Oscar Pistorius wurde vom Vorwurf des Mordes und vorsätzlichen Totschlags freigesprochen. Das endgültige Urteil ergeht erst heute. Außerdem in der Presseschau: erste Vorschläge der Bundestagskommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, EuGH erlaubt Bücher-Digitalisierung, Fahrverbot für Uber-Fahrer und warum eine Frau in Sydney einen Bombenkoffer als Entschädigung bekam.
Thema des Tages
Urteilsverkündung im Pistorius-Prozess: Das Oberste Gericht in Pretoria (Südafrika) hat in der Urteilsverkündung am Donnerstag eine Verurteilung des Paralympics-Sportlers Oscar Pistorius wegen Mordes und vorsätzlichen Totschlags ausgeschlossen. Das endgültige Urteil und die Entscheidung, ob er wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen sei, wurde auf den heutigen Freitag verlegt.
Die SZ (Ronen Steinke), die Welt (Christian Putsch), die FAZ (Claudia Bröll) und spiegel.de (Bartholomäus Grill/Gesa Mayr) fassen die Begründung der Richterin zusammen und gehen noch einmal auf den Prozessverlauf ein. Pistorius habe im Prozess eingestanden in der Tatnacht viermal auf die Badetür in seinem Haus geschossen zu haben, hinter der sich seine Freundin Reeva Steenkamp befunden hatte. Ob er sie dabei töten wollte oder, wie er geltend machte, für einen Einbrecher hielt und in Notwehr handelte, musste das Gericht in insgesamt 41 Verhandlungstagen klären. Wegen der Beweislage habe die Richterin nun die Version der Staatsanwaltschaft, Pistorius habe seine Freundin im Beziehungsstreit vorsätzlich erschossen, abgelehnt. Es habe zwar nicht vorsätzlich gehandelt, aber genügend Zeit für eine vernünftige Entscheidung gehabt. Die Ausführungen ließen damit auf eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung schließen.
Die FAZ (Thomas Scheen) porträtiert die 66-jährige Richterin, die sich in den 70er-Jahren gegen die Apartheid eingesetzt hatte und später von Nelson Mandela zur Richterin berufen wurde.
Rechtspolitik
Strafrecht: lto.de (Pia Lorenz) führt ein Interview mit Strafrechtsprofessorin Tatjana Hörnle zu ihrem Rechtsgutachten "Kultur, Religion, Strafrecht", das die Wissenschaftlerin für den Deutschen Juristentag erstellt hat. Thema des Interviews sind unter anderem die umstrittenen Streitschlichter innerhalb muslimischer Gemeinschaften. Diese seien wegen ihrer systematischen Form rechtsstaatlich problematisch und ihre Anerkennung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs abzulehnen. Sie spricht sich ferner gegen die Berücksichtigung des kulturellen Hintergrunds beim Strafmaß aus und befürwortet eine umfassende Reform der Tötungsdelikte.
Sexualstrafrecht: Wie die taz (Heide Oestreich) erläutert, lässt Justizminister Heiko Maas (SPD) entgegen seiner früheren Aussagen nun doch prüfen, ob die Straftatbestand der sexuellen Nötigung der Istanbul-Konvention genüge, die Deutschland ratifiziert habe. Diese fordere die Strafbarkeit sämtlicher nicht einverständlicher sexueller Handlungen, während nach deutscher Rechtslage ein bloßes "Nein" nicht reiche. Eine Verschärfung im Rahmen der anstehenden Reform zum Sexualstrafrecht sei aber nicht zu erwarten.
Auslandseinsätze der Bundeswehr: Am gestrigen Donnerstag fand eine Sachverständigenanhörung der Kommission "Parlamentsrechte bei Bundeswehreinsätzen" zur Frage der militärischen Bündnisintegration und deren Auswirkung auf die Parlamentsbeteiligung statt. Wie die FAZ (Johannes Leithäuser) zusammenfasst, hat der Kommissionsvorsitzende und ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe eine jährliche Berichtspflicht der Bundesregierung und ein Rückholrecht des Bundestages als ersten Lösungsansatz vorgeschlagen. Dagegen sähen viele Politikwissenschaftler die Erarbeitung eines sicherheitspolitischen Konsenses im Zusammenhang mit der militärischen Integration als drängender an.
Schuldenbremse: Nach Darstellungen der SZ (Guido Bohsem) will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die für 2020 geplante Schuldenbremse für die Bundesländer lockern. Die Länder sollen über den Zeitpunkt hinaus einen Teil des für den Bund vorgesehenen Kreditfinanzierungsspielraums in Höhe von 0,15 Prozent des Bundesinlandsprodukts nutzen können. Im Gegenzug will der Minister den Stabilitätsrat zu einer Kontrollbehörde mit Sanktionsrechten umbauen.
Steuerhinterziehung: Das Handelsblatt (Donata Riedel) stellt die geplante Verschärfung der Voraussetzungen zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung und die Kritik von Großunternehmen an der Reform vor. Der vorgesehene Ausschluss der Straffreiheit bei Erscheinen eines Steuerprüfers im Unternehmen würde dazu führen, dass die Möglichkeit der Selbstanzeige für Großunternehmen gänzlich ausscheiden würde. Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit dem Finanzamt hätten diese eine freiwillige Dauerbetriebsprüfung eingeführt und würden den Ausschlussgrund somit immer erfüllen.
Justiz
EuGH zu digitalisierten Büchern: Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag entschieden, dass Bibliotheken ihren Bücherbestand digitalisieren und in elektronischer Form bereitstellen dürfen, berichtet netzpolitik.org (Leonhard Dobusch). Die Bibliothek der TU Darmstadt hatte ein Buch des Verlages Eugen Ulmer ohne dessen Zustimmung selbst digitalisiert und auf elektronischen Leseplätzen zur Verfügung gestellt, wogegen der Verlag bis zum Bundesgerichtshof klagte. Rechtsprofessor André Niedostadek fasst die Rechtsfragen und die Entscheidung des EuGH auf lto.de zusammen. Nach Ansicht des Gerichts verstoße die deutsche Ausnahmeregelung des § 52b Urheberrechtsgesetzes für Bibliotheken und Archive nicht gegen das EU-Urheberrecht. Auch eine Bereitstellung eines USB-Anschlusses und einer Druckmöglichkeit sei grundsätzlich gegen eine entsprechende Entschädigung zulässig.
OLG München NSU: Laut der taz (Konrad Litschko) ist Beate Zschäpe weiterhin auf der Suche nach neuen Verteidigern. Der Rechtsanwalt Marc Jüdt habe einen Besuch bei der Angeklagten im NSU-Verfahren nun bestätigt. Allerdings sei noch ungewiss, ob ein weiterer Verteidiger zugelassen werde, ein Antrag sei beim Gericht bisher nicht eingegangen.
OLG Hamm zu Trunkenheitsfahrt: OLG Hamm hat in einem Fall von fahrlässiger Tötung bei einer Trunkenheitsfahrt entschieden, dass die Haftstrafe trotz mildernder Umstände nicht zur Bewährung auszusetzen ist, meldet lawblog.de (Udo Vetter). Zulasten des Angeklagten seien die hohe Promillezahl und die schweren Folgen für die Angehörigen zu berücksichtigen. Damit bestätigte das Gericht die vom Landgericht Bielefeld verhängte Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
LG Frankfurt zu Uber-Fahrer: Das Landgericht Frankfurt geht weiter gegen das Fahrvermittlungsunternehmen Uber vor. Per einstweiliger Verfügung hat es nun einem Fahrer untersagt, die Vermittlungen über den App-Dienst anzunehmen, ohne eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz zu besitzen. Bei Zuwiderhandlung sei ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro angedroht worden. Die FAZ (Britta Beeger), die SZ (Jan Willmroth) und spiegel.de (Stefan Schultz) berichten.
BayVerfGH zu Hoeneß-Anfrage: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am Donnerstag entschieden, dass die Auskunftsverweigerung der Landesregierung im Fall Hoeneß "verfassungsrechtlich noch vertretbar" sei, meldet die FR. Die Grünen hatten eine Anfrage gestellt, zu welchem Zeitpunkt den Behörden Hoeneß' Selbstanzeige zugegangen war. Das Gericht habe nun entschieden, dass das Steuergeheimnis und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Hoeneß das Fragerecht der Abgeordneten überwiege. Ob dies auch nach dem abgeschlossenen Strafverfahren gilt, habe das Gericht offengelassen.
Richter Frank Schreiber: Die FAZ (Reiner Burger) porträtiert den Richter des Staatschutzsenats am Oberlandesgericht Düsseldorf Frank Schreiber. Er führt seit diesem Montag den Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher des in Bonn vereitelten Bombenattentats auf den ProNRW-Vorsitzenden. Der Artikel zeichnet die Ausbildungs- und Berufslaufbahn des Richters nach und beschreibt seine Verhandlungsführung als ruhig und stoisch.
60 Jahre BSG: Zum 60-jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts in Kassel habe Bundespräsident Joachim Gauck auf der Jubiläumsveranstaltung das Gericht als einen bedeutenden Teil des demokratischen Gemeinwesens gewürdigt, meldet lto.de.
Recht in der Welt
EuGH zu Mastercard: Wie die FAZ (Joachim Jahn) darstellt, hat der Europäische Gerichtshof am Donnerstag die Entscheidung der EU-Kommission bestätigt, die 2007 das sogenannte Interbankenentgelt bei internationalen Zahlungen mit Mastercard untersagt hatte. Die Gebühren seien aber nicht grundsätzlich unzulässig, sondern wegen der damaligen Höhe von bis zu einem Prozent des Kaufpreises dem Aufwand nicht angemessen gewesen. Mastercard habe die Gebühren bereits nach der Kommissionsentscheidung auf 0,3 Prozent gesenkt.
EuGH zu Austrian-Tarifvertrag: Das Handelsblatt meldet, dass der Europäische Gerichtshof im Tarifstreit der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines den alten Tarifvertrag für anwendbar erklärt hat bis ein neuer geschlossen werde. Nach Übernahme der Tochtergesellschaft habe Lufthansa den teuren Austrian-Tarifvertrag gekündigt und den Flugbetrieb in die Tochterfirma Tyrolean ausgelagert, deren Tarifvertrag viel niedrigere Löhne vorsah. Diesen wiederum habe die Gewerkschaft gekündigt, wodurch der Streit um die Anwendbarkeit der Tarifverträge entbrannte.
Schottland – EU: Neil Walker, Professor für Öffentliches Recht in Edinburgh führt die Debatte um die Folgen der potenziellen Unabhängigkeit Schottlands für die EU-Mitgliedschaft mit einem Kommentar auf verfassungsblog.de fort. Er spricht sich für eine zurückhaltendere Rolle der EU in der Unabhängigkeitsdebatte aus und hebt das Subsidiaritätsprinzip und die Bedeutung der Unionsbürgerschaft hervor, die für eine unabhängigkeitsfreundlichere Perspektive sprächen.
Sonstiges
Fusionskontrolle: Auf blog.handelsblatt.com bespricht Rechtsanwalt Jens Steger die von der EU-Kommission gegen die Beteiligten einer Unternehmensfusion verhängte Geldbuße in Höhe von 20 Millionen Euro. Sie hätten gegen das Vollzugsverbot der Europäischen Fusionskontrollverordnung verstoßen.
NSA-Ausschuss: zeit.de (Kai Biermann), die Welt (Konstantin von Notz) und die SZ (Thorsten Denkler) berichten über die nichtöffentliche Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses vom gestrigen Donnerstag. Der als Gast geladene Klaus-Dieter Fritsche habe dem Ausschuss mitgeteilt, dass die am Five-Eyes-Verbund beteiligten Staaten die Herausgabe von Dokumenten im Einzelfall prüfen würden. Generalbundesanwalt Harald Range habe mit Obleuten des Ausschusses wegen des mutmaßlichen BND-Doppelspions Markus R. gesprochen. Linke und Grüne wollten zudem mithilfe des Bundesverfassungsgerichts eine Vernehmung von Edward Snowden erzwingen.
Fehlerhaften Immobilienkredite: Wegen der Folgen der fehlenden Widerrufsbelehrung sei es in letzter Zeit zu einer regelrechten Widerrufswelle von Immobilienkrediten gekommen, berichtet die SZ (Berrit Gräber). Damit würden die Kreditnehmer die Banken zu einer Umstellung auf den derzeitig niedrigen Zins zu bewegen versuchen. Diese wehren sich mittlerweile aber gerichtlich gegen die Widerrufe.
Das Letzte zum Schluss
Bombenkoffer als Entschädigung: Ganz ohne Terrorabsicht hat eine Frau die Evakuierung einer Polizeistation in Australien mit einem Koffer voller Plastiksprengstoff ausgelöst. Diesen hatte sie zuvor am Flughafen Sydney als Ersatz für ihr beschädigtes Gepäckstück erhalten und zur Wache gebracht, als sie erkannte, was sich darin befand. Wie sich herausstellte, hatte die australische Bundespolizei den Koffer bei einer Übung mit Sprengstoff-Hunden am Flughafen vergessen, wo er einen Monat lang lag bis eine Fluggesellschaft ihn der Frau anbot, berichtet bild.de.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. September 2014: Urteilsverkündung im Pistorius-Prozess – LG Frankfurt zu Uber-Fahrer – EuGH zu digitalisierten Büchern . In: Legal Tribune Online, 12.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13165/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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