Der Richterbund fordert von Merkel mehr Einsatz für türkische Justiz. Außerdem in der Presseschau: De Maizières Anti-Terror-Ideen, LG Köln verhandelte über Mandatskauf und die Probleme app-gesteuerter Vibratoren.
Thema des Tages
Türkische Richter: Der Deutsche Richterbund hat einen Brief an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben und um Unterstützung für suspendierte und verhaftete türkische Richter gebeten. Bisher setze sich Deutschland nicht genügend für eine unabhängige türkische Justiz ein. Insbesondere die Mitglieder der unabhängigen türkischen Richtervereinigung Yarsav seien integer und für den Rechtsstaat engagiert. Es sei nicht nachzuvollziehen, wie man Yarsav und ihren Mitgliedern Sympathien für die Putschisten oder die Gülen-Bewegung vorwerfen könne. Auch die Neue Richtervereinigung unterhielt Beziehungen zu Yarsav, deren Mitglieder schon lange unter Druck stehen. Inzwischen gebe es Indizien, dass Yarsav aufgelöst sei, berichtet swr.de (Gigi Deppe).
Rechtspolitik
Anti-Terror-Maßnahmenkatalog: Innenminister Thomas de Maizière hat einen umfangreichen Katalog mit Vorschlägen zu Anti-Terror-Maßnahmen vorgestellt, der weniger radikal ist als die bisher bekannten Vorschläge der CDU/CSU-Landesinnenminister (Berliner Erklärung). Über die Pressekonferenz des Ministers berichtet die FAZ (Johannes Leithäuser). Einzelne Vorschläge werden näher vorgestellt von der SZ (Ronen Steinke) und der taz (Christian Rath). Vorschläge für den digitalen Raum analysieren zeit.de (Friedhelm Greis) und netzpolitik.de (Markus Reuter).
Burkaverbot: Die FAZ (Alexander Haneke) fragt, ob ein Burkaverbot rechtlich zulässig wäre. 2015 hatte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ergeben, dass ein Burkaverbot verfassungswidrig sei. Dagegen hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Burkaverbot in Frankreich nicht beanstandet.
Digitaler Hausfriedensbruch: netzpolitik.org (Anna Biselli) stellt einen hessischen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der "unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme" vor. Erfassen soll der Gesetzentwurf Distributed-Denial-of-Service-Angriffe, Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen sowie das Versenden von Spam, Betrug- und Ransomware durch Botnetze. Der Gesetzentwurf wird als überflüssig eingeschätzt, weil die §§ 202a, 202c und 303a Strafgesetzbuch keine Strafbarkeitslücken lassen. Stattdessen kriminalisiere der Vorschlag Alltagshandeln wie die unbefugte Nutzung des Laptops eines Freundes.
Justiz
LG Köln - Mandatskauf: Ein Kommunalmandat kann nicht an einen anderen, nicht gewählten Kandidaten verkauft werden. Ein solcher Deal verstoße gegen die guten Sitten, die vereinbarten Zahlungen könnten daher nicht eingeklagt werden. Darauf wies das Landgericht Köln hin, worauf der klagende Ratsherr der rechtsradikalen Partei Pro NRW seine Berufung gegen ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts Köln zurückzog, berichtet spiegel.de.
OLG Düsseldorf - Edeka/Tengelmann: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nun auch einen Tatbestandsberichtigungsantrag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Edeka-Eilentscheidung von Mitte Juli abgelehnt. Im Hauptsacheverfahren will das OLG am 16. November verhandeln. Der Tsp (Ursula Knapp) hält es für verwunderlich, dass das OLG in seiner Eil-Entscheidung von Mitte Juli kein Rechtsmittel zum BGH zugelassen hat, da es noch keine BGH-Rechtsprechung zur Ministererlaubnis gebe.
LG München - Anwaltsschelte: Auch Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert nun die Anwaltsschelte des Landgerichts München im Prozess um einen Messerstich auf dem Oktoberfest. Wenn das Gericht einen dringenden Tatverdacht (etwa auf versuchte Strafvereitelung) gehabt hätte, hätte es die Anwälte noch während des Verfahrens ausschließen müssen. Bei einem einfachen Tatverdacht gelte jedoch die Unschuldsvermutung. Heribert Prantl (SZ) hält es dagegen für verständlich, dass dem Gericht angesichts eines gekauften Zeugen "die Hutschnur platzt".
BVerfG zu Meinungsfreiheit: Martin W. Huff (lto.de) stellt sechs aktuelle stattgebende Kammer-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Meinungsfreiheit dar. Er kritisiert, dass das BVerfG in diesem Themenfeld versucht sei, "als Superrevisionsinstanz zu dienen und in eine Einzelfalljudikatur zu verfallen und damit auch einen Anreiz zu setzen, in allen Fällen, in denen man unter Umständen streiten könnte, erneut nach Karlsruhe zu ziehen".
EuGH - Apothekenpreise: Der Europäische Gerichtshof wird im September entscheiden, ob das Rabattverbot für Apothekenpreise auch für grenzüberschreitende Versandapotheken gilt. Das Hbl (Peter Thelen) spekuliert, dass sich der EuGH dem Generalanwalt anschließen wird, der das Rabattverbot als Verstoß gegen EU-Recht einstufte. Dann werde alsbald auch der BGH das Rabattverbot für innerstaatliche Versandapotheken kippen. Darauf könne der Gesetzgeber nur mit einem generellen Verbot für den Versand rezeptpflichtiger Medikamente antworten.
Recht in der Welt
Polen - Verfassungsgericht: Das polnische Verfassungsgericht hat auch das zweite Gesetz zur Einschränkung des Verfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. Die polnische Regierungspartei hat das Urteil aber bereits als "private" Äußerung der Richter abgetan, berichtet mdr.de.
USA - Twitter: Ein US-Gericht in San Francisco hat eine Klage gegen den Kurznachrichtendienst Twitter abgelehnt, meldet zeit.de. Die Angehörigen von zwei Terroropfern wollten Twitter mitverantwortlich machen, weil IS-Kämpfer über Twitter kommunizieren durften. Das Gericht entschied jedoch, dass Twitter nicht als Herausgeber oder Sprachrohr der IS-Rhetorik angesehen werden könne.
Italien - Senatsreform: Der Rechtswissenschaftler Marco Goldoni stellt auf verfassungsblog.de in englischer Sprache den Kern der italienische Verfassungsreform vor, über die vermutlich im November per Referendum abgestimmt wird: Der Senat werde als zweite Kammer entmachtet, verkleinert und nicht mehr direkt gewählt. Dies solle zu mehr Stabilität führen - auf Kosten der Repräsentativität.
Japan - Verfassung: Der Doktorand Tomoaki Kurishima erläutert auf juwiss.de die Entstehungsgeschichte der von den USA 1946 aufgezwungenen japanischen Verfassung, die seither nicht geändert wurde. Praktisch habe sie keine Bedeutung, da das Oberste Gericht Fragen einer möglichen Abweichung als "zu politisch" nicht anfasse. So sehe die Verfassung ein Verbot von Streitkräften vor, tatsächlich habe Japan aber die achtgrößte Armee der Welt. Die Frage einer Verfassungsänderung sei deshalb vor allem ein ideologischer Wunsch von konservativen Politikern, die das Symbol der japanischen Niederlage im 2. Weltkrieg irgendwie ändern wollten.
Sonstiges
Strafvollzug: Die SZ (Heribert Prantl) schildert die Zersplitterung der deutschen Strafvollzugsgesetzgebung - eine Folge der Föderalismusreform von 2006. Zwar sei der befürchtete "Wettlauf der Schäbigkeit" ausgeblieben, aber die Tendenz der Landesgesetze sei überall eher an Sicherheit als an Resozialisierung orientiert, vor allem in Süddeutschland. Zum 1. September treten die letzten beiden Landesgesetze in Kraft, in Berlin und Schleswig-Holstein.
Fund im Bus: spiegel.de erläutert § 978 BGB. Danach bleibe eine von niemand reklamierte Fundsache im Besitz der öffentlichen Hand, wenn die Sache im öffentlichen Nahverkehr oder in einer Behörde gefunden wurde. Auch der Finderlohn ist geringer. Anlass ist ein Fall in Hamburg, bei dem eine Frau 20.000 Euro in einem Stadtbus gefunden hat und sich bisher kein Eigentümer meldete.
Das Letzte zum Schluss
Dildo ohne Datenschutz: Zwei neuseeländischen Computerexperten gelang es laut bild.de, die Kontrolle eines Dildos zu übernehmen, der per Bluetooth mit einer App auf dem Smartphone des Partners verbunden war und von diesem aus der Ferne gesteuert werden konnte. Dabei war es den Hackern auch möglich, den Datenfluss auszuwerten. Sie erfuhren so, wie oft der Dildo benutzt wird und welcher der zehn verfügbaren Vibrationsmodi am häufigsten zum Einsatz kommen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. August 2016: Unterstützung für türkische Richter / Mandatskauf gegen gute Sitten / Dildos ohne Datenschutz . In: Legal Tribune Online, 12.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20275/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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