Diesmal steht der EuGH nicht im Schatten des BVerfG. Am Dienstag verhandelt das EU-Gericht über die Euro-Rettung. Außerdem in der Presseschau: die Remoralisierung des Strafrechts, bei Nacktbildern ist Bayern liberal, Helmut Kohl klagt weiter gegen Schwan-Buch, Analyse zum fliegenden Gerichtsstand - und warum der oberste Drogenfahnder von Kempten verhaftet wurde.
Thema des Tages
EuGH - Euro-Rettung: Am Dienstag verhandelt der Europäische Gerichtshof über die erste Vorlage des Bundesverfassungsgerichts an den EuGH. Es geht um mehrere Verfassungsbeschwerden gegen ein Programm der Europäischen Zentralbank, die Staatsanleihen aufkaufen will, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Das Bundesverfassungsgericht hält dieses so genannte OMT-Programm für unzulässig. Der EuGH muss nun entscheiden, ob das Programm mit den EU-Verträgen vereinbar ist. Die WamS (Sebastian Jost) interviewt Markus C. Kerber, einen der deutschen Beschwerdeführer. Er zweifelt, ob das EZB-Programm auch funktionieren würde, wenn die Ankäufe (wie vom BVerfG gefordert) in der Höhe beschränkt würden. Kerber nennt keine alternative Methode zur Stabilisierung der Währungsunion, denn er will sie ohnehin abwickeln.
Die FAS (Corinna Budras) skizziert das Verfahren als Richterduell zwischen den Präsidenten Andreas Voßkuhle (BVerfG) und Vassilios Skouris (EuGH).
Rechtspolitik
Maas und die Remoralisierung des Strafrechts: Der Spiegel (Melanie Amann) wirft Justizminister Heiko Maas vor, er betreibe eine Remoralisierung des Strafrechts und mache damit Entwicklungen der letzten Jahrzehnte rückgängig. Verwiesen wird auf Projekte an denen Maas mehr oder weniger beteiligt ist: das geplante Verbot von Nacktbildern, die Beibehaltung des Inzestverbots, Strafschärfung für Hassverbrechen, Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten, Schließung von Strafbarkeitslücken bei der Vergewaltigung.
Nacktbilder und ehrenrührige Fotos: Am heutigen Montag findet im Rechtsausschuss des Bundestags eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung statt, mit dem vor allem das Sexualstrafrecht geändert werden soll. Die Montags-taz (Christian Rath) beschäftigt sich ausschließlich mit der geplanten Verschärfung von § 201a des Strafgesetzbuches, mit der unbefugte Nacktbilder und ehrenrührige Fotos bestraft werden sollen. Ein bayerischer Gesetzentwurf gehe deutlich weniger weit und sei damit rechtsstaatlicher.
Beratungsprotokolle:Die FAS (Christian Seidenbiedel) berichtet über Pläne von Justizminister Maas, die Beratungsprotokolle in Banken zu reformieren. Sie sollen künftig möglicherweise weniger umfangreich sein und Profis sollen darauf verzichten können. Am 11. November plant das Ministerium ein Symposium zur Vorbereitung der Reform.
Suizidhilfe: Der Bundestag will am 13. November eine erste Orientierungsdebatte zu der geplanten Reform führen, meldet die Samstags-SZ. Die Montags-taz (Heike Haarhoff) stellt einen neuen Antrag der Grünen-Abgeordneten Harald Terpe und Elisabeth Scharfenberg vor. Sie wollen die "geschäftsmäßige" Suizidhilfe durch Vereine oder Einzelpersonen strafrechtlich verbieten. Nahestehende Personen sollen aber straflos bleiben. Ärzte sollen im Fall einer Suizidhilfe nur straffrei bleiben, wenn sie den Patienten bereits lange behandelten.
Dschihadismus: Heribert Prantl (Samstags-SZ) überlegt im Leitartikel, wie auf den deutschen Dschihadismus reagiert werden soll. Das Strafrecht sei schon scharf genug, es gebe aber Vollzugsdefizite: "Gewaltaufrufe müssen besser observiert und bestraft werden." Ansonsten brauche man Präventionsnetze, der Islam müsse dabei als Partner gesehen werden, er sei Teil der Lösung.
TTIP:Neben der Bundesregierung setzen sich auch mehrere andere Regierungen für den Verzicht auf Investitionsschutzklauseln im Freihandelsabkommen TTIP ein, meldet der Spiegel.
Flüchtlinge: Zu den EU-Diskussionen um die Verteilung von Flüchtlingen bemerkt Heribert Prantl (Montags-SZ): Die Dublin-Regeln des EU-Flüchtlingsrechts seien "ein elendes Pontius-Pilatus-Recht: Jeder Staat wäscht seine Hände in Unschuld – und die EU reicht die Handtücher."
Justiz
Helmut Kohl gegen Heribert Schwan: Die Anwälte von Helmut Kohl haben angekündigt, dass sie nun gegen 115 konkrete Stellen im Buch "Vermächtnis - die Kohl-Protokolle" von Heribert Schwan Unterlassungsklage erheben werden. Das meldet der Focus (Margarete van Ackeren u.a. - focus.de-Zusammenfassung).
Vorige Woche waren die Anwälte mit dem Versuch gescheitert, die Auslieferung des Buches zu stoppen. Weil das Oberlandesgericht Köln Aussichtslosigkeit signalisierte, nahmen Kohls Anwälte die Beschwerde zurück. taz.de (Christian Rath) schildert den Prozessverlauf. Die möglichen Anspruchsgrundlagen Kohls mustert Anwalt Markus Kompa auf lto.de.
Fliegender Gerichtsstaand: Der Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Barbara Schmid) schildert das Phänomen des "fliegenden Gerichtsstands" im Presserecht: Der Kläger kann im Verbreitungsgebiet des Mediums das Gericht frei wählen. Neben Hamburg und Berlin sei Köln bei Klägern zunehmend beliebt, weil man schnell ein Verbot bekomme. Kläger könnten "Rechtsprechungsgefälle" ausnutzen. Der Vorteil sei die Spezialisierung einiger weniger Gerichte. Eine Spezialisierung könnte allerdings auch durch die Einrichtung von speziellen Spruchkörpern pro OLG-Bezirk erreicht werden.
OLG Hamm zu Samenspende: Ein Samenspender kann von der Mutter, die das Kind ausgetragen hat, Fotos und andere Informationen über das Kind verlangen, berichtet spiegel.de. Das stehe ihm als leiblichem Vater zu, solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist.
LG München I verurteilt jungreichen Vergewaltiger: Das Landgericht München I hat einen zur Tatzeit 18-jährigen Vergewaltiger zu Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, berichtet die Samstags-SZ (Christian Rost). Bei der Verhaftung wollte der Täter mit einem Polizisten um 20.000 Euro wetten, dass er nicht verurteilt werde, "reiche Leute können sich Urteile kaufen", war sein Argument.
BGH - Richterbedrohung: Cihan A. wurde im Februar vom Landgericht Verden wegen der Beteiligung an einer tödlichen Prügelattacke zu fünf Jahren und neun Monaten Jugendhaft verurteilt. In ihrer Revision zum Bundesgerichtshof machen A.s Anwälte geltend, sie hätten erst nach der Urteilsverkündung erfahren, dass Neonazis den Richter bedroht hatten und von ihm ein hartes Urteil forderten. Die Verteidiger monieren, dass ihnen diese Information vorenthalten wurde und sie deshalb keinen Befangenheitsantrag stellen konnten, berichtet spiegel.de (Benjamin Schulz/Hendrik Ternieden).
OLG München - Zeugenbedrohung: Am Freitag beginnt am Oberlandesgericht München der Prozess gegen zwei ehemalige hochrangige kroatische Geheimdienstler, die die Ermordung eines Dissidenten im Jahr 1983 angeordnet haben sollen. Der Focus (Josef Huffelschulte) meldet, dass wichtige Zeugen in Kroatien bedroht werden oder für dement erklärt werden sollen.
OLG Frankfurt/M. - IS-Mitgliedschaft: Der Angeklagte Kreshniq B. hat durch eine Erklärung seines Verteidigers gestanden, Mitglied der Terrormiliz IS gewesen zu sein und für diese in Syrien an Kampfeinsätzen teilgenommen zu haben. Damit muss der 20-Jährige am Oberlandesgericht Frankfurt nur noch mit einer milden Strafe rechnen, analysieren die Samstags-SZ (Susanne Höll) und die Samstags-taz (Sabine am Orde).
LG Potsdam - gefälschte Medikamente: Die Montags-SZ (Anna Günther) schildert einen bereits seit Januar laufenden Prozess am Landgericht Potsdam. Angeklagt sind die Betreiber eines illegalen Online-Shops, der gefälschte Potenzmittel verkaufte. Das Urteil wird für Dezember erwartet.
Studienplatz-Klagen: Die FAS (Corinna Budras) schildert, wie sich Studenten, vor allem in medizinischen Fächen in die raren Studienplätze einklagen können. Sie müssen dabei beweisen, dass die Uni ihre Kapazität falsch berechnet hat. Beschrieben wird auch das Kostenrisiko.
AG Lichtenfels - rechter Richter: Am bayerischen Amtsgericht Lichtenfels arbeitet seit einem Jahr ein Richter, der ein rechtsextremistisches Vorleben hat. Maik B. stammt aus Brandenburg und war dort u.a. Kopf der Band "Hassgesänge". Das Justizministerium will ihn nun zu den Vorwürfen anhören, meldet spiegel.de.
Eberhard Kempf: Die FAS (Corinna Budras) portraitiert den Anwalt Eberhard Kempf, der früher Kommunist war und heute Manager vertritt. "Ich will für mich in Anspruch nehmen, es sei eine mehr oder weniger konsistente Entwicklung und kein Bruch", sagt Kempf.
Nachkriegs-Justiz: Die ARD strahlt an diesem Montag um 23.30 Uhr die Dokumentation "Das Versagen der Nachkriegs-Justiz" aus. Es geht um die eher unwillige Aufarbeitung von NS-Verbrechen und die nur oberflächliche Entnazifizierung der Justiz. Auf die Sendung weisen die Montags-FAZ (Lena Bopp) und die Montags-SZ (Willy Winkler) hin. Sie sei wichtig, enthalt jedoch kaum Neuigkeiten.
Recht in der Welt
USA - beschlagnahmtes Geld: spiegel.de beschreibt, wie die US-Polizei sich mit Hilfe von beschlagnahmtem Geld teure Ausrüstungsgegenstände kauft. Grundlage sei das Federal Civil Forfeiture Law, das Beschlagnahmungen schon beim Verdacht erlaubt, dass das Geld aus kriminellen Geschäften stammt. Der Betroffene muss dann beweisen, dass das Geld legal erlangt wurde.
Sonstiges
Reproduktionsmedizin: Die Samstags-SZ (Christina Berndt) gibt einen Überblick über die faktische Lockerung des Embryonenschutzgesetzes in den letzten Jahren. Heute gelten die Präimplementationsdiagnostik und die Embryonenspende nicht mehr als verboten, auch könnten einer Frau mehr als drei Embryonen eingepflanzt werden. Weiterhin verboten seien aber die Eizellspende und die Leihmutterschaft. Bei der Liberalisierung habe die Kieler Professorin Monika Frommel mit ihren Gutachten eine wichtige Rolle gespielt.
Kinderrechte: In der Samstags-FAZ (Reinhard Müller) wird beschrieben, wie das Grundgesetz und vor allem die Kinderrechtskonvention Kinderrechte schützen. Anlass ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an zwei Kinderrechtler.
Unrechtsstaat: Die Montags-Welt (Matthias Heine) zeichnet die Geschichte des Begriffs "Unrechtsstaat" nach, der keineswegs erst im Zusammenhang mit der DDR aufgekommen sei. Vielmehr sei er 1853 von einem preußischen Abgeordneten im Zusammenhang mit der drohenden Diskriminierung von Katholiken benutzt worden.
Kriminalitätsentwicklung: blog.beck.de (Henning-Ernst Müller) schätzt anhand wissenschaftlicher Daten, dass die Zahl der Straftaten in Deutschland in den letzten 20 Jahren um 40 Prozent zurückging. Die Zahl der Verurteilten liege unabhängig von der Zahl polizeilicher Ermittlungen immer unter einem Prozent der Bevölkerung.
Google-Suchlisten: Der Spiegel (Melanie Amann) schildert, wie Google Kriterien zur Umsetzung des EuGH-Urteils zum Recht auf Vergessenwerden entwickeln muss. Von außen seien die Kriterien bisher nicht erkennbar. In dem von Google berufenen Beirat gebe es Befürworter und Gegner dieser Rechtsprechung.
Rocker-Tattoos: Rocker dürfen Kennzeichen von verbotenen Clubs nur dann sichtbar als Tattoo tragen, wenn der Tätowierer künstlerisch tätig geworden ist. Wurde das Tattoo lediglich vom Original kopiert, ist keine Berufung auf die Kunstfreiheit möglich, analysiert der Vereinsrechtler Florian Albrecht auf lto.de.
Verfassungsschutz: Vierzig Verfassungsschützer haben mit falschen Bärten und Perücken an einer Fernsehdokumentation mitgewirkt, die an diesem Montag (22 Uhr) im WDR-Fernsehen und am Mittwoch (20.15) im SWR ausgestrahlt wird. Die Sendung bringe interessante Einblick, aber keine Antworten zum NSU-Versagen, rezensieren die Montags-SZ (Hans Leyendecker), die Montags-taz (Christian Rath) und internet-law.de (Thomas Stadler) recht übereinstimmend.
Das Letzte zum Schluss
StA Kempten - Kokain und Vergewaltigung: Die Staatsanwaltschaft Kempten hat Anklage gegen den Polizisten Armin N. erhoben. Er soll Kokain konsumiert und seine Frau vergewaltigt haben. Beruflich war er laut spiegel.de Chef des Rauschgiftdezernats bei der Polizei in Kempten.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. Oktober 2014: EuGH verhandelt über BVerfG-Vorlage – Bayern ist liberaler als Maas – Kohl gibt nicht auf . In: Legal Tribune Online, 13.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13459/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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