nicht wettbewerbswidrig ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs die Angabe "zugelassen am OLG Frankfurt" im Briefkopf eines Rechtsanwalts. Zwar bedürfe es seit sechs Jahren keiner besonderen Zulassung mehr, um als Rechtsanwalt vor Oberlandesgerichten auftreten zu dürfen, jedoch stelle dies für die angesprochenen Verkehrskreise noch keine Selbstverständlichkeit dar, fasst blog.beck.de (Hans-Jochem Meyer) das Urteil zusammen.
OLG Köln zu Apotheker-Haftung: Das Oberlandesgericht Köln hat die Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei ärztlichen Behandlungsfehlern auf die Haftung von Apothekern übertragen: Macht ein Apotheker bei der Medikation grobe Fehler, so wird die Kausalität zwischen Fehlmedikation und Gesundheitsschaden vermutet, so das Gericht laut lto.de.
AG Kassel – Kunstfreiheit und Hitlergruß: Im Feuilleton der SZ beschäftigt sich Lothar Müller vor dem Hintergrund der Fortsetzung des Strafprozesses gegen den Künstler Jonathan Meese vor dem Amtsgericht Kassel mit dem Kunstbegriff. Er befürwortet den Freispruch des Angeklagten, der am Rande der documenta 2012 den Hitlergruß zeigte, unter anderem auch, um den Fall einer künstlerischen Kritik zugänglich zu machen.
LAG Rheinland-Pfalz zu Kündigungsschutz nach Leiharbeit: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich laut blog.beck.de (Christian Rolfs) der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen angeschlossen und die Beschäftigungszeit als Leiharbeiter bei der Berechnung der sechsmonatigen Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz bei einem in die Stammbelegschaft übernommenen ehemaligen Leiharbeiter nicht berücksichtigt. Dabei habe sich das Gericht erstmals auch mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Leiharbeit auseinandergesetzt.
Leiharbeit-Rechtsprechung: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ fasst der Rechtsanwalt Timon Grau die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Entleihung von Arbeitnehmern zusammen. Entscheidend und noch nicht abschließend geklärt seien die Fragen, ob und wann eine Entleihung noch "vorübergehend" sei und welche Rechtsfolgen ein Verstoß nach sich ziehe.
Fall Mollath – Interview mit Richterverein-Vorsitzendem: lto.de veröffentlicht ein Interview mit dem Vorsitzenden des bayerischen Richtervereins, Walter Groß, zum Fall des mittlerweile aus der psychiatrischen Unterbringung entlassenen Gustl Mollath. Darin kritisiert er die Einmischung der Politik in die Justiz und betont die Bedeutung der Gewaltenteilung und der daraus folgenden Unabhängigkeit der Justiz. Zu deren Stärkung fordert er einen "vom Parlament gewählten Justizpräsidenten" in Bayern.
Fall Mollath – Sixt-Werbung: internet-law.de (Thomas Stadler) befasst sich mit der Werbung der Autovermietung Sixt mit dem Foto von Gustl Mollath und fragt, ob diese "nur geschmacklos oder rechtswidrig" sei. Ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Werbung mit Politikern übertragbar sei, könne durchaus bezweifelt werden, da im Fall Mollath keine politische Meinungsäußerung vorliege.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – "stop and frisk" und Nulltoleranz: Eine US-Bundesrichterin hat die als "stop and frisk" bekannte Taktik der New Yorker Polizei, bei der Passanten verdachtsunabhängig angehalten und durchsucht werden, für verfassungswidrig erklärt. Hintergrund der Entscheidung, in der die Richterin zunächst nur Kontrolle und Nachbesserungen anordnet, sei die Tatsache, dass von den Maßnahmen überproportional viele farbige Bürger betroffen seien, so die SZ (Nicolas Richter). Auch die taz (Bernd Pickert) berichtet.
Andreas Ross (FAZ) sieht in dem Urteil und einer Äußerung von US-Justizminister Eric Holden zu milderen Strafforderungen bei nicht gewalttätigen Drogendealern Anzeichen für eine Abkehr von der in weiten Teilen der USA verfolgten Null-Toleranz-Politik, Bernd Pickert (taz) begrüßt das Urteil als "Schritt gegen Alltagsrassismus". Die taz (Antje Passenheim) und das Handelsblatt (Moritz Koch) widmen sich dem Grund für das Umdenken im US-Justizministerium: Hoffnungslos überfüllte Gefängnisse.
Die taz (Daniel Bax) weist zudem darauf hin, dass auch in Deutschland Beschwerden gegen "racial profiling" seitens der Behörden zunähmen.
Österreich – Benko verurteilt: Das Oberlandesgericht Wien hat die Verurteilung des Immobilienunternehmers René Benko und seines Steuerberaters wegen "verbotener Intervention" bestätigt, berichtet das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar). Der Unternehmer war in erster Instanz zu einer "bedingten Haftstrafe" von zwölf Monaten verurteilt worden, weil das Duo ein Steuerverfahren in Italien durch Bestechung beeinflussen wollte.
Schweiz – Bankdaten-Dieb soll ins Gefängnis: Wie spiegel.de berichtet, soll ein Computerspezialist, dem vorgeworfen wird, Daten der Privatbank Julius Bär entwendet und den deutschen Steuerbehörden verkauft zu haben, in der Schweiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Die schweizerische Bundesanwaltschaft fordere eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, die zur Hälfte zur Bewährung ausgesetzt werden soll.
Ungarn – Ackerland nur für ungarische Bauern: In Ungarn ist nach einem Bericht der taz (Ralf Leonhard) ein Gesetz verabschiedet worden, durch das EU-Bürger weiterhin vom Kauf von Ackerland ausgeschlossen werden und ausländische Landwirte enteignet werden können. Das Gesetz werde voraussichtlich von der EU-Kommission als "Eingriff in die Vertragsfreiheit" beanstandet werden.
China – Todesurteile gegen Uiguren: In China sind zwei Uiguren, die an einem bewaffneten Zusammenstoß mit der Polizei beteiligt gewesen waren, wegen Terrorismus und Totschlags zum Tode verurteilt worden. Drei weitere Angeklagte seien zu Haftstrafen verurteilt, so die FAZ (Petra Kolonko). Hintergrund der Auseinandersetzungen seien Konflikte der chinesischen Behörden mit der muslimischen Bevölkerung in dem von Uiguren bewohnten "autonomen Gebiet".
Sonstiges
Datenüberwachung und Rechtsstaat: Im "Geisteswissenschaften"-Teil der FAZ nutzt der Rechtswissenschaftler Michael Stolleis die Metapher des "Auges des Gesetzes", um die aktuelle Überwachungsdebatte in die Geschichte gesellschaftlicher und staatlicher Kontrollbemühungen einzuordnen. Er kommt zu dem Schluss, dass wer in den Apfel der grenzenlosen Kommunikation beiße damit auch grenzenlose Überwachbarkeit in Kauf nehme.
Gladbeck: Die FAZ (Reiner Burger) erinnert an das Geiseldrama von Gladbeck. Neben der Rolle der Presse geht der Artikel auch auf die Konsequenzen bei der Polizei ein – der Einsatz sei "wie kein anderer" von der Polizei nachbereitet worden und habe zu weitreichenden organisatorischen Konsequenzen geführt.
Neuer Vorsitzender für Kodex-Kommission: Die für die regelmäßige Überarbeitung des deutschen Corporate Governance Kodex zuständige Regierungskommission wird nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) mit dem Juristen und amtierenden Präsidenten der internationalen Handelskammer ICC, Manfred Gentz, bald einen neuen Vorsitzenden haben. Der Kodex stellt eine Form der freiwilligen Selbstregulierung der Wirtschaft dar.
Das Letzte zum Schluss
Doch kein Messias geboren: "Messias" sei ein Titel und kein Name und diesen Titel verdiene nur eine Person – und die sei Jesus Christus. Mit dieser Begründung hat eine Richterin in den USA einem Elternpaar untersagt, ihren Sohn "Messiah" (Messias) zu nennen. Überhaupt vor Gericht gekommen war der Fall laut Hans-Otto Burschel (beck.blog.de), weil sich die Eltern nicht über den Nachnamen des Kindes hatten einigen können.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. August 2013: Geheimdienstabkommen "No Spy" – Killer-Roboter und Menschenrechte – Apotheker-Haftung verschärft . In: Legal Tribune Online, 14.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9350/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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