Wegen der Querelen um Zschäpes Verteidigung wurde ihre Aussage verschoben. Außerdem in der Presseschau: Peter Gauweilers neue Verfassungsbeschwerde, EGMR zu Antisemitismus und Thomas Fischer zu politischem Strafrecht.
Thema des Tages
OLG München - Zschäpe-Verteidiger: Beate Zschäpe hat einen neuen, fünften Verteidiger: Hermann Borchert. Er arbeitet mit dem vierten Verteidiger Mathias Grasel in Bürogemeinschaft. Die drei Alt-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm beantragten ihre Entpflichtung. Sie könnten Zschäpe nicht mehr ordnungsgemäß verteidigen, wenn sie von Änderungen der Verteidigungsstrategie nicht rechtzeitig unterrichtet werden. Die Alt-Verteidiger griffen auch das Gericht an, weil dieses schon seit dem 29. Oktober von der geplanten Aussage Zschäpes unterrichtet sei und darüber sogar mit dem Noch-Nicht-Verteidiger Borchert sprach, ohne die Altverteidiger zu informieren. Die Anwälte des Mitangeklagten Wohlleben nutzten den Konflikt, um einen neuen Befangenheitsantrag gegen den Senat zu stellen. Wohlleben müsse befürchten, dass der Senat auch ihm gegenüber unfair handeln werde. Es berichten die SZ (Tanjev Schultz), die FAZ (Katrin Truscheit - faz.net-Fassung), die taz (Konrad Litschko) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Annette Ramelsberger (SZ) hofft, dass Zschäpe noch aussagen kann, bevor der Prozess platzt.
OLG München - Zschäpe-Aussage: Da der Prozess bis kommenden Dienstag unterbrochen wurde, kann Zschäpe nicht wie geplant am heutigen Mittwoch aussagen. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) spekuliert, welchen Inhalt Zschäpes Aussage haben könnte. Die taz (Christian Rath) beschreibt, an welchen Punkten eine Aussage Zschäpes ihre prozessuale Position verbessern könnte.
OLG München - Medienöffentlichkeit: Trotz des zu erwartenden Medienandrangs bei Zschäpes Aussage, lehnt das OLG nach wie vor die Übertragung in einen Nebenraum ab. Justizminister Maas hat einen Gesetzentwurf, der dies ausdrücklich legalisieren würde, bisher nur angekündigt, meldet die taz (Christian Rath).
Rechtspolitik
Dublin-Verfahren: Innenminister de Maizière hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schon am 21. Oktober angewiesen, bei syrischen Antragstellern wieder zu prüfen, ob ein anderer Staat nach der Dublin-III-Verordnung für das Asylverfahren zuständig ist. Zurückweisungen an der Grenze seien nicht geplant. Es berichten die SZ (Roland Preuss/Christoph Hickmann) und spiegel.de. Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Wiederanwendung der Dublin-Regeln, glaubt aber, dass dies keine großen praktischen Folgen haben werde.
Subsidiärer Schutz: Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert den Vorstoß von Innenminister de Maiziere, syrische Antragsteller nicht mehr pauschal als verfolgte Flüchtlinge anzuerkennen, sondern im Einzelfall zu prüfen, ob nur subsidiärer Schutz vor dem Bürgerkrieg gewährt werden muss. Die sei "mit Blick auf den entstehenden Verwaltungsaufwand kontraproduktiv". Am Ende würden die syrischen Flüchtlinge in der Regel doch den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention erhalten.
Vorratsdatenspeicherung: Die Bundesrechtsanwaltskammer hat Bundespräsident Gauck aufgefordert, das Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung nicht zu unterzeichnen, meldet lto.de. Das Gesetz sei verfassungswidrig, weil auch die Daten von Anwälten anlasslos gespeichert werden.
Forensische Psychiatrie: Der Anwalt Helmut Pollähne kritisiert auf lto.de den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Unterbringung von Straftätern in der Psychiatrie. Der Entwurf werde die Situation kaum verbessern. Teilweise werde nur der Stand der Rechtsprechung kodifiziert. Andere Vorgaben seien zu unbestimmt.
"Made in Germany"-Marke: Der Rechtswissenschaftler Hermann Dück schlägt auf lto.de den Erlass einer Verordnung nach § 137 Markengesetz vor, mit der die Qualität und die dafür maßgeblichen Umstände für die geografische Herkunftsbezeichnung "Made in Germany" geregelt würden. Die technischen Details sollten einem nach Branchen untergliederten Verein der deutschen Wirtschaft überlassen werden.
Arbeitsrecht und Industrie 4.0: Der Anwalt Jens Günther nimmt in der FAZ das "Grünbuch Arbeiten 4.0" des Bundesarbeitsministeriums zum Anlass, aufzuzeigen, dass das derzeitige Arbeitsrecht nicht mit der neuen digitalisierten Wirtschaft vereinbar ist. "Langwierige Abstimmungsprozesse zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat bei technischen Anpassungen können die durch den digitalen Wandel gewonnene Flexibilität untergraben."
Justiz
BVerfG - EZB: Der Anwalt und Ex-Abgeordnete Peter Gauweiler hat eine neue Verfassungsbeschwerde gegen die Europäische Zentralbank eingereicht, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Diesmal geht es gegen das seit März laufende Anleihekauf-Programm "Quantitative Easing". Die EZB habe dabei ihr geldpolitisches Mandat verletzt und gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen.
BVerfG - Cockpit-Streik: Der Pilotenverband Cockpit hat eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Eilentscheidung des hessischen Landesarbeitsgerichts vom September eingelegt, meldet spiegel.de. Das Gericht hatte Cockpit einen Streik gegen die Lufthansa verboten und dabei andere Streikziele als die offiziell genannten unterstellt.
Arbeitsgerichte zu UFO-Streik: Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat der Flugbegleiter-Organisation UFO für den gestrigen Dienstag verboten, in Düsseldorf gegen die Lufthansa zu streiken, da die Streikziele nicht ausreichend formuliert seien. Es berichtet unter anderem blog.beck.de (Markus Stoffels). Dagegen entschied das Arbeitsgericht Darmstadt, dass die Streikziele bestimmt genug seien und erlaubte den UFO-Streik in Frankfurt und München, so focus.de.
EuG im beschleunigten Verfahren: Das Europäische Gericht erster Instanz hat zum ersten Mal die neue Option in seiner Verfahrensordnung genutzt, von Amts wegen im beschleunigten Verfahren zu verhandeln, meldet lto.de. Konkret ging es um eine letztlich erfolglose Klage gegen die Vergabe eines Auftrags durch das Europäische Parlament.
BAG zu Leiharbeitern und Schwellenwerten: Der Anwalt Alexander Bissels greift auf lto.de nun auch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von Anfang November auf. Danach sind Leiharbeiter mitzuzählen, wenn es um die Betriebsgröße und das daraus folgende Wahlverfahren für Aufsichtsräte geht. Bissels hält es für falsch im Mitbestimmungsrecht Leiharbeiter mitzuzählen, weil diese ja eigentlich einen anderen Arbeitgeber haben.
LG Stuttgart - SMS am Steuer: Am Landgericht Stuttgart hat die Verhandlung gegen eine zur Tatzeit 19-jährige Autofahrerin begonnen, die auf einer geraden Landstraße zwei Fahrradfahrer anfuhr und dann Fahrerflucht beging. Einer der Radfahrer starb. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, dass sie durch das Tippen von Kurznachrichten abgelenkt war und hat sie wegen versuchten Mordes durch Unterlassen und fahrlässige Tötung angeklagt. Es berichten die SZ und die FAZ (Rüdiger Soldt).
StA Chemnitz - § 153a StPO und Ausländer: Nach einem Ladendiebstahl im Wert von rund 35 Euro durch einen Asylbewerber hat die Polizeidirektion Chemnitz die Einstellung des Verfahrens gemäßt § 153a Strafprozessordnung mit folgender Begründung abgelehnt: "Der Beschuldigte ist Ausländer." Die Staatsanwaltschaft machte sich dies zu eigen, das Amtsgericht verhängt daraufhin einen Strafbefehl. Laut spiegel.de erklärte die Staatsanwaltschaft die Formulierung nur für "unglücklich gewählt".
StA Hamburg - Facebook und Hass: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat gegen einen weiteren Facebook-Manager Ermittlungen wegen Beihilfe zur Volksverhetzung aufgenommen, meldet zeit.de. Dem Verfahren liegt die Strafanzeige eines Anwalts zugrunde, der Facebook Fälle von Volksverhetzung meldete, die dort aber nicht gelöscht wurden.
Anlegerklagen gegen VW: Das Handelsblatt (Gertrud Hussla) gibt einen Überblick über die Diskussion, wann VW-Anleger Schadensersatzklagen wegen des erlittenen Wertverlustes einreichen sollten. Überwiegend werde zum Abwarten geraten, da Ansprüche erst im September 2018 verjähren. Außerdem sei die Beteiligung an einer Musterklage günstiger, als selbst zu klagen.
Ankauf von Steuer-CDs: Der Anwalt Franz Bielefeld kritisiert im Handelsblatt-Gastkommentar, dass der Ankauf von illegal beschafften Steuer-CDs zur Aufklärung von CumEx-Geschäften rechtlich nicht geklärt sei. Es herrsche das "Recht der Prärie".
Recht in der Welt
EGMR - Pressefreiheit und Monarchie: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beanstandete, dass französische Gerichte dem monegassischen Fürsten Albert Schadensersatz zusprachen, nachdem die Zeitung Paris Match 2005 über seinen unehelichen Sohn berichtet hatte. Die Veröffentlichung der persönlichen Sachverhalte sei von der Pressefreiheit gedeckt, weil Fragen der Thronfolge in der Monarchie von öffentlichem Interesse seien. Über die Entscheidung der Großen Kammer des EGMR berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).
EGMR - Antisemitismus: Der umstrittene französische Komödiant Dieudonné M'Bala M'Bala scheiterte beim EGMR mit seiner Beschwerde gegen eine Verurteilung wegen Beleidigung und Antisemitismus. Er hatte 2008 den Holocaust-Leugner Robert Faurisson auf der Bühne ausgezeichnet. M'Bala M'Bala könne sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, weil er sie missbrauche, um die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Werte zu zerstören, so der EGMR laut zeit.de.
Sonstiges
Fischer über Meinungsfreiheit: In seiner Kolumne auf zeit.de schreibt Bundesrichter Thomas Fischer diesmal über die Frage: "Soll man Volksverhetzung bestrafen". Er kommt zu folgendem Schluss: "Strafrecht gegen Angst: Ja. Gegen Meinungen: Nein."
Sonderermittler Graulich: Jost Müller-Neuhof (Tsp) verteidigt den von der Bundesregierung eingesetzten Sonderermittler Kurt Graulich, der die BND-NSA-Selektorenliste untersucht hatte, gegen den Oppositions-Vorwurf, er sei nicht unabhängig genug.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. November 2015: Zschäpes fünfter Verteidiger / Gauweiler erneut gegen EZB / Fischer über Meinungsfreiheit . In: Legal Tribune Online, 11.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17508/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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