Eine wissenschaftliche Kommission stellt ihren Bericht zur Akte Rosenburg vor. Außerdem in der Presseschau: Aus für ALFA, Mordprozess wegen Exorzismus, niederländische Gewerkschaft gegen Arbeitsbedingungen in Katar und lästiges Pendeln.
Thema des Tages
BMJV – Akte Rosenburg: Eine unabhängige wissenschaftliche Kommission unter Leitung des Historikers Manfred Görtemakers und des Juristen Christoph Safferling hat unter dem Titel "Die Akte Rosenburg – Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit" ihren Abschlussbericht vorgestellt. Hierzu stellte Minister Heiko Maas (SPD) nach dem Bericht der taz (Christian Rath) fest, dass personelle Kontinuitäten "den demokratischen Neubeginn belastet und verzögert" haben. Der prozentuale Anteil früherer NSDAP-Mitglieder unter den untersuchten Führungskräften des Justizministeriums sei in den ersten Jahren der Bundesrepublik kontinuierlich gestiegen. Auch habe die vom Ministerium eingerichtete und später vom Auswärtigen Amt weitergeführte Zentrale Rechtsschutzstelle Deutsche, die im Ausland wegen NS- oder Kriegsverbrechen belangt wurden, unterstützt. Die Autoren der Studie hätten als vorrangigen Grund für die damalige Gleichgültigkeit gegenüber NS-Verstrickungen Antikommunismus als "Kitt der Nachkriegszeit" ausgemacht. Ein ausführlichen Bericht zu den Erkenntnissen der Studie und den vom Bundesjustizminister gezogenen Schlüssen bringt lto.de.
Über die mutmaßlich vom damaligen Ministerialdirigenten Eduard Dreher bewerkstelligte nachträgliche Verjährung von Mordbeihelfern schreibt die taz (Christian Rath). Drehers Berufsbiographie sowie jene von Josef Schafheutle, nachmaliger Leiter der Abteilung Strafrecht im Ministerium, stellt die Welt (Sven Felix Kellerhoff) eingehender vor.
Nach dem Leitartikel von Klaus Hillenbrand (taz) übersteigt das Ausmaß der NS-Infiltration "alle bisherigen Befürchtungen". Es stelle damit auch die These vom Erfolgsmodell der früheren Bundesrepublik in Frage, der es gelungen sei, NS-Eliten demokratisch zu beeinflussen. Joachim Käppner (SZ) hält dagegen fest, dass es für Einsicht "nie zu spät" sei. Forschungsprojekte wie das jetzt abgeschlossene widerlegten traditionelle Rechtfertigungsmuster und erinnerten somit auch "an die Verantwortlichkeit des Einzelnen".
Rechtspolitik
Abschiebehaft: In einem Hintergrundartikel zu rechtspolitischen Konsequenzen der jüngsten Festnahme eines syrischen Terrorverdächtigen beschreibt die SZ (Robert Roßmann) Pläne des Innenministeriums, mögliche Gefährder durch einen neuen Haftgrund in Gewahrsam nehmen zu können. Der Gesetzentwurf "zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" befinde sich seit dem vergangenen Freitag in der Ressortabstimmung. Eine Stellungnahme des Bundesjustizministeriums gebe es noch nicht.
Vollzeitarbeit: Noch in diesem Herbst will das von Andreas Nahles (SPD) geleitete Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf vorlegen, nach dem Teilzeitbeschäftigte einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in die Vollzeitbeschäftigung geltend machen können. Dies berichtet die FAZ (Dietrich Creutzburg).
Whistleblower: Ein wirksamerer Schutz von Whistleblowern wurde von Teilnehmern der 11. Handelsblatt-Jahrestagung Compliance gefordert. Wie das Hbl (Mathias Brüggmann) schreibt, habe hierbei auch ein Urteil des Landgerichts Bochum vom März den Unwillen der Tagungsteilnehmer erregt. Nach diesem waren staatsanwaltschaftliche Durchsuchungen und Unterlagenbeschlagnahmen bei einer hauptberuflichen Rechtsanwältin für zulässig erklärt worden, weil zwischen deren nebenberuflichem Amt als Ombudsperson und Hinweisgebern "kein schutzwürdiges mandantenähnliches Vertrauensverhältnis" bestanden habe.
Erbschaftsteuer: Den erzielten Kompromiss zur Erbschaftsteuer bezeichnet Rechtsanwalt Daniel Lehmann in einem Gastkommentar für das Hbl als "Reform mit Verfallsdatum". Gleichwohl drohe trotz Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Reform möglicherweise nicht der "Todesstoß" durch das Bundesverfassungsgericht, sondern durch ein nach der nächsten Bundestagswahl denkbares rot-rot-grünes "Linksbündnis im Bund".
Justiz
BVerfG – Ceta: Im Wege eines Eilverfahrens beim Bundesverfassungsgericht wollen Gegner des Freihandelsabkommens Ceta die Bundesregierung verpflichten, beim Ratstreffen am 18. Oktober gegen das Abkommen zu stimmen. Auch die FAZ (Helene Bubrowski) bringt nun einen Vorbericht zu der für den morgigen Mittwoch terminierten mündlichen Verhandlung und stellt hierzu die Argumentation der Antragsteller sowie der Bundesregierung, vertreten durch Rechtsprofessor Franz C. Mayer, vor.
OLG München zu ALFA: Nach einer Meldung der taz hat auch das Oberlandesgericht München der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA) die Führung dieses Namens untersagt. Die Partei trenne sich nun von ihrer Kurzbezeichnung und entscheide demnächst über einen neuen Namen.
LG Frankfurt/M. – Exorzismus: Am Landgericht Frankfurt/M. sind fünf Südkoreaner wegen Mordes einer Landsmännin angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, in einem Frankfurter Hotel das Opfer beim Versuch einer Teufels- oder Dämonenaustreibung stundenlang misshandelt zu haben, schreibt die SZ (Susanne Höll) zum Prozessauftakt. Die Angeklagten, unter denen sich auch der Sohn der Toten befindet, schweigen bislang zu den Vorwürfen. Der Bericht von zeit.de (Volker Siefert) erläutert auch das Phänomen Exorzismus.
ArbG Berlin – McKinsey: Über eine gegen die Unternehmensberatung McKinsey beim Arbeitsgericht Berlin eingereichte Kündigungsschutzklage berichtet die FAZ (tine) in ihrem Unternehmens-Teil. Ein früherer Berater gehe gegen seine fristlose Kündigung vor, die "vordergründig" mit einer falschen Spesenabrechnung über 70 Euro begründet worden sei. Dagegen bestehe der Verdacht, dass Gast der Bewirtung ein Journalist gewesen sei, der kurze Zeit später einen für das Unternehmen unliebsamen Artikel verfasst habe.
GStA Koblenz – Jan Böhmermann: Wie bereits gemutmaßt, haben Vertreter des türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan eine Beschwerde wegen der Einstellung der Ermittlungen gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingelegt. Diese werde nun von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz geprüft, meldet lto.de.
Recht in der Welt
Niederlande/Katar – FIFA: Der größte niederländische Gewerkschaftsverband FNV bereitet gegenwärtig eine Klage in der Schweiz gegen die dort ansässige FIFA vor, berichtet die FAZ (Michael Ashelm). Dem Weltverband werde eine Mitverantwortung für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar vorgeworfen.
Türkei – Abdülhamid II.: Eine Gruppe von Nachfahren von Sultan Abdülhamid II. streitet mit dem türkischen Staat über die Ausstellung eines Erbscheins. Vorfahren der jetzigen Kläger hatten bereits in den 1940er Jahren die Überschreibung des "privat" erworbenen Besitzes erreicht, schreibt die Welt (Boris Kálnoky). Gesetzesänderungen hätten jedoch die Umsetzung des Urteils des Höchsten Gerichts blockiert. Mittlerweile gründe sich die erneute Hoffnung der Kläger auf eine Rückbesinnung der türkischen Republik auf ihr osmanisches Erbe.
USA – Schiedsgericht: Auch die taz (Kai Schöneberg) berichtet nun über das vom Energieunternehmen Vattenfall beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten gegen die Bundesrepublik angestrengte Verfahren. Wegen des Atomausstiegs fordert Vattenfall 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz.
USA – Wahlrecht: Das nicht ganz unkomplizierte Recht der US-amerikanischen Präsidentenwahl wird von lto.de (Constantin van Lijnden) erläutert.
Kolumbien – Friedensabkommen: Anhand des kürzlich in einer Volksabstimmung gescheiterten Friedensabkommens in Kolumbien legt Jurastudent Hans Hosten auf verfassungsblog.de dar, warum dieses Ergebnis "nicht zur Delegitimierung von Volksabstimmungen" tauge.
Sonstiges
Wahlrecht: In einem Gastbeitrag für die SZ warnt Frank Decker, Politikwissenschaftler, vor einer "Blamage mit Ansage" bei der kommenden Bundestagswahl. Das hierzu 2013 in Kraft getretene Wahlrecht habe über sein Ziel hinausgeschossen. Die beabsichtigte Begrenzung von Überhangmandaten durch weitere Ausgleichsmandate könne im Ergebnis zu einer enormen personellen Aufblähung des Parlaments führen.
Theorie des Rechts: Für den Literatur-Teil der FAZ bespricht Christoph Möllers das nun in deutscher Übersetzung vorliegende Werk "Die Rechtsfabrik. Eine Ethnographie des Conseil d'Etat" des französischen Wissenschaftstheoretikers Bruno Latour.
Fernbusreisen: Einen Überblick zu möglichen Entschädigungsansprüchen für Nutzer von Fernbussen gibt bild.de.
Das Letzte zum Schluss
Ohne Anspruch: Familiäre Unterhaltsstreitigkeiten gehören zu den eher unerfreulichen gerichtlichen Alltagssachen. Dieser Einschätzung zustimmen dürfte jetzt auch ein Student der renommierten Universität St. Gallen HSG. Wie justillon.de (Martin Steiger) berichtet, wies das Schweizerische Bundesgericht seine an seinen Vater gerichtete Forderung ab, ihm eine Wohnung in der Stadt zu finanzieren. Der Kläger hatte geltend gemacht, durch das Pendeln zur Uni zu viel Zeit zu verlieren. Die S-Bahn-Fahrt von seinem Wohnort zur Hochschule dauert 25 Minuten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2016: Nazis in der Rosenburg / Exorzismus in Frankfurt / Arbeitsbedingungen in Katar . In: Legal Tribune Online, 11.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20837/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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