EuGH genehmigt unter bestimmten Bedingungen den "Gesundheitstourismus" aus armen EU-Staaten in besser ausgestattete Gesundheitswesen. Außerdem in der Presseschau: neuer sozialdemokratischer Antrag zur Suizidhilfe, BGH zu irreführender Werbung bei Mix-Getränken, Kohl scheitert mit Antrag auf Eilrechtschutz, datenschützerische Folgen des Google-Urteils - und können Menschen durch Werbung dazu gebracht werden, zu glauben, sie können fliegen?
Thema des Tages
EuGH zu "Gesundheittstourismus": Der Europäische Gerichtshof hat am gestrigen Donnerstag entschieden, dass EU-Bürger sich grundsätzlich auf Kosten ihrer Krankenkasse in einem EU-Mitgliedsstaat mit besserem Gesundheitssystem behandeln lassen können. Der sogenannte "Gesundheitstourismus" soll allerdings nur legitim sein, solange keine rechtzeitige und angemessene Behandlungsmöglichkeit im eigenen Land verfügbar ist. Geklagt hatte eine Rumänin, die eine schwierige Herz-Operation in Deutschland vornehmen ließ. Das Krankenhaus in Rumänien, in welchem sie eingeliefert wurde, sei ihres Erachtens nach nicht adäquat ausgestattet. Unklar ist, ob eine angemessene und rechtzeitige Behandlung in Rumänien möglich gewesen wäre. Sollte dies der Fall sein, müsste die Klägerin die Kosten ihrer Behandlung in Höhe von 18.000 Euro selbst tragen. Dies berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).
Rechtspolitik
Gesetzesverschärfungen gegen Terror: Die taz (Sabine am Orde) informiert kurz über geplante Gesetzesverschärfungen der Koalition. Diese sollen der Eindämmung islamistischen Terrors dienen. So solle bereits der Besuch sogenannter "Terrorcamps" zu bestrafen sein. Ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfs sei auch die Kriminalisierung von Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen.
TTIP: Der Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht Markus Krajewski äußert sich in einem Interview mit der taz (Hannes Koch) zum Investorenschutz im TTIP. Krajewski schlägt die Einführung eines "Investitionsgerichtshof" vor. Verhandlungen über etwaige Schadensersatzansprüche sollten vor einem ordentlichen Gericht und öffentlich verhandelt werden. Die Bundesregierung sei mit Kritik am Investorenschutz durch Schiedsgerichte auch deshalb zögerlich, weil Deutschland solche Abkommen erfunden habe.
Suizidhilfe: Die Welt (Matthias Kamann) beschreibt einen neuen Antrag zur Suizidhilfe, der federführend von den SPD-Abgeordneten Eva Högl und Kerstin Griese stammt. Der Antrag beinhaltet unter anderem ein strafrechtliches Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid, will aber Freiräume für Ärzte bewahren. Mit der organisierten Ärzteschaft soll ein Dialog über einschränkende Regeln des Standesrechts stattfinden.
Die FAZ (Daniel Deckers) meldet, dass mehrere Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin sich gegen die Möglichkeit, ärztliche Suizidhilfe leisten zu können, ausgesprochen haben. Vielmehr solle die palliativmedizinsche Versorgung ausgebaut werden, um die Patienten zu unterstützen.
Bund-Länder-Finanzreform: Die Welt (Martin Greive) erklärt die Entwicklungen bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. So konnten sich die Länder hinsichtlich des Solidaritätszuschlags auf zwei Lösungsoptionen einigen. Im Rahmen des Altschuldenfonds und verschiedener Finanzierungsfragen bestehe allerdings noch Klärungsbedarf.
Justiz
BGH zu "Energy & Vodka": Der Schutzverband der Spirituosenindustrie reichte Klage ein, weil der Titel "Energy & Vodka" für Verbraucher irreführend sei. Er vermittele, dass das Getränk fit mache. Der Bundesgerichtshof urteilte nun, es sei für den Konsumenten – spätestens mit dem Blick auf die Zutatenliste – erkenntlich, dass es sich dabei um ein alkoholisches Mixgetränk handelt. Das Getränk darf somit den Namen behalten. Dies melden spiegel.de (Yasmin El-Sharif) und die SZ.
BSG zu Künstlersozialabgabe: Das Bundessozialgericht beschloss am vergangenen Mittwoch, dass auch die Steuerberaterkammer die Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse (KSK) entrichten muss, wenn beispielsweise ihre Internetseite Bilder beinhaltet, die von selbstständigen Fotografen hergestellt wurden. Die KSK soll selbstständige Künstler und Journalisten sozial absichern. Der Anwalt Andri Jürgensen beschreibt auf lto.de ausführlich die Hintergründe und relevanten Urteile zur Sozialabgabe sowie die Folgen des BSG-Entscheidung.
OLG Düsseldorf – Al Qaida: In dem Strafprozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen vier mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen begann die Bundesanwaltschaft am gestrigen Donnerstag mit der Verlesung ihres Plädoyers. Demnach sieht sie die Anklagepunkte als vollumfänglich bestätigt an. Die Männer wurden unter anderem wegen der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung angeklagt. Von dem Prozess berichten fr-online.de und focus.de.
LG Köln zu Helmut Kohl: Der Ex-Kanzler hatte vor dem Landgericht Köln keinen Erfolg mit seinem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung des Buchs von Heribert Schwan, meldet spiegel.de (Philipp Wittrock). Schwan verwertete den Inhalt seiner Gespräche mit Helmut Kohl, die er als Ghostwriter von dessen Memoiren führte. Eine Beschwerde Kohls ist bereits beim Oberlandesgericht Köln anhängig.
LG Stuttgart zu Daimler: Daimler klagte gegen den Südwestrundfunk vor dem Landgericht Stuttgart auf Unterlassen der Ausstrahlung einer Reportage über Niedriglöhne. Dieser war zu entnehmen, dass das Unternehmen über Werkverträge Personen beschäftigt, die ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken müssen. Das Gericht stellte zwar fest, dass die Aufnahmen rechtswidrig entstanden sind, aber erlaubt die weitere Ausstrahlung wegen eines überwiegendes öffentliches Interesses. Daimler plant Rechtsmittel einzulegen. Dies teilt die FAZ mit. sueddeutsche.de beantwortet die relevantesten Fragen bezüglich Hintergrund und etwaiger Folgen des Prozesses.
Recht in der Welt
USA – Datenschutz: Der Oberste Gerichtshof der USA hat bereits im vergangenen Juni eine richtungsweisende Entscheidung zum Theme Datenschutz getroffen. Demnach ist die Sichtung der Daten eines Smartphones bei der Festnahme einer verdächtigen Person grundsätzlich nicht zulässig. Paolo Ramadori beschreibt auf juwiss.de ausführlich die Hintergründe des Falls und die damit zusammenhängenden neuen Entwicklungen im US-amerikanischen Verfassungsrecht.
Sonstiges
Datenschutz und Google: Thomas Stadler (internet-law.de) analysiert einen Entschluss der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Dieser bezieht sich auf das "Google-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs. Diesem Urteil zufolge sind Suchmaschinen verpflichtet, auf Antrag eines Betroffenen unliebsame Links aus der Trefferliste zu seiner Person zu entfernen. Diese Bereinigung der Suchergebnisse darf Google laut den Datenschützern dem betroffenen Inhaltsanbieter nicht mitteilen. Stadler führt aus, weshalb er diese Auffassung aus verschiedenen Gründen für rechtlich fragwürdig hält. Er sieht beispielsweise das Informationsinteresse der Allgemeinheit beeinträchtigt.
Das Letzte zum Schluss
Vergleich mit Red Bull: Menschen können nicht aus eigener Kraft fliegen. Auch nicht mit Red Bull. Diese Erkenntnis erschien einem Kläger in New York jedoch nicht unbedingt schlüssig und so verklagte er das Unternehmen Red Bull wegen irreführenden Marketings. Nicht absurd genug, Red Bull zahlt nun sogar eine hohe Summe in einen Fond und wahrscheinlich Entschädigungen an die fehlgeleiteten Konsumenten des Energy Drinks. Diese können wegen des "falschen Versprechens" auf 10 Dollar Schadensersatz hoffen, mokiert sich spiegel.de.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Oktober 2014: EuGH zu "Gesundheitstourismus" – BGH zu "Energy & Vodka" – Kohl scheitert beim LG Köln . In: Legal Tribune Online, 10.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13443/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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