Die juristische Presseschau vom 14. April 2016: Was darf Satire? / Zschäpe sch­reibt Brief / Sch­le­cker ange­klagt

14.04.2016

Die rechtlichen Grenzen zulässiger Satire bleiben umkämpft. Außerdem in der Presseschau: Zschäpe fühlt sich missverstanden, Schlecker wird angeklagt und das fliegende Spaghettimonster unterliegt gegen den Landesbetrieb Straßenbau.

Thema des Tages

StA Mainz – Jan Böhmermann: Die Bundesregierung möchte sich noch einige Tage Zeit lassen, um über das Strafverlangen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gegen den Satiriker Jan Böhmermann zu entscheiden. Nach geltender Rechtslage muss sie nach § 104a Strafgesetzbuch (StGB) der Strafverfolgung wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts (§ 103 Abs. 1 StGB) zustimmen. Ermittlungen können allerdings bereits wegen einfacher Beleidigung (§ 185 StGB) geführt werden, da Erdogan auch als Privatperson Strafantrag gestellt hat. Erdogans deutscher Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger kündigte an, er sei bereit, "bis zur letzten Instanz" zu gehen. Böhmermann selbst steht inzwischen unter Polizeischutz. Es berichten der Tsp (Kurt Sagatz/Jost Müller-Neuhof), lto.de und die BadZ (Christian Rath).

Über die rechtlichen Grenzen zulässiger Satire spricht die SZ (Andreas Zielke) mit der Kunst- und Medienanwältin Anja Brauneck. Die FAZ (Edo Reents) interviewt hierzu "Titanic"-Anwältin Gabriele Rittig. Der SWR RadioReport Recht (Klaus Hempel) spricht ausführlich mit dem Medienanwalt Niklas Haberkamm. Die BadZ (Christian Rath) stellt einige vom Bundesverfassungsgericht zur Reichweite der Kunstfreiheit entschiedene Fälle vor.

Zudem geht Rechtsprofessor Stefan Talmon in einem Gastbeitrag in der FAZ der Frage nach, ob die Türkei Deutschland im Falle unterbliebener Strafverfolgung auf internationaler Ebene völkerrechtlich zur Verantwortung ziehen könne. Lawblog.de (Udo Vetter) schlägt ein Schiedsverfahren zwischen Erdogan und Böhmermann vor.

§ 103 StGB: Hinsichtlich der bereits geforderten Abschaffung des Sonderparagraphen, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter härter bestraft als andere Beleidigungen, äußerte sich das Bundesjustizministerium zurückhaltend – es gebe bislang keine offizielle Prüfung, so das Hbl (Anja Stehle) und die taz (Ulrich Schulte). Christian Rath (taz) hält eine Streichung des Paragraphen für sinnvoll, denn er sei überflüssig und belaste zudem die Regierung, die die Entscheidung über die Ermächtigung treffen und öffentlich vertreten muss.

Rechtspolitik

Wahlrecht: Bundestagspräsident Norbert Lammert will mit einer Änderung des Wahlrechts verhindern, dass die Anzahl der Abgeordneten im Bundestag immer weiter steigt, wie spiegel.de erläutert. Das Parlament könne durch Überhang- und Ausgleichsmandate zukünftig arbeitsunfähig groß werden. Robert Roßmann (SZ) und Günter Bannas (FAZ) begrüßen diese Initiative, rechnen ihr allerdings wenig Erfolgsaussichten zu.

Wiederaufnahme des Strafprozesses: Ist ein Angeklagter vom Strafgericht rechtskräftig freigesprochen worden, kann ein Verfahren gegen ihn auch dann nicht wieder aufgenommen werden, wenn neue belastende Beweismittel auftauchen. Einer repräsentativen Umfrage zufolge halten 91 Prozent der Deutschen dies für falsch, berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen). In Auftrag gegeben wurde sie von der Plattform Change.org anlässlich der Petition von Hans von Möhlmann, dessen Tochter 1981 getötet wurde und der seither für eine Verurteilung des mutmaßlichen Täters kämpft.

Vergaberecht: Auf lto.de erklärt Rechtsanwältin Monika Prell ausführlich die ab dem 18. April in Kraft tretenden Reformen im Vergaberecht. Unternehmen müssten sich mit einigen Umstellungen vertraut machen.

Gerichtsöffentlichkeit: In zwei ausführlichen Gastbeiträgen in der FAZ wird die Frage thematisiert, wie und in welchem Umfang die Öffentlichkeit im Gerichtssaal gewährleistet werden soll. Der Luxemburgische Rechtsprofessor Burkhard Hess spricht sich dabei für mehr Übertragungen, auch etwa über Soziale Medien, aus, die zeitgemäß seien. Rechtsprofessor Heiner Alwart hingegen warnt vor TV-Übertragung aus dem Gerichtssaal: Zu viele Bilder verstellten den Blick auf das, worum es in den Prozessen wirklich ginge.

Privacy Shield: Die "Artikel 29-Datenschutzgruppe", eine Gruppe aus Vertretern der Datenschutzbehörden der EU, äußert massive Kritik an dem geplanten "Privacy Shield"-Abkommen zwischen der EU und den USA. Insbesondere die massenhafte Auswertung europäischer Daten durch US-amerikanische Behörden werde weiterhin nicht wirksam verhindert, so die FAZ (Hendrik Kafsack) und blog.beck.de (Axel Spieß).

Islamgesetz: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer schlägt ein deutsches Islamgesetz vor, mit dem die Verbreitung extremistischer Ideen in Moscheen verhindert werden soll, etwa durch das Verbot der Finanzierung aus dem Ausland und der verpflichtenden Ausbildung von Imamen in Deutschland, so die SZ. Parvin Sadigh (zeit.de) hält Präventionsbemühungen für sinnvoll, den Gesetzesvorschlag aber für zu simpel – er verkenne die Komplexität des deutschen Islams und seiner Schwierigkeiten.

Ärztekorruption: Der Bundestag will am heutigen Donnerstag ein Gesetz verabschieden, nach dem Korruption im Gesundheitswesen strenger bestraft wird. Entgegen dem ursprünglichen Ansinnen der Bundesregierung reicht zur Strafbarkeit allerdings kein bloßer Verstoß gegen Berufsrecht aus. Notwendig soll eine Wettbewerbsverzerrung durch die Handlung sein, etwa zugunsten einer Pharmafirma, so die FAZ (Joachim Jahn).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. April 2016: Was darf Satire? / Zschäpe schreibt Brief / Schlecker angeklagt . In: Legal Tribune Online, 14.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19153/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen