Die juristische Presseschau vom 13. September 2013: 100 Tage Überwachungsskandal – Kita-Platz – Stadion ohne Polizei

13.09.2013

Justiz

EuGH – Leerverkäufe: Die Klage Großbritanniens vor dem Europäischen Gerichtshof gegen eine europäische Verordnung, nach der die Behörde für Börsenaufsicht (ESMA) zum Verbot sogenannter Leerverkäufe ermächtigt wird, steht nach Darstellung der FAZ (Joachim Jahn) vor einem Erfolg. Der zuständige Generalanwalt hätte dargelegt, dass die von Rat und Parlament für die Verordnung herangezogene Rechtsgrundlage überdehnt worden sei, weil die ESMA zu letztverbindlichen Entscheidungen ohne Einspruchsrecht nationaler Aufsichtsbehörden ermächtigt worden sei. Dem Votum des Generalanwalts folge das Gericht üblicherweise.

BVerwG zur Erstattung von Kinderbetreuungskosten: Eltern können die Kosten einer selbst organisierten Kinderbetreuung von der zuständigen Kommune zurückfordern, wenn die Kommune zuvor auf einen zeitlich drängenden Bedarf hingewiesen wurde. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht in entsprechender Anwendung einer Vorschrift aus dem SGB VIII nach Bericht der taz (Christian Rath) im Fall einer Mutter aus Rheinland-Pfalz, wo seit 2008 ein landesrechtlicher Anspruch auf einen Kita-Platz besteht. Die nun entwickelten Grundsätze seien wegen des seit August bundesweit geltenden Anspruches auf einen Kita-Platz übertragbar. Auch die FAZ (Friedrich Schmidt/Corinna Budras) berichtet.

BVerwG zu Rückfallvermögen: Das Land Berlin hat nach Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Anspruch auf Übertragung sogenannten Rückfallvermögens gegen den Bund. Dies betrifft Liegenschaften, die vor 1945 vom damaligen Staat Preußen dem Deutschen Reich übertragen wurden und während der Teilung der Stadt wegen alliierter Vorbehaltsrechte nicht rückübertragen werden konnten, schreibt die FAZ (Mechthild Küpper). Eine ab dem 3. Oktober 1990 laufende einjährige Frist zur Anmeldung der Ansprüche sei von den damaligen rot-grünen und schwarz-roten Senaten des Stadtstaates versäumt worden.

BVerwG zu Burkinis: Das "Burkini"-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mittwoch wird nun auch von lto.de ausführlich dargestellt. Das Leipziger Gericht entschied, dass eine muslimische Schülerin keinen Anspruch auf Befreiung vom gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht hätte, wenn sie an diesem in einem den ganzen Körper verhüllenden Badeanzug, dem sogenannten Burkini, teilnehmen könne.

Die SZ behandelt das Urteil als ganzseitiges Thema des Tages. Ein Beitrag (Johan Schloemann) befasst sich mit dem Sinn des Grundrechts der Religionsfreiheit und dessen Verhältnis zu einem pluralistischen Gemeinwesen. Ein weiterer Artikel (Stefan Ulrich) erklärt Hintergründe und Auswirkungen des 2010 in Frankreich beschlossenen Burka-Verbots. Ein dritter Beitrag (Oliver Hollenstein) schließlich berichtet über die durchaus geteilten Reaktionen muslimischer Gemeinden und Verbände auf das Urteil. Tanjev Schultz (SZ) kommentiert das Urteil als "richtig", da es die Religionsfreiheit "auf ihr richtiges Maß" bringe. Ein Gericht könne jedoch nur den rechtlichen Rahmen eines toleranten Miteinanders klären, die "Idee der Toleranz" beinhalte darüber hinaus auch das Gewährenlassen von Andersartigkeit und Unterschieden. Dementsprechend müsse Schülern auch der Anblick einer Kopftuch tragenden Lehrerin zumutbar sein.

BVerwG zu "Krabat"-Film: Eine weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur teilweisen Befreiung vom Schulunterricht aus religiösen Gründen kritisiert Rechtsanwalt Thomas Langer auf lto.de. Die letztinstanzliche Ablehnung eines Antrags auf Nicht-Teilnahme an einer Vorführung der Literaturverfilmung "Krabat" hält Langer für "im Ergebnis wenig überzeugend und in der Begründung nicht tragfähig." Denn der mit der Sache befasste Senat hätte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten einer "weit gefassten Interpretation der Schulpflicht" den gebotenen Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsrechtspositionen im Sinne praktischer Konkordanz unterlassen.

BGH zu Dokumentationspflichten bei Deal: Rechtsanwalt Detlef Burhoff (strafrecht.jurion.de) berichtet über ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli, mit der das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verständigung im Strafverfahren vom März umgesetzt hat. Nach dem jetzigen Richterspruch hält ein bloßer protokollarischer Hinweis auf das Stattfinden einer Verständigung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

BayVGH zu Kampfhundesteuern: Gemeinden dürfen mit erhöhten Steuern die Haltung gefährlicher Hunderassen zurückdrängen, die Steuer dürfe jedoch nicht darauf angelegt sein, durch ihre "erdrosselnde Wirkung" die Haltung derartiger Hunde praktisch unmöglich zu machen. Dies entschied nach Meldung der SZ (Wolfgang Janisch) der bayerische Verwaltungsgerichtshof auf Klage eines Ehepaars, dass für die von ihm gehaltene Rottweilerhündin 2.000 Euro bezahlen sollte, wohingegen die Haltung gewöhnlicher Hunde örtlich mit 75 Euro pro Jahr besteuert worden sei.

ArbG Eberswalde zu sittenwidrigen Löhnen: Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Eberswalde sind Stundenlöhne unter drei Euro für Pizzaboten sittenwidrig. Das beklagte Unternehmen müsse daher rund 11.000 Euro Aufstockungsleistungen für geringfügig Beschäftigte an das klagende Jobcenter zurückzahlen, schreibt die Welt (Stefan von Borstel) und berichtet über weitere krasse Fälle von Lohndumping speziell in Ostdeutschland.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. September 2013: 100 Tage Überwachungsskandal – Kita-Platz – Stadion ohne Polizei . In: Legal Tribune Online, 13.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9550/ (abgerufen am: 02.07.2024 )

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