Schlechte Aussichten für Hedgefonds. Zum Auftakt im Porsche-Prozess äußert sich das Gericht skeptisch. Außerdem in der Presseschau: europarechtliche Freizügigkeit und die Schweiz, Selbstanzeigen und Steuerhinterziehung, keine Befangenheit beim BVerwG, Erinnerungen eines Bundespräsidenten a.D., freiwillig in Den Haag und eine Ausreden-Sammlung.
Thema des Tages
LG Stuttgart – Porsche: Der Autohersteller Porsche scheiterte an der Übernahme des Konkurrenten VW. Bei der juristischen Aufarbeitung scheint der beklagten Porsche-Holding dafür mehr Erfolg beschieden. Über den Auftakt im Verfahren über eine milliardenschwere Schadensersatzforderung mehrerer Hedgefonds vor dem Landgericht Stuttgart berichten Handelsblatt (Martin W. Buchenau) und FAZ (Susanne Preuß). Die Vorsitzende Richterin Carola Wittig habe die klägerische Argumentation "zerpflückt" und "erhebliche Prozessrisiken" ausgemacht. Es sei zweifelhaft, ob Pressemitteilungen kausal für die Anlageentscheidungen von Profis seien, jedenfalls könnten Spekulationen mit Aktienkurse wohl nicht den Inhalt von Offenbarungspflichten eines Unternehmens begründen. Der Bericht der taz (Kai Schöneberg) macht auf weitere Verfahren im Zusammenhang eines "der spektakulärsten Wirtschaftskrimis der Autogeschichte" mit einem Gesamtstreitwert von mehr als fünf Milliarden Euro aufmerksam, am Landgericht Braunschweig etwa seien weitere fünf Klagen anhängig.
In einem Kommentar bezeichnet Joachim Jahn (FAZ) es als "Geschäftsmodell" von Hedgefonds, es nach Fehlspekulationen "bei der Justiz" zu versuchen. Auch wenn die bisherigen Verfahren nicht nicht erfolgversprechend scheinen, werde wohl erst der Bundesgerichtshof oder gar "die Europarichter in Luxemburg" darüber entscheiden, "wie weit Angreifer im Übernahmepoker mit offenen Karten spielen müssen."
Rechtspolitik
Freizügigkeit: In Frage und Antwort-Form gibt die FAZ (Werner Mussler/Hendrick Kafsack) in ihrem Wirtschafts-Teil einen Überblick zu den europarechtlichen Konsequenzen der erfolgreichen Volksabstimmung zur Zuwanderung in der Schweiz. So müsste eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens mit der EU gemäß der vereinbarten "Guillotine-Klausel" auch zur Kündigung der anderen zwischen der Eidgenossenschaft und der EU vereinbarten Verträge führen. Der Bericht der SZ (Daniel Brössler/Javier Caceres) macht darauf aufmerksam, dass ein Konflikt bereits vor der mit drei Jahren bemessenen gesetzlichen Umsetzungsfrist ansteht: Für das neueste EU-Mitglied Kroatien würden bislang nicht die Freizügigkeitsregeln der EU-Bürger gelten. Eine Unterzeichnung des entsprechenden, "fertig ausverhandelten" Abkommens mit dem Land sei nach der Abstimmung fraglich, gleichzeitig könne die EU die Diskriminierung eines Mitgliedsstaates nicht hinnehmen.
Nach Thomas Kirchner (SZ) müsse die EU der Schweiz "in der gebotenen Deutlichkeit klarmachen", dass die Verabschiedung von der Arbeitnehmerfreizügigkeit, einem "Pfeiler der Integration" und "eine Art europäisches Heiligtum", nicht akzeptiert werden könne. Dabei müsse auf den "erhobenen Zeigefinger" verzichtet werden, diffuse Modernisierungs-Ängste, für die Ausländer als Sündenböcke herhalten müssten, existierten schließlich "überall in Europa."
Datenschutz: In ausdrücklicher Fortsetzung der vom Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), angestoßenen Debatte über persönliche Freiheit im Informationszeitalter fordert Juli Zeh (FAZ) im Feuilleton des Blattes ein "klar formuliertes digitales Grundrecht", dass "personenbezogene Daten unter die alleinige Verfügungsgewalt des Einzelnen stellt" und ein der körperlichen Unversehrtheit oder dem Privateigentum vergleichbares Schutzniveau besitzt.
Selbstanzeige: In einem Kommentar bezeichnet Donata Riedel (Handelsblatt) die Selbstanzeige als "Brücke" zwischen Steuer- und Strafrecht. Ersteres verpflichte die Bürger zur Offenlegung sämtlicher Einkünfte, letzteres jedoch beinhalte den Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten müsse. Wolle man die Selbstanzeige abschaffen, hätte aus Verfassungsgründen auch für Steuerhinterzieher das Zeugnisverweigerungsrecht zu gelten.
Für die Beibehaltung des Instruments plädiert auch Rechtsanwalt Karsten Randt (FAZ) in einem Gastbeitrag für den Geldanlagen-Teil der Zeitung. Gerade die Vielzahl der aktuell eingehenden Anzeigen beweise, dass die Betroffenen "den Weg zurück in die Steuerehrlichkeit einschlagen" wollten, darüber hinaus müsse aber sichergestellt werden, dass die "Spielregeln" zur Wahrung des Steuergeheimnisses eingehalten werden.
Steuerhinterziehung: In einem Gastbeitrag macht sich Henryk M. Broder (Welt) Gedanken zur Steuerhinterziehung. Die "allgemeine Hysterie der letzten Tage" beweise, dass auch aufgeklärte Gesellschaften ohne Sündenböcke nicht auskämen, "aufgrund der herrschenden Political Correctness" treffe es nun nicht mehr "die üblichen Verdächtigen", sondern eben "Steuersünder." Im staatlichen Umgang mit diesen heilige der Zweck die Mittel, dabei machten sich die Betroffenen keines Verstoßes gegen die Zehn Gebote, "der Grundlage aller Gesetze" schuldig, sie verletzten nurmehr einen Teil des Gesellschaftsvertrages zwischen Regierten und Regierenden. Den gleichen Vorwurf müssten sich aber auch letztere gefallen lassen, wie zahlreiche, vom Autor benannte Beispiele von Verschwendungen öffentlicher Gelder belegten.
Diäten: Einen Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen, der die Höhe der Bezüge von Bundestagsabgeordneten künftig an denen von Bundesrichtern orientieren soll, begrüßt Claus Hulverscheidt (SZ) als "prinzipiell richtig." Dass der Entwurf mit einem solchen für ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung verknüpft werde, sei dagegen "geradezu unselig." Hier entstünde der ungewollte Eindruck, dass gegen Korruption nur eine bessere Bezahlung helfe.
Elektronische Verkündung: In einem Gastbeitrag erläutert der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Patrick Breyer (lawblog.de) den Vorschlag seiner Piraten-Fraktion, künftig auch die elektronische Verkündung von Gesetzen zuzulassen.
Justiz
EuGH zu Einreisesperre: Die FAZ (Helene Bubrowski) berichtet über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom vergangenen Herbst, mit dem die deutsche Regelung einer Wiedereinreisesperre "mit deutlichen Worten" für europarechtswidrig erklärt wurde. Das Innenministerium unter Leitung von Hans-Peter Friedrich (CSU)* habe die rechtskonforme Umsetzung der EU-Rückführungsrichtlinie aus dem Jahr 2008 versäumt, weshalb der jetzige Innenminister Thomas de Maiziére (CDU) "die Scherben seines Vorgängers aufkehren" müsse.
EuGH – Asyl: In ihrem Lokal-Teil berichtet die SZ (Sarah Kanning) über einen US-amerikanischen Deserteur, der in Bayern um seine Anerkennung als Flüchtling kämpft. Der frühere Hubschrauber-Techniker habe sich einem Einsatz im Irak verweigert, sein von Anwalt Reinhard Marx betreuter Fall ist mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof gelandet. Auf Vorlage des Verwaltungsgerichts München müsse dort entschieden werden, "ab welchem Grad der Verstrickung in militärische Auseinandersetzungen das Flüchtlingsrecht einem Soldaten eine Desertion zusteht."
BVerfG zu EZB-Programm: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die europäische Zentralbank durch ihr Euro-Rettungsprogramm ihre Kompetenzen überschritten hat, wird nun in mehreren Beiträgen auf juwiss.de sowie von Rechtsprofessor Ingolf Pernice (verfassungsblog.de) eingehend erörtert. In einem Gastkommentar meint Hans-Werner Sinn (Handelsblatt), dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf sein Recht verzichtet habe, "das letzte Urteil" zu sprechen. Sollte der Europäische Gerichtshof den EU-Vertrag in einer dem Grundgesetz widersprechenden Weise interpretieren, habe das Karlsruher Gericht das Recht, "von Bundestag und Regierung eine Neuverhandlung der Verträge zu verlangen und ein Referendum anzuordnen."
BVerwG – Lexxpress: In der Revisionsverhandlung des Datenbankanbieters Lexxpress, der das Bundesverfassungsgericht zu einer Gleichbehandlung mit dem halbstaatlichen Konkurrenzunternehmen Juris verpflichten will, lehnte das mit der Sache befasste Bundesverwaltungsgericht einen Befangenheitsantrag des Klägers ab. Dass auch das Leipziger Gericht einen Exklusivvertrag mit Juris habe, rechtfertige keine Ablehnung, schreibt die Badische Zeitung (Christian Rath).
LG Hannover – Korruption: Die FAZ (Robert von Lucius) berichtet über die mehrstündige Vernehmung Christian Wulffs (CDU) im Strafverfahren gegen Olaf Glaeseker, früherer Sprecher des ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten, vor dem Landgericht Hannover. Wulff habe Glaeseker umfassend entlastet, der wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit fremdfinanzierten Urlauben Angeklagte habe nie Dienstliches und Privates vermischt oder an seinen eigenen Vorteil gedacht. Widersprüche zu seiner eigenen staatsanwaltschaftlichen Vernehmung habe Wulff nun mit früheren Erinnerungslücken, seiner hohen zeitlichen Belastung oder bloßem Desinteresse am Privatleben seines früheren Mitarbeiters erklärt. Dass der ehemalige Bundespräsident sich nun doch an die Freundschaft Glaesekers mit dem Eventmanager Manfred Schmidt erinnern konnte, kommentiert Marc Widmann (SZ) mit einem "schlechten Gewissen" gegenüber dem einstigen "siamesischen Zwilling", "vermutlich" sei dies jedoch reiner Selbstschutz, um einer Anklage wegen Falschaussage zu entgehen.
LG München – BayernLB: Im Strafverfahren vor dem Landgericht München gegen frühere Vorstände der BayernLB haben die Angeklagten mit teils heftigen Worten die Vorwürfe im Zusammenhang des Kaufs der österreichischen Hypo Alpe Adria-Bank zurückgewiesen. Nach Darstellung der SZ (Klaus Ott) im Wirtschafts-Teil äußerte sich hierbei Gerhard Gribkowsky, ehemaliger Risiko-Vorstand der Landesbank, "besonders blumig." Die eingetretenen Verluste seien dem Zusammenbruch der Finanzmärkte und keinesfalls eigenen Pflichtverletzungen geschuldet.
LG München – Siemens: Über das "letzte große Strafverfahren im Korruptionsfall Siemens", den vor dem Landgericht München stattfindenden Prozess gegen den ehemaligen Vorstand Uriel Sharef schreibt die SZ (Caspar Busse/Klaus Ott) in ihrem Wirtschafts-Teil. Sharef wird die Verstrickung in Schmiergeldzahlungen des Konzerns in Südamerika vorgeworfen, sein Anwalt vermute dagegen, dass an dem Angeklagten "ein Exempel statuiert" werden solle, weil anders als in gegenwärtigen Verfahren gegen Bank-Vorstände bislang nur wenige Spitzenmanager belangt worden seien.
LG Stuttgart – Rihanna: Über eine beim Landgericht Stuttgart anhängig gemachte Schadensersatz- und Unterlassungsklage gegen den Popstar Rihanna berichtet die SZ (Kathrin Werner) im Panorama-Teil. Ein junger deutscher Fotograf verlangt 250.000 Euro von der Sängerin, weil sie ein Bild-Motiv für ein Video abgekupfert haben soll. Jahrelange Versuche einer außergerichtlichen Einigung seien erfolglos verlaufen, nun habe sich der Kläger der Unterstützung eines Prozessfinanzierers versichert.
LG Mannheim – Patent-Streit: Vor dem Landgericht Mannheim soll am heutigen Dienstag die Klage eines Patentrechteverwerters gegen Apple verhandelt werden. Die klagende Firma verlangt vom Computerhersteller mehr als 1,5 Milliarden Euro Lizenzgebühren, schreibt die Welt (Benedikt Fuest) und wirft einen Blick auf die internationalen Klageaktivitäten sogenannter "Patenttrolle."
* hier stand zunächt, Hans-Peter Friedrich sei Mitglied der CDU. Geändert am 11. Februar 2014, 12:59
Recht in der Welt
IStGH – Ntaganda: Am Internationalen Gerichtshof in Den Haag/Niederlande ist ein Vorverfahren gegen den kongolesischen Rebellenführer Bosco Ntaganda eröffnet worden. Die taz (Dominic Johnson) stellt die schillernde Vita des Rebellenführers, gegen den 2006 ein Haftbefehl erlassen wurde und der sich dem Gerichtshof freiwillig gestellt haben soll, vor.
Polen – Sexueller Missbrauch: Die taz (Gabriele Lesser) berichtet über den Versuch eines polnischen Missbrauchsopfers, eine Entschädigung vom verurteilten Täter, einem katholischen Geistlichen und dessen Arbeitgeberin zu erstreiten. Der Kläger behaupte, dass die Kirche von den Machenschaften des verurteilten Priesters gewusst habe, die polnische Bischofskonferenz lehne jedoch eine Mitverantwortung ab.
Spanien/China – Jiang Zemin: Ein spanischer Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof hat internationale Haftbefehle gegen den früheren chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin und weitere Spitzenfunktionäre wegen Menschenrechtsvergehen in Tibet ausgestellt. Nach der Meldung der FAZ (Leo Wieland) überschneiden sich die Haftbefehle zeitlich mit Bemühungen des spanischen Parlaments, die Aktivitäten der eigenen Gerichtsbarkeit zu "universaler Justiz" gesetzlich einzuschränken.
USA – Michael Jackson: Die SZ (Jürgen Schmieder) berichtet über eine Forderung der US-amerikanischen Steuerbehörde gegen die Testamentsvollstrecker des verstorbenen Sängers Michael Jackson in Höhe von 700 Millionen Dollar. Weil der "King of Pop" jahrelang ungenügende Steuererklärungen abgegeben habe, enthalte die Forderung auch eine Strafzahlung, zudem seien zahlreiche Werte des Nachlasses von den Verwaltern zu niedrig bewertet worden.
Sonstiges
Öffentlichkeitsarbeit: Eine konsequentere Nutzung sozialer Medien zum Zwecke einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit der Polizei hält der Jurist Markus Sehl (lto.de) für notwendig. Während die niedersächsische Polizei bereits über Facebook nach Straftätern fahnde oder Informationen über Einsätze veröffentliche, habe die Informationspolitik der Hamburger Polizeibehörde während der Tumulte rund um den Jahreswechsel bewiesen, dass sie "noch nicht so richtig" im Web 2.0 angekommen sei. Eine zitierte Meinung besteht dabei auf einer Verpflichtung des Staates zu derartiger, moderner Pressearbeit.
Gerichtsgutachter: Zeit.de (Marie-Charlotte Maas) protokolliert in der Serie "Das erste Mal" die Erarbeitung eines psychologischen Gutachtens eines letztlich wegen versuchter Vergewaltigung Verurteilten.
Das Letzte zum Schluss
Ausreden: Skurrile Ausreden überführter Steuersünder präsentiert focus.de (Jonas Fehling). Unwissenheit und verlorener Überblick dominieren, dagegen behauptete etwa der Unternehmer Reinhold Würth, tatsächlich Steuern bezahlt zu haben, nur leider "ans falsche Finanzamt." Gewohnt eloquent und fast schon philosophisch fragte dagegen Franz Beckenbauer: "Die Steuer – auch mein Problem. Es muss zwar sein, dass man einen Teil seines Einkommens an den Staat abführt. Aber gleich so viel?"
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Februar 2014: Auftakt im Porsche-Prozess – Freizügigkeit und Schweiz – Wulff erinnert sich . In: Legal Tribune Online, 11.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10948/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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