Nicht nur Diamanten sind für die Ewigkeit – wenn es nach dem BGH geht auch die Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Eltern. Jedenfalls fast. Außerdem in der Presseschau: EZB unbeeindruckt von BVerfG, Neues zu Edathy-Ermittlungen, VG Berlin zu Alkoholverkauf an Minderjährige, Spanien schafft Weltrechtsprinzip ab – und können Stripper Künstler sein?
Thema des Tages
BGH zu Unterhaltspflicht: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Kinder ihren Eltern gegenüber auch dann noch unterhaltspflichtig sind, wenn diese den Kontakt einseitig abbrechen und die Kinder enterben. Auch in solchen Fällen sei der Unterhaltsanspruch nicht verwirkt; ein Kontaktabbruch gegenüber dem fast volljährigen Sohn stelle noch keine "schwere Verfehlung" dar. Anders hatte dies das Gericht 2004 bei einer Mutter gesehen, die ihr eineinhalbjähriges Kind bei dessen Großeltern zurückgelassen hatte. Es berichten FAZ (Reinhard Müller), taz (Christian Rath), FR (Ursula Knapp) und Welt (Midia Nuri).
Bei der SZ (Wolfgang Janisch) ist das Urteil "Thema des Tages". Die Zeitung betont, dass der Bundesgerichtshof im Grundsatz zwar streng, bei der Frage des "Wieviel" über Selbstbehaltsregelungen aber "großzügig" sei. Für lto.de stellt der Familienrechtler Herbert Grziwotz das Urteil vor.
Reinhard Müller (FAZ) hält fest, dass das Urteil daran erinnere, "dass Familie nicht irgendwie überall da ist, wo gerade Kinder sind", sondern "ein ewiges Band" sei. Mit Blick auf den Sozialstaat meint Müller, dass nur die "traditionelle Familie" in der Lage sei, die Kinder hervorzubringen, "ohne die das ganze System zusammenbricht". Heribert Prantl (SZ, erweiterte Online-Fassung) dagegen kritisiert, dass das Urteil "in die falsche Richtung" gehe. "Unantastbarer Kern des Rechts" sei allein die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren Kindern. Die der Kinder gegenüber ihren Eltern sei keine Stärkung der Familien, sondern diene allein der Entlastung des Sozialstaates. Auch Simone Schmollack (taz) kritisiert die "fatale, rein biologistische Argumentation" und dass das Urteil die "heute gelebte familiäre Vielfalt" wie "Patchworkfamilien, Mehrfachehen, unverheiratete Paare mit Kindern" unberücksichtigt lasse.
Justiz
EZB zur BVerfG-Vorlage: Die Europäische Zentralbank zeigt sich unbeeindruckt von der Vorlageentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Anleihekaufprogramm. Dieses hatte das Gericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, weil es das Programm für unvereinbar mit geltendem Europarecht gehalten hatte. Wie die FAZ (Philip Plickert/Joachim Jahn) berichtet, habe die Gerichtsentscheidung laut EZB-Direktorium "vorerst keine Auswirkungen". Ein beschleunigtes Verfahren habe das Bundesverfassungsgericht laut Europäischen Gerichtshof nicht beantragt.
StA Hannover – Edathy-Ermittlungen: Das niedersächsische Justizministerium hat von der Staatsanwalt Hannover Auskunft darüber verlangt, wie es bei der Durchsuchung der Wohnräume des Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (SPD) zu Pressefotografien kommen konnte. Das berichtet die FAZ (Peter Carstens); in einem weiteren Artikel erläutert Reinhard Müller die rechtlichen Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung. Die SZ (Jochen Becker/Tanjev Schultz/Marc Widmann) will recherchiert haben, dass sich Edathy bei einer kanadischen Firma Nacktaufnahmen von Jungen im Alter von acht bis 14 Jahren bestellt haben soll, deren Besitz in Deutschland aber nicht strafbar sei. Dies gehe auch ausdrücklich aus dem Durchsuchungsbeschluss hervor; für einen Anfangsverdacht habe das aber ausgereicht. Auch die Welt (Ulrich Clauss/Florian Flade) berichtet und Miriam Hollstein erklärt für die Zeitung in einem weiteren Artikel, was Kinderpornographie ist und wie sie bestraft wird. Gegenüber spiegel.de (Veit Medick) gab Edathy selbst an, dass ihm von der Staatsanwaltschaft "kein strafbares Verhalten" vorgeworfen werde und kritisierte die Durchsuchungen als "unverhältnismäßig".
Udo Vetter (lawblog.de) kritisiert, dass der Anfangsverdacht, der hier offenbar an ein legales Verhalten anknüpfe, "aufs äußerste strapaziert wird" und den Beschuldigten willkürlichen Entscheidungen der Ermittlungsbehörden aussetze.
LG Halle – Fremdenfeindliche Schläger: Die SZ (Annette Ramelsberger) bringt auf ihrer "Seite Drei" eine Reportage über einen Prozess vor dem Landgericht Halle. Angeklagt seien drei Männer, die im April 2012 eine aus Syrien stammende Familie überfallen und dabei einen jungen Mann ins Koma geprügelt haben sollen. Trotzdem hätte die Polizei zunächst keinen fremdenfeindlichen Hintergrund entdecken wollen – ein Umstand, für den sich der Staatsanwalt in seinem Plädoyer nun entschuldigt habe.
StA Duisburg – Love Parade: Die FAZ (Reiner Burger) berichtet am heutigen Donnerstag anlässlich der Pressekonferenz der Duisburger Staatsanwaltschaft noch einmal ausführlich über deren Anklageschrift zur Love Parade-Tragödie vor dreieinhalb Jahren. Die Staatsanwaltschaft habe sich gegen Vorwürfe verwahrt, dass "die Großen" geschont würden. Ihre Aufgabe sei eine strafrechtliche, keine moralische oder politische Bewertung. Knackpunkt der Anklage gegen Mitarbeiter des städtischen Bauamts und der Veranstaltungsfirma sei die Tatsache, dass die Veranstaltung nicht genehmigungsfähig und die Katastrophe unabwendbar gewesen sei – weswegen vor Ort tätigen Polizeibeamten und Sicherheitsdienstleistern kein Vorwurf gemacht werden könne. Auch die SZ (Bernd Dörries) und spiegel.de (Jörg Diehl) berichten umfassend, die taz (Andreas Wyputta) titelt "Die Kleinen hängt man".
Jasper von Altenbockum (FAZ) gibt zu, dass es schwer falle, die Katastrophe "mit dem kühlen Blick der Strafverfolgung zu sehen". Für die Anklage sei aber eben entscheidend, "wer auf wessen Anordnung welche Pflichten verletzt hat". Dabei dürfe man auch die "Macht im 'Unterbau' der Verwaltung" nicht unterschätzen; nichtsdestotrotz gelte auch hier die Unschuldsvermutung. Bernd Dörries (SZ) bedauert, dass diejenigen, die das Event "für ihr eigenes Ego, für ihren eigenen Geldbeutel" unbedingt gewollt hätten, nun nicht auf der Anklagebank sitzen – aber "drängeln, ein bisschen Druck ausüben ist leider kein Straftatbestand".
BVerfG zu Rechts- und Patentanwalts-GmbHs: Wie blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer) berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht berufsrechtliche Regelungen, die faktisch Rechtsanwalts- und Patentanwalts-GmbHs mit Doppelzulassung ausschlossen, für verfassungswidrig erklärt.
OVG Sachsen zu rechtsextremer Demo: Das Oberverwaltungsgericht Sachsen hat eine versammlungsrechtliche Auflage der Stadt Dresden gebilligt, die es Rechtsextremisten untersagt, am heutigen Donnerstag auf dem Dresdner Neumarkt vor der Frauenkirche zu demonstrieren. Begründet habe das Gericht die Entscheidung unter anderem mit einer anderen bereits angemeldeten, stillen Gedenkveranstaltung auf dem Platz, berichtet die FAZ.
VG Berlin zu Alkoholverkauf an Minderjährige: Wer Alkohol an Minderjährige verkauft, muss mit dem Entzug seiner Gewerbeerlaubnis wegen mangelnder Zuverlässigkeit rechnen. Das hat laut lto.de das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.
VG Stuttgart zu Sturz von Bierbank: Der Sturz von einer Bierbank kann ein Dienstunfall sein. Das hat laut spiegel.de das Verwaltungsgericht Stuttgart im Fall einer Lehrerin entschieden, die im Rahmen einer von ihr betreuten Klassenfahrt nach München bei einem Frühlingsfest von der Bierbank stürzte.
LAG Schleswig-Holstein zu Betriebsübergang: Auch bei ungenügender Belehrung kann ein Arbeitnehmer sechseinhalb Jahre nach Betriebsübergang diesem nicht mehr wirksam widersprechen. Aufgrund der langen Zeit sei das Widerspruchsrecht verwirkt, hat laut blog.beck.de (Christian Rolfs) das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.
Weniger Verurteilungen: Die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen ist 2012 gegenüber dem Vorjahr erneut zurückgegangen. Das meldet spiegel.de unter Berufung auf das Statistische Bundesamt.
Recht in der Welt
Russland – Umweltschützer verurteilt: Ein russisches Berufungsgericht hat die Verurteilung des Umweltaktivisten Jewgenij Witischenko zu drei Jahren Straflager bestätigt. Witischenko sei maßgeblich bei der "Ökologischen Wacht im Kaukasus" aktiv, die auch gegen die Olympischen Spiele in Sotschi protestiert hatte, berichtet die FAZ (Reinhard Veser). Die Verurteilung sei wegen des Verstoßes gegen Bewährungsauflagen erfolgt und stehe im Zusammenhang mit verschiedenen Repressionsmaßnahmen gegen Umwelt- und Bürgerrechtler im Zusammenhang mit den Spielen in Sotschi.
Spanien – Ende des Weltrechtsprinzips: Mit der Verabschiedung eines "Express-Gesetzes" hat die in Spanien regierende konservative Volkspartei den ersten Schritt getan, um der universalen Zuständigkeit der spanischen Justiz in Menschenrechtsfragen einen Riegel vorzuschieben. Anlass waren vier vom Nationalen Gerichtshof ausgestellte Haftbefehle gegen hochrangige chinesische Funktionäre, darunter Ex-Präsident Jiang Zemin, berichten FAZ (Leo Wiegand) und SZ (Thomas Urban/Ronen Steinke). In Kraft treten solle das Gesetz bereits im April.
Stefan Ulrich (SZ) beschreibt Vor- und Nachteile des "Weltrechtsprinzips" und seiner Anwendung durch einzelne Nationalstaaten – und gelangt zu dem Schluss, dass der "passende Ort" für solche Prozesse "auf Dauer" ohnehin Den Haag und der Internationale Strafgerichtshof sei.
Türkei – Verurteilung wegen Erdogan-Beleidigung: Weil sie Ministerpräsident Tayyip Erdogan als "Diener der Bosse" kritisiert hatten, müssen 17 Demonstranten wegen "Beleidigung des Ministerpräsidenten" zwei Jahre in Haft. Das berichtet focus.de unter Berufung auf die türkische Zeitung Hürriyet.
USA – Washington setzt Todesstrafe aus: Der Gouverneur des US-Bundesstaats Washington will die Todesstrafe aussetzen. Das meldet spiegel.de.
Sonstiges
Di Fabio-Interview: juwiss.de führt anlässlich der Assistententagung Öffentliches Recht ein kurzes Interview mit dem Gastredner und ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Udo Di Fabio. Gefragt wird nach den Herausforderungen, denen sich Staaten heute gegenübersehen, welchen Themen sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Öffentlichen Recht widmen sollten und ob es etwas gebe, worin sich die heutige Wissenschaftsgeneration von der seinigen grundlegend unterscheide.
Das Letzte zum Schluss
Striptease als Kunst? Eine Herausforderung für den Kunstbegriff – ob er wohl auch Striptease umfasst? In den Augen eines New Yorker Gerichts würde der Bogen damit überspannt. Was auch daran gelegen haben mag, dass es dem klagenden Hustler-Club wohl hauptsächlich um die Ausnutzung einer Steuerbefreiung für künstlerische Darbietungen gegangen sein dürfte. Die Nicht-Kunst kommt jetzt teuer – 2,1 Millionen US-Dollar Nachzahlung sind nun fällig, weiß die FAZ (Roland Lindner).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Februar 2014: Ewige Unterhaltspflicht – Neues zu Edathy-Ermittlungen – Strippen als Kunst? . In: Legal Tribune Online, 13.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10981/ (abgerufen am: 01.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag