Die Koalition hat sich nach langer Diskussion auf einen Gesetzentwurf zur Leiharbeit geeinigt. Außerdem in der Presseschau: Frist zur Abgabe der Steuererklärung wird verlängert und BGH zur Haftung bei tierärztlichen Fehlern.
Thema des Tages
Leiharbeit/Werkverträge: Die Koalition hat sich auf Neuregelungen zur Leiharbeit und zu Werkverträgen geeinigt. Nach monatelangen Diskussionen liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor, der sowohl von der Union als auch von der SPD getragen wird. Ein bereits im vergangenen Jahr vorgelegter Gesetzentwurf scheiterte noch am Widerstand der CSU. Künftig sollen Leiharbeiter höchstens 15 Monate im selben Betrieb beschäftigt werden dürfen, nach neun Monaten sollen sie den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten. Die Einigung vermelden u.a. bild.de (Wolfgang Emrich) und spiegel.de.
Rechtspolitik
Einkommensteuer: Künftig sollen die Steuerzahler mehr Zeit für die Abgabe der Steuererklärung haben, die Fälligkeit soll von Ende Mai um zwei Monate auf Ende Juli verschoben werden. Diejenigen, die diese verlängerte Frist jedoch verpassen, müssen mit höheren Strafzuschlägen rechnen. Darauf haben sich die Finanzexperten der Koalition geeinigt, berichtet die SZ (Guido Bohsem). Die Neuregelung soll am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden.
§ 175 StGB aF: Die SZ (Heribert Prantl) erinnert an die zögerliche Abschaffung des § 175 StGB durch die Bundesrepublik. Erst 1994 wurde die Norm, die sexuelles Verhalten zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte, ersatzlos gestrichen. Die zuvor erfolgten Verurteilungen sind jedoch nicht aufgehoben worden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat jetzt ein Rechtsgutachten vorgestellt, aus dem sich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht des Staates zur Rehabilitierung der verurteilten Männer ergibt.
Kindschaftsrecht: Die FAZ (Mona Jaeger) stellt die Frage, ob das so genannte Residenzmodell, nach dem Kinder nach einer Trennung der Eltern bei einem Elternteil leben und das andere Elternteil lediglich am Wochenende oder in den Ferien besuchen, noch zeitgemäß ist. In Skandinavien sei das Wechselmodell, bei dem die Kinder bei beiden Elternteilen jeweils ihren Wohnsitz haben, die Regel, heißt es im Beitrag. Das Bundesfamilienministerium hat jetzt eine Studie in Auftrag gegeben, die das Kindeswohl bei unterschiedlichen Formen des Umgangsrechts untersuchen soll. Aus dem Bundesjustizministerium sei jedoch zu hören, dass eine Reform der entsprechenden Regelungen derzeit nicht auf der Agenda stehe.
Mietpreisbremse: Über die Berliner Erfahrungen mit der Mietpreisbremse berichtet die taz (Juliane Wiedemeier). Bisher habe die "bremsende" Wirkung noch nicht eingesetzt, wird der Berliner Stadtentwicklungssenator Geisel zitiert. Berlin wolle daher gemeinsam mit Hamburg und Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative zur Verbesserung der Regelung starten. So soll beispielsweise der Vermieter verpflichtet werden, den Nachmieter über die Miete des Vormieters zu unterrichten.
Korruption im Gesundheitswesen: Mit den Strafvorschriften zur Korruption befasst sich in der FAZ Rechtsanwalt Felix Rettenmaier. Er befürchtet, dass die neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit und der Bestechung im Gesundheitswesen zu erheblichen Unsicherheiten führen und die Anwendung und Auslegung der Vorschriften den Staatsanwaltschaften, Gerichten und der Rechtswissenschaft überlassen bleibt. Es werde noch einige Zeit nach dem Inkrafttreten dauern, bis die Konturen klar erkennbar seien.
Verbraucherstreitbeilegung: Die Rechtsanwälte Tobias Bomsdorf und Helen Braun weisen in der FAZ auf die neuen, durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz eingeführten Informationspflichten für Unternehmer hin. Danach müssen ab 2017 die Verbraucher darüber informieren, ob sie im Streitfall zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren bereit sind und welche Schlichtungsstelle zuständig ist. Nach Ansicht der Autoren ist die Grundidee des Gesetzes zwar nachvollziehbar, einzelne Details scheinen jedoch nicht zu Ende gedacht.
Datenschutzgrundverordnung: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf die Veröffentlichung der Datenschutzgrundverordnung im Amtsblatt der EU am 4. Mai 2016 hin. Ab dem zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung beginnt die zweijährige Übergangsfrist, die es Unternehmen ermöglichen soll, sich auf die Neuregelung einzustellen.
Justizministerium Baden-Württemberg: Als "Ministerium für Allerlei" bezeichnet die SZ (Josef Kelnberger) das Justizministerium Baden-Württembergs, das nach dem Abschluss der dortigen Koalitionsverhandlungen künftig auch für Europapolitik und Tourismus zuständig sein wird. Designierter Justiz-, Europa- und Tourismusminister ist der ehemalige CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf.
Justiz
BAG zu rauchfreien Arbeitsplätzen im Kasino: Das BAG hat entschieden, dass Kasinomitarbeiter in Hessen keinen Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz haben, berichtet die FAZ (Joachim Jahn). Vor einigen Jahren hatten die obersten Arbeitsrichter in einem Fall aus Berlin noch anders entschieden. In Hessen jedoch sieht das Nichtrauchergesetz ausdrücklich eine Ausnahme für Spielbanken vor. Das sonst in fast allen öffentlichen Räumlichkeiten geltende Rauchverbot gilt dort nicht.
BGH zur Beweislastumkehr bei Tierärzten: Der BGH hat entschieden, dass auch bei Tierärzten eine Beweislastumkehr gilt. Genauso wie bei Humanmedizinern auch, sei es Sache des Tierarztes, sich zu entlasten, wenn ihm ein "grober Behandlungsfehler" unterlaufen ist. Gelingt es ihm nicht nachzuweisen, dass der Fehler nicht Ursache des eingetretenen Schadens war, haftet er. Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt Fall und Urteil dar.
OLG München – Oldschool Society: Im Verfahren gegen Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrororganisation Oldschool Society wurde die mündliche Verhandlung vor dem OLG München fortgesetzt. Die SZ (Jan Bielicki) und spiegel.de berichten über die Aussage von Andreas H., des mutmaßlichen Gründers der Oldschool Society. Bei den laut Anklage geplanten Anschlägen mit Brand- oder Nagelbomben auf Moscheen und Asylbewerberheime habe es sich lediglich Gedankenspiele gehandelt, deren Umsetzung niemals vorgesehen gewesen sei.
OLG München – NSU/V-Mann Piatto: Das Oberlandesgericht München hat Beweisanträge von Nebenklage-Vertretern abgelehnt, mit denen aufgeklärt werden sollte, wie und warum der brandenburgische Verfassungschutz eine Festnahme des NSU-Trios im Jahr 1998 verhinderte. Eine Bedeutung für die mögliche Schuld der Angeklagten sei nicht erkennbar, so das Gericht laut spiegel.de (Wiebke Ramm). Über den damaligen Umgang der Behörden mit Informationen des V-Mannes Piatto berichtet auch blog.zeit.de (Tom Sundermann).
Recht in der Welt
Frankreich - Arbeitsrecht: Weil die notwendige Mehrheit fehlt, will die französische Regierung die geplante Reform des Arbeitsrechts ohne die Beteiligung des Parlamentes in Kraft setzen. Die Möglichkeit ist in der Verfassung vorgesehen, berichtet faz.net (Christian Schubert). Das neue Gesetz soll u.a. Entscheidungen über Arbeitszeiten und Löhne auf die Ebene der Unternehmen verlagern und Entlassungen erleichtern. Im Gegenzug sollen Arbeitnehmerrechte für die Ausbildung und Maßnahmen gegen Leiharbeit eingeführt werden. zeit.de bezeichnet die Umgehung des Parlamentes als "Verfassungstrick" und weist darauf hin, dass die Opposition nun ein Misstrauensantrag stellen kann. Wird dieser abgelehnt, gilt das Gesetz automatisch als angenommen.
In einem separaten Kommentar kritisiert Christian Schubert (FAZ) das geplante Vorgehen. Jedem Demokraten müsse das weh tun, eine Regierung dürfe nicht am Volk vorbeiregieren, schreibt er.
Frankreich - Völkermord in Ruanda: In Paris hat der zweite Prozess gegen in Frankreich lebende mutmaßliche Täter des Völkermordes in Ruanda begonnen, meldet die taz.
USA – Toiletten in North Carolina: Die taz (Noemi Molitor) schildet die rechtliche Auseinandersetzung um das vom Bundesstaat North Carolina verabschiedete Gesetz, das unter anderem transsexuellen Personen die Benutzung von Toiletten und Umkleidekabinen, die ihrer geschlechtlichen Identität entsprechen, verbietet. Das amerikanische Justizministerium ist der Auffassung, dass das Gesetz, das auch den Kommunen den Erlass eigener Antidiskriminierungsrichtlinien verbietet, gegen den Civil Rights Act von 1964 verstößt. Dem Bundesstaat droht jetzt der Verlust öffentlicher Gelder.
Sonstiges
Hamburg – Steffens unter Beschuss: Die taz (Marco Carini) stellt die Vorwürfe gegen den Hamburger Justizsenator Till Steffen dar. So wurde beispielsweise ein verurteilter Sexualstraftäter auf Anordnung des OLG wieder entlassen, weil es die Justizvollzugsanstalt nicht geschafft habe, fristgerecht einen Therapieplatz zu organisieren.
Das Letzte zum Schluss
Automatischer Anwalt: Die SZ (Kathrin Werner) berichtet über einen 19-jährigen Engländer, der ein Programm zur automatischen Widerspruchseinlegung gegen Strafzettel entwickelt hat. Anhand einer detaillierten Fragenliste wird passgenau der Widerspruch erstellt. Den Nutzern seiner Webseite hätte das Programm Einsparungen von insgesamt fast vier Millionen Dollar gebracht, in 44 Prozent der Fälle sei der Strafzettel zurückgenommen worden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Mai 2016: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit / Mehr Zeit für die Steuer/ Beweislastumkehr für Tierärzte . In: Legal Tribune Online, 11.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19344/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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