Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. April 2016: Türkei gegen Böh­m­er­mann / Maas gegen sexis­ti­sche Wer­bung / LG Trier gegen veganen Käse

11.04.2016

Die Türkei hat im Fall Böhmermann doch noch ein förmliches Strafverlangen gestellt. Außerdem in der Presseschau: Justizminister Maas will sexistische Werbung verbieten und das LG Trier lehnt Bezeichnung "Käse" für vegane Produkte ab.

Thema des Tages

StA Mainz – Jan Böhmermann: Im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Mainz gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan hat jetzt die Türkei dem Auswärtigen Amt ein förmliches Strafverlangen gemäß § 104a Strafgesetzbuch übergeben, berichtet der Tsp. Nun kommt es darauf an, ob auch die Bundesregierung ihre Ermächtigung für ein Strafverfahren erteilt. spiegel.de schildert das Dilemma der Bundesregierung.

Im Interview mit spiegel.de (Matthias Gebauer) erklärt der Fachanwalt für Medienrecht Marc-Oliver Srocke, warum er nicht davon ausgehe, dass Jan Böhmermann wegen seines Gedichts bestraft werde. Es liege keine Beleidigung vor.

Dietmar Hipp (spiegel.de) preist das Gedicht des Künstlers: "Schöner als jedes konstruierte Fallbeispiel in einem juristischen Seminar" habe Jan Böhmermann Erdogan gezeigt, wo die Grenze der Satire liege. Böhmermann müsse sogar gewollt haben, dass sich eine Staatsaffäre und ein Ermittlungsverfahren daraus ergeben. Die Bundesregierung hätte Böhmermann allerdings nicht um Hilfe bitten sollen, sondern dem Strafverfahren "erhobenen Hauptes" entgegensehen. Manchmal dürfe Satire alles. Auch Dirk Schümer (WamS) erörtert, ob Jan Böhmermann sich der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes strafbar gemacht hat. Für ihn ist Böhmermann "der letzte Held" der Meinungsfreiheit.

Rechtspolitik

Sexistische Werbung: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) plant, sexistische Werbung zu verbieten. Bislang kann lediglich der Werberat entsprechende Fälle rügen; die Wettbewerbszentrale kann nur gegen "massiv menschenverachtende" Werbung vorgehen. Die Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb solle bald in die Ressortabstimmung gehen, meldet der Spiegel (Melanie Amann). Laut Montags-FAZ (Joachim Jahn) soll nicht nur Werbung verboten werden, die Menschen auf ein Sexualobjekt reduziert, sondern auch Werbung, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts bestimmte Eigenschaften oder Rollen zuordnet.

Ärztekorruption: Der Koalitionskompromiss zum Gesetz gegen die Korruption im Gesundheitswesen wird nun auch vom Spitzenverband der Krankenkassen kritisiert, berichtet die Samstags-SZ (Guido Bohsem). Dass die Verletzung berufsrechtlicher Regeln nicht mehr unter Strafe stehen soll, schränke die geplante Strafnorm stark ein. Den Konflikt zwischen SPD-Gesundheitspolitikern und SPD-Rechtspolitikern schildert nun auch die Montags-taz (Christian Rath).

Guido Bohsem (Samstags-SZ) sieht den Streit als Zeichen dafür, dass die Abgeordneten nicht ohne Weiteres bereit sind, dem Druck der Lobbygruppen nachzugeben. Der Konflikt dürfe aber nicht auswarten: "Lieber ein nicht ganz perfektes Gesetz als gar keins", mahnt Bohsem.

Hartz IV: Laut einer Meldung der Samstags-SZ fordert Linken-Chefin Katja Kipping, die Hartz IV-Sanktionen aufzuheben. Sie stützt sich dabei auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage zur Erfolgsquote von Widersprüchen gegen die Sanktionen. Daraus ergibt sich, dass knapp vierzig Prozent zugunsten der Beschwerdeführer ausgehen.

In dieser Woche berät der Bundestag erstmals über den Hartz IV-Reformentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Unter anderem will sie den Bewilligungszeitraum für Hartz IV-Anträge von sechs auf zwölf Monate erhöhen. Arbeitsmarktpolitikerin Brigitte Pothmer (Grüne) kritisiert, dies sei nach geltendem Recht bereits möglich, Nahles müsse "mutiger werden", wenn sie die Grundsicherung vereinfachen wolle, berichtet die Samstags-Welt (Stefan von Borstel).

Gleichgeschlechtliche Ehe: Der Bundestag wird bald über einen Gesetzentwurf des Bundesrats zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entscheiden müssen. Aus diesem Anlass setzt sich der Jurist Volker Kitz in einem FAS-Gastbeitrag ausführlich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander und findet, dass das Grundgesetz die Ehe Homosexueller nicht ausschließe.

Transparenzregister: spiegel.de (Markus Becker) erläutert, warum Justizminister Heiko Maas, der als Reaktion auf die Panama Papers ein Transparenzregister für Unternehmen forderte, in Brüssel auf Verwunderung stieß. Ein solches Register habe die EU im Jahr 2015 nämlich bereits beschlossen – gegen den Widerstand des deutschen Finanzministeriums.

Geschäftsgeheimnisse: Über die Kritik an der geplanten EU-Richtlinie für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Europäischen Parlament berichtet nun auch der Spiegel (Sven Becker/Christoph Pauly – erweiterte spiegel.de-Fassung). Die Richtlinie erschwere sowohl journalistische Tätigkeit, als auch Whistleblowing. Zulasten von Journalisten gebe es künftig eine "Umkehr der Beweislast". Der DGB-Bundesvorstand mahnt, Arbeitgeber dürften künftig "willkürlich jede Angelegenheit zum Geschäftsgeheimnis erklären".

Fluggastdaten: Am Donnerstag dieser Woche stimmt das Europäische Parlament auch über die Einführung einer europäischen Fluggastdatenspeicherung ab, berichtet netzpolitik.org (Markus Reuter/DigiGes). Dabei werden Inhalt und Kritik der geplanten Richtline zusammengefasst.

Hessische Landesverfassung: Hessen plant, seine Landesverfassung zu reformieren. Die Samstags-FAZ (Timo Frasch) fasst die geplanten Änderungen zusammen. Ziel sei es insbesondere, Normen zu streichen, die ohnehin nicht mehr gelten (wie etwa die Todesstrafe). Die CDU will auch überholte sozialistische Elemente aus der Verfassung entfernen, die für die SPD jedoch aus historischen Gründen wichtig seien.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. April 2016: Türkei gegen Böhmermann / Maas gegen sexistische Werbung / LG Trier gegen veganen Käse . In: Legal Tribune Online, 11.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19029/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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