Fußball-Weltmeister, Top-Manager, erfolgreicher Unternehmer, moralische Instanz – und jetzt auch verurteilter Straftäter. Das LG München II verurteilt Uli Hoeneß. Außerdem in der Presseschau: Befangenheit am BVerfG, Zeugin Schickedanz, Völkerrecht und Krim-Sezession und Fußball-Bosse, an denen sich Uli Hoeneß besser kein Beispiel nehmen sollte.
Thema des Tages
Uli Hoeneß: Wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro hat das Landgericht München II den Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die Selbstanzeige des Managers sei nach Ansicht des Gerichts "nicht nur missglückt, sondern erkennbar unzureichend" gewesen, schreibt die FAZ (Joachim Jahn/Henning Peitsmeier). Der Anwalt des Verurteilten habe umgehend die Einlegung einer Revision angekündigt. Die SZ (Klaus Ott) und die taz (Tobias Schulze) berichten ebenfalls. Eine Analyse des letzten Prozesstages liefert die SZ (Annette Ramelsberger, Video).
Große Reportagen mit Berichten zu den Plädoyers bringen SZ (Annette Ramelsberger) als Seite Drei, FAZ (Christian Eichler/Henning Peitsmeier) und Welt (Hannelore Crolly/Florian Kinast). Übereinstimmend beschreiben die Berichte die fast passive Haltung des Angeklagten vor Gericht und abzusehende finanzielle Sorgen: Zinsen und Strafzahlungen könnten die nachzuleistende Steuerschuld auf bis zu 50 Millionen Euro erhöhen.
Eine ausführliche Analyse liefert die SZ (Heribert Prantl). Den "braven Mann" Uli Hoeneß hole nun eine durch das "maßvoll harte, aber gerechte" Urteil geschaffene "vergitterte Realität" ein. Angesichts der im Raum stehenden Summe sei auch bei angestrengtester Suche nach Milderungsgründen keine Bestrafung zur Bewährung möglich gewesen. Das Urteil beweise, "dass die strafrechtlichen Verbote wirklich gelten," auch unabhängig vom jeweils betroffenen Status. Einen Verfahrensrück- und ausblick liefert Udo Vetter (lawblog.de).
Das Handelsblatt macht den "Fall Hoeneß" zum Thema seiner Wochenende-Beilage, in der neben einem ausführlichen Verfahrensrückblick (Jan Keuchel und andere) sieben verschiedene Gastautoren sieben Lehren ziehen: Für Hans Eichel (SPD), den früheren Bundesfinanzminister, ist nun etwa belegt, dass sich Steuerhinterziehung "immer weniger" lohnt, Rechtsanwalt Karsten Randt erkennt, dass Prominente vor Gericht nicht anders behandelt würden, Rechtsprofessorin Johanna Hey setzt sich kritisch mit Reformvorschlägen zur Selbstanzeige auseinander und der Wirtschaftswissenschaftler Manuel Rene Theisen bilanziert, dass sich Compliance-Regeln einer guten Unternehmensführung "im Fall des Aufsichtsrats der FC Bayern AG als Werbegag und "Not me"-Strategie" enttarnt hätten.
In den Kommentaren mischt sich Zustimmung zum Urteil mit Kritik am Verurteilten. Christian Rath (taz) hält das Urteil für "ausgewogen und angemessen." Wolfgang Krach (SZ) meint, dass Hoeneß "mit der Wahrheit von Anfang an taktiert" habe. Nach Albert Schäffer (FAZ) ist die Strafkammer "ihm im Strafmaß weit entgegengekommen." Das Gericht hätte sich bei der gebotenen Sachverhaltsaufklärung auch mit der mutmaßlichen Herkunft des zum Spekulieren eingesetzten Geldes beschäftigen müssen, so seien viele Fragen offengeblieben, nicht zuletzt "die Bereitwilligkeit, mit der die Verteidiger von Hoeneß sich darauf eingelassen haben, die hinterzogene Steuer mit 28,5 Millionen Euro zu beziffern." Für Thomas Schmid (Welt) ist die "nüchterne und sachliche" öffentliche Verfolgung des Verfahrens bemerkenswert, Christian Rickens (spiegel.de) sieht belegt, dass sich Steuerhinterzieher "genauso asozial wie andere Kriminelle auch" verhalten würden, für Christian Bommarius (fr-online.de) ist durch das Urteil die Karriere des Fußball-Manager, sondern auch seine Rolle "als öffentlicher Mahner, als vermeintliches Leit- und Vorbild" beendet. Nach Holger Steltzner (FAZ) schließlich bietet die anzuberaumende Revisionsverhandlung die Gelegenheit zu ein "überfälliges" Grundsatzurteil zum Umgang mit unwirksamen Selbstanzeigen.
Focus.de (Jens Bauszus) berichtet über die mögliche zukünftige Unterkunft von Uli Hoeneß: Wirtschaftsstraftäter aus München würden gewöhnlich der JVA Landsberg überstellt, zu ihren Festungszeiten beherbigte die auch Adolf Hitler.
Rechtspolitik
Parlamentarisches Kontrollgremium: Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages soll sich künftig bei seiner Arbeit, der Überwachung der Geheimdienste, auf einen operativen Stab an zusätzlichen Mitarbeitern stützen können, schreibt die SZ (Stefan Braun). Die Neuerung steht im Zusammenhang mit Erkenntnissen des NSU-Untersuchungsausschusses. Jasper von Altenbockum (FAZ) kommentiert den Plan zurückhaltend, denn "transparente Geheimdienste sind untauglich, undurchsichtige Geheimdienste aber demokratiegefährdend." Das Gremium könne sich stärken, indem "es sich konsequent gegen Empörungspolitiker und Aufregerjournalismus abschotten" würde.
Rundfunkbeitrag: Die von den Ministerpräsidenten der Länder beschlossene Senkung des Rundfunkbeitrages kommentiert Reinhard Müller (FAZ) als "unglaublichen Kraftakt," der aber nur der Beginn für umfassende Strukturreformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein könne. Hierbei sei auf das Bundesverfassungsgericht und dessen anstehende Entscheidungen zu ZDF-Gremien und eben jener "Haushaltsabgabe", die im Übrigen "abgeschafft" gehöre, zu setzen.
Justiz
BVerfG – Befangenheit: In einer vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen ein landesrechtliches Kopftuchverbot ist der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen worden. Kirchhof hatte als Sachverständiger maßgeblichen Einfluss auf die nun beanstandete Regelung, schreibt Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) in seiner Kolumne. Auch die FAZ (Helene Bubrowski) berichtet kurz.
BSG zu freier Mitarbeit: Das Bundessozialgericht hat die Klage eines vorgeblich freischaffenden ZDF-Grafikers, der für beschäftigungslose Zeit Arbeitslosengeld beantragte, abgewiesen. Der Kläger habe nach Ansicht des Gerichts in einem dauerhaften und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden, schreibt Rechtsanwältin Amelie Bernardi für lto.de und stellt Hintergründe und Auswirkungen der Entscheidung vor.
OLG München – NSU: Holger Schmidt (SWR-Terror-Blog) dokumentiert die umfängliche Erklärung Ismail Yozgats, Vater des mutmaßlichen NSU-Opfers Halit Yozgat aus Kassel, im Verfahren vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe und andere. Eine Zeugin aus dem früheren Umfeld der Hauptangeklagten beschrieb eine Waffe, die sie in der Wohnung Zschäpes gesehen habe, schreibt spiegel.de.
LG Köln - Sal. Oppenheim: Im vor dem Landgericht Köln laufenden Verfahren gegen frühere Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim wurde die ehemalige Milliardärin Madeleine Schickedanz als Zeugin vernommen. Die Quelle-Erbin war durch mehrere Kredite der Bank und dem ebenfalls angeklagten Josef Esch verbunden, in ihrer Vernehmung habe sie sich jedoch darauf berufen, viele der ihr zur Unterschrift vorgelegten Verträge nicht gelesen und überhaupt nur wenig Detailwissen über einzelne Vorgänge besessen zu haben. Es berichten SZ (Kirsten Bialdiga), FAZ (Brigitte Koch) und Welt (Michael Gassmann).
LG München – Steuerhinterziehung: Ein vor dem Landgericht München I wegen Steuerhinterziehung angeklagter Gastwirt hat sich nach Bericht der SZ (Christian Rost/Katja Riedel) mit dem Gericht auf einen Deal verständigt. Für die Einräumung einer Steuerverkürzung in einer Höhe einer guten Million Euro sei dem Angeklagten eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe in Aussicht gestellt. Misslicher für den "Wiesnwirt" könnte jedoch die derzeit laufende Prüfung seiner "gastronomischen Zuverlässigkeit" sein.
Cornelius Gurlitt: In einem Gastbeitrag für den Kunstmarkt-Teil des Handelsblatts stellt Rechtsanwalt Lucas Elmenhorst das Rechtsberatungs-Team des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt vor. Neben vier Anwälten inklusive eines gerichtlich bestellten Betreuers umfasse die Mannschaft auch einen "Experten für Reputationsmanagement."
Recht in der Welt
Frankreich – Sarkozy: Die SZ (Stefan Ulrich) gibt einen Überblick zu den "sechs Affären" des früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Die Justiz des Nachbarlandes ermittelt gegen ihn in mehreren Fällen wegen des Verdachts illegaler Parteien- und Wahlkampffinanzierung. In einem weiteren Beitrag (Christian Wernicke) beschreibt die Zeitung, dass die Angelegenheiten auch für die jetzige Regierung unangenehme Folgen haben könnte: Weil die Justizministerin Christiane Taubira wohl wahrheitswidrig die Kenntnis einer gegen Sarkozy gerichteten Abhöraktion bestritt, stehe sie jetzt vor dem Rücktritt.
Ukraine – Krim: Mit den völkerrechtlichen Aspekten einer möglichen Sezession der Krim befasst sich die SZ (Andreas Zielcke). Die historisch gewachsene aktuelle Diskussion über die "Substanz des Autonomierechts" erkenne ein Recht zur Abtrennung nur in notstandsartigen Lagen an und in solchen, in denen der Mehrheitsstaat nicht willens oder in der Lage ist, den "ethnischen Partikularitäten seiner Bewohner gerecht" zu werden, indem er "innere Pluralität" anerkennt und tatsächlich praktiziert. Beide Voraussetzungen träfen auf die russische Bevölkerung der Krim nicht zu, die zweite dagegen zumindest auf die Krimtataren. Für beide Gruppen könnte die von der ukrainischen Zentralregierung nie akzeptierte Verfassung der Krim von 1992, die eine weitgehende Autonomie der Halbinsel vorsah, eine mögliche Lösung sein. Nach dem derzeit geltenden Verfassungsrecht des Landes sei eine legale Abspaltung jedenfalls ausgeschlossen.
Indien – Vergewaltigung: Die taz meldet, dass ein indisches Berufungsgericht die vier verhängten Todesstrafen wegen einer brutalen Gruppenvergewaltigung im Dezember 2012 in Neu-Delhi bestätigt hat. Den Verurteilten stehe jetzt noch die Anrufung des höchsten Gerichts des Landes offen.
Sonstiges
Maklergebühr: In einem Gastbeitrag für den Immobilien-Teil der FAZ macht Rechtsanwalt Peter Scholz darauf aufmerksam, dass Immobilienmakler bei einer Geschäftsanbahnung im Internet ihre möglichen Kunden auf deren Widerrufsrecht aufmerksam machen müssen. Unterbliebe dies, könnten Käufer "auch noch Monate nach Kaufvertragsschluss" den Widerruf erklären und die Maklerprovision verweigern oder gar zurückfordern.
Das Letzte zum Schluss
Vorbilder für Uli Hoeneß: Das Uli Hoeneß nicht der erste Fußball-Vereinspräsident ist, der zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, beweist ein nationaler und internationaler Überblick der Welt (Lars Wallrodt). Ebenfalls wegen Steuerhinterziehung – wenn auch in deutlich geringerer Höhe - verantworten musste sich der frühere Chef des Lokalrivalen 1860 München, andere Beispiele betreffen etwa Verurteilungen wegen vorsätzlichen Bankrotts, Betruges, Bestechung oder Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. März 2014: Haft für Hoeneß – Befangenheit am BVerfG – Die Krim und das Völkerrecht . In: Legal Tribune Online, 14.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11334/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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