Die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy ziehen weitere Kreise und könnten unangenehme Folgen für den früheren Innenminister und SPD-Genossen haben. Außerdem in der Presseschau: Freihandelsabkommen auf Eis, Basar am BVerfG, Nachlese zum BGH-Unterhalts-Urteil, Klage gegen Obama, ein Liberaler im Bundestag und besonders gelungene Aufnahmen.
Thema des Tages
Edathy – Friedrich: Seit einigen Tagen ist bekannt, dass und warum gegen den aus dem Amt geschiedenen Bundestags-Abgeordneten Sebastian Edathy (SPD) ermittelt wird. Weil nun bekannt wurde, dass der frühere Innen- und jetzige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits im Oktober SPD-Politiker über einen Hinweis des Bundeskriminalamtes auf mögliche Ermittlungen informierte, hat die Staatsanwaltschaft ihrerseits Vorermittlungen wegen möglichen Geheimnisverrats aufgenommen. Es berichten SZ (Christoph Hickmann/Tanjev Schultz), FAZ (Günter Bannas), taz (K. Litschko/A. Geisler/U. Schulte), zeit.de (Lisa Caspari) und spiegel.de (Philipp Alvares de Souza Soares).
Brisanz besitzen die neuen Erkenntnisse auch für die beteiligten SPD-Politiker: Weil bei der Hausdurchsuchung zerstörte Festplatten gefunden worden sein sollen und Edathys Anwalt bereits im vergangenen November eine Anfrage zu möglichen Ermittlungen gestellt habe, steht der Verdacht im Raum, dass Informationen einschließlich einer Anfrage beim BKA-Chef Jörg Ziercke (SPD) auch an ihn weitergeleitet worden seien. Die SZ (T. Schultz/C. Hickmann/H. Leyendecker/G. Mascolo/J. Becker/R. Roßmann) widmet vor allem dieser Frage eine Seite Drei-Reportage.
Die taz (Christian Rath) erklärt den Tatbestand des Geheimnisverrats und meint, dass eine Rechtfertigung Friedrichs durch "den Gedanken parlamentarischer Fairness" vorliegen könnte. Ein weiterer Beitrag der taz (Christian Rath) befasst sich mit der Rechtslage zur Kinderpornografie, die 2003 empfindlich verschärft wurde. Auch die SZ (Wolfgang Janisch/Heribert Prantl) schreibt zu beiden Delikten, mit einem Schwerpunkt auf dem "typischen Internetdelikt" Paragraf 184b Strafgesetzbuch, einem "besonders klebrigen Paragrafen." Dessen Anwendung auch auf sogenanntes sexuelles Posing werde zwar manchmal kritisiert, größtenteils jedoch akzeptiert.
Stefan Reinecke (taz) sieht zu viele Ungereimtheiten "für so einen heiklen Fall." Neben klärungsbedürftigen Fragen, wer was wann gewusst und wem weitererzählt habe beträfe dies vor allem den "sozialen Tod", der Edathy ganz unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen ereile. Durch die "offenbar unvermeidbare Vorverurteilung" werde "de facto, nicht de jure" die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Auch für Heribert Prantl (SZ) ergibt sich ein "Abgrund von Fragen." Dies beginne bei der "begründeten Spekulation," auf deren Grundlage die Staatsanwaltschaft offenbar die Hausdurchsuchung angeordnet habe und setze sich fort bei den nun bekanntgewordenen Informations-Weitergaben. Wenn – was nach bisherigem Kenntnisstand durchaus möglich wäre – die von Edathy mutmaßlich georderten Filme nicht illegal wären, ginge es letztlich nur um Moral - "und dann um die Frage, mit welcher Moral Justiz, Politik und Öffentlichkeit darüber berichten und richten."
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Das belgische Parlament hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem auch Minderjährige unter bestimmten Voraussetzungen verlangen können, getötet zu werden. In ihrem Bericht lässt die Welt (Christoph B. Schiltz/Matthias Kaman) den Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz mit der an die Bundesregierung gerichteten Forderung zu Wort kommen, die sogenannte aktive Sterbehilfe auf europäischer Ebene verbieten zu lassen. Thomas Kirchner (SZ) kommentiert dagegen, dass Kritik am Nachbarland unangebracht sei. Deutschland müsse "seinen eigenen Konsens zur Sterbehilfe finden," bereits das werde "schwierig genug."
Getto-Renten: Die Welt (Jan Dams) berichtet über einen Vorstoß der Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Regelung angemessener Rentenzahlungen für Zwangsarbeit in Gettos während der NS-Diktatur. Ein an Kabinettskollegen versandtes Papier sehe eine Streichung der bisher auf vier Jahre begrenzten Möglichkeit rückwirkender Zahlungen und eine Nachzahlung vor.
Freihandelsabkommen: Ein Beitrag im Wirtschafts-Teil der FAZ (Hendrick Kafsack) berichtet über "ernüchternde" Zwischenbilanz der Verhandlungen zu einem europäisch-amerikanischen Freihandels- und Investitionsabkommen. Besonders strittig seien unterschiedliche Vorstellungen zu Klima- und Umweltschutzstandards sowie Schiedsgerichten, mit einem Abschluss noch in diesem Jahr sei wohl nicht mehr zu rechnen.
DRB zu Mütterrente: Der Deutsche Richterbund (DRB) sieht wegen der geplanten Mütterrente eine Prozesslawine auf die Familiengerichte zurollen. Wegen höherer Rentenansprüche betroffener Frauen könnten bis zu einer Million Ex-Ehemänner den vereinbarten Versorgungsausgleich überprüfen lassen, angesichts schon jetzt überlasteter Gerichte sei eine gesetzliche Nachbesserung nötig, wird ein DRB-Experte auf focus.de zitiert.
Justiz
EuGH zu Urheberrecht: Die Verlinkung frei zugänglicher Internetseiten stellt keine Urheberrechtsverletzung dar, entschied der Europäische Gerichtshof. Fabian Reinholz (blog.beck.de) und Thomas Stadler (internet.law.de), für den das Urteil eine "Selbstverständlichkeit" ist, berichten.
BVerfG zu EZB-Programm: Die OMT-Vorlage des Bundesverfassungsgerichts an den Europäischen Gerichtshof erklärt die SZ (Wolfgang Janisch) als "Basar." Zwar wüssten die Karlsruher Richter von der Auslegungs-Hoheit des Europäischen Gerichtshofs im Bezug auf EU-Recht, ihre in der Vorlage "mitgelieferten" Antworten bedeuteten jedoch zunächst ein Angebot auf dessen "millimetergenauer Umsetzung" man am Ende dann doch nicht bestehen würde.
BVerfG: Die Zahl der Verfahrenseingänge beim Bundesverfassungsgericht ist im vergangenen Jahr abermals gestiegen und hat "das Ende der Fahnenstange erreicht", zitiert die FAZ (Helene Bubrowski) den Präsidenten des Gerichts. Andreas Voßkuhle habe zudem seine Forderung nach einer sogenannten Mutwillensgebühr für offensichtlich unzulässige oder unbegründete Verfassungsbeschwerden erneuert und dargelegt, dass er zwischenzeitlich die Ausspähung des Gerichts durch die NSA befürchtet habe. Das Karlsruher Gericht sei jedoch "gut abgesichert gegen Abhörmaßnahmen."
BGH zu Unterhaltspflicht: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber pflegebedürftigen Eltern kommentiert Annette Prosinger (Welt) im Leitartikel der Zeitung als menschliche Tragödie, die sich aber am Gesetzeswortlaut und -sinn orientiert habe. Sie sollte Anlass bieten, über den Familienbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches nachzudenken. FR-Online (Mira Gajevic) lässt dagegen die Verfassungsrechtlerin Susann Bräcklein mit der Ansicht zu Wort kommen, dass die Inpflichtnahme von Kindern in derartigen Fällen möglicherweise deren Grundrechte verletze und auch nicht mit einem pauschalen Verweis auf das Sozialstaatsprinzip begründet werden könne. Die SZ (Andreas Glas) gibt in ihrem Geld-Teil einen Überblick über die wichtigsten Fragen der Unterhaltspflicht von Kindern.
VerfGH Rheinland-Pfalz – Wahlgesetz: Die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat den Verfassungsgerichtshof des Landes mit einem Normenkontrollantrag um die Überprüfung des neuen Wahlgesetzes gebeten, schreibt die FAZ (Thomas Holl). Um den bislang geringen Frauenanteil in den Kommunalparlamenten zu steigern, soll auf den für die Kommunalwahl im Mai geplanten Stimmzetteln Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes zitiert werden.
OLG Dresden zu SachsenLB: Das Oberlandesgericht Dresden hat eine Beschwerde der Leipziger Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung einer Anklage gegen ehemalige Vorstände der SachsenLB wegen Bilanzfälschung als unzulässig verworfen. Die Schriftform sei wegen einer fehlenden Unterschrift nicht gewahrt, befand das Dresdner Gericht nach Darstellung der SZ (K. Hildebrand/K. Ott) im Geld-Teil des Blattes.
LAG Stuttgart zu Betriebsräten: Vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart sind die Klagen mehrerer Betriebsräte gegen den eigenen Betriebsratschef und den Arbeitgeber Daimler abgewiesen worden. Die Kläger hätten Verletzungen des Ehrenamtsprinzips durch höhere Bezahlung für solche Betriebsräte, die auf der Liste der IG Metall gewählt wurden, moniert, schreibt die SZ (Max Hägler) in ihrem Wirtschafts-Teil und stellt die Auseinandersetzung in eine teils jahrzehntelange Tradition IG Metall-kritischer Arbeitnehmer am Untertürkheimer Standort vor.
LG München zu Urheberrecht: Das Landgericht München I hat die gängige Praxis, Bücher durch wörtliche Auszüge aus Rezensionen zu bewerben, als Urheberrechtsverletzung eingestuft und einen Online-Buchhändler zur Unterlassung verurteilt. Wie Thomas Stadler (internet-law.de) schreibt, unterfielen die beanstandeten Passagen nach Ansicht des Gerichts auch nicht dem Zitatrecht, weil sie lediglich zur Werbung eingesetzt würden.
Recht in der Welt
Großbritannien – Europa: In seiner Kolumne berichtet Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) über ein "europapolitisches Grundsatzurteil" des britischen Supreme Courts. In seiner Entscheidung zur Vereinbarkeit europäischer Umweltrichtlinien mit den Entschließungen des Landesparlaments habe sich das britische Gericht auch auf das Bundesverfassungsgericht berufen.
Russland – Adoptionsverbot: Ein gesetzliches Verbot für US-amerikanische Staatsbürger, russische Kinder zu adoptieren, ist nach einer Meldung der FAZ (Friedrich Schmidt) auf alle Länder ausgeweitet worden, in denen gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt sind.
USA – Überwachung: SZ (Nicolas Richter), FAZ (Patrick Welter) und taz (Bernd Pickert) stellen den US-amerikanischen Senator Rand Paul vor, der im Namen aller Telefonbesitzer des Landes eine Sammelklage gegen den Präsidenten Barack Obama wegen der Sammlung von Daten durch die NSA erhoben hat. Alle Darstellungen verwiesen auf den Zusammenhang von Klage und möglicher Präsidentschaftskandidatur Pauls.
Katar – Menschenrechte: Die FAZ (Michael Ashelm) berichtet über eine Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Europäischen Parlaments, bei der ein jahrelang in Katar festgehaltener Fußballprofi über seine Erlebnisse berichtete. Als Gesandter der FIFA habe der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger zugesagt, den Druck in Menschenrechtsfragen auf den Gastgeber der Weltmeisterschaft 2022 hochzuhalten, gleichzeitig aber auch andere Verbände sowie Regierungen und Unternehmen zur Unterstützung aufgefordert.
Sonstiges
Staatsnotstand: Artikel 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Suspendierung und Beschränkung von Grundrechten. Der Jurist Matthias Lukan (juwiss.de) setzt sich kritisch mit staatlicher Anwendungspraxis und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dieser als Ausnahme konzipierten Notstandsregelung auseinander.
Redezeit: Über den letzten liberalen Bundestags-Redner schreibt die SZ (Robert Roßmann). Der sächsische Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) besitzt als Bundesrats-Mitglied gemäß Artikel 43 des Grundgesetzes das Recht, jederzeit im Parlament gehört zu werden. Ärgerlich für die CDU sei, dass die vom Minister in der Debatte über Rentenpläne der Regierung bereits genutzte Redezeit von der ihrer Fraktion abgezogen wird – die FDP regiert im Freistaat mit der Union.
Selbstanzeige: Die FAZ (Joachim Jahn) macht darauf aufmerksam, dass auch der Bezug von Kindergeld ohne Berechtigung, etwa weil volljährige Kinder eine Ausbildung beendet haben, als Steuerhinterziehung zu werten ist, der allerdings mit einer Selbstanzeige begegnet werden könne.
Geschäftsfeld Compliance: In ihrem Branchen und Märkte-Teil stellt die FAZ (Corinna Budras) Compliance als das "die Augen aller Managing Partner großer Wirtschaftskanzleien zum Leuchten" bringende "Zauberwort" vor. Nicht zuletzt dieser Arbeitsbereich habe im vergangenen Jahr wiederum Rekordumsätze bewirkt, dagegen herrsche in Großkanzleien enormer Wettbewerbsdruck beim Nachwuchs. Noch ganz anders als den alteingesessenen Partnern sei den Junganwälten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig.
Das Letzte zum Schluss
Bitte lächeln: Im Jahr 1959 bauten Polizisten die erste deutsche Radarfalle auf. Spiegel.de (Marc von Lüpke) präsentiert in seiner Eines Tages-Rubrik besonders gelungene Aufnahmen aus 55 Jahren Verkehrskontrolle. Zu bewundern sind so zum Beispiel verschiedene Tiere, ein Hubschrauber, natürlich auch blankgezogene Hinterteile – und Helmut Kohl. Als Beifahrer.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Februar 2014: Fall Edathy wird zur Affäre – Für immer Familie? – Beklagter Obama . In: Legal Tribune Online, 14.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10998/ (abgerufen am: 01.07.2024 )
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