Die juristische Presseschau vom 10. März 2016: Unver­hei­ra­tete zahlen mehr für Eltern / Polens Ver­fas­sungs­ge­richt / Pres­serat zu Tät­er­her­kunft

10.03.2016

Recht in der Welt

Polen – Verfassungsgericht: Der Verfassungsgerichtshof in Warschau hat am gestrigen Mittwoch das umstrittene Gesetz, mit dem die neue Pis-Regierung das Gericht weitgehend entmachtet hat, für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht sieht sich durch das Gesetz an seiner Arbeit gehindert. So werde es durch eine Reihe von Vorschriften etwa zu Quorum, Beschlussmehrheiten und Verfahrensablauf gelähmt. Auch werde die Unabhängigkeit der Richter massiv beschränkt. Diese Bedenken werden von der Venedig-Kommission des Europarats geteilt, die bereits mitteilte, das Gesetz entspreche nicht internationalen Rechtsmaßstäben, berichtet unter anderem die FAZ (Konrad Schuller). Florian Hassel (SZ) resümiert, die Pis wolle "ein zentrales Prinzip des modernen Rechtsstaates faktisch abschaffen: dass eine Regierung und ihre Mehrheit im Parlament der Kontrolle durch unabhängige Richter unterworfen sind."

USA – VW-Skandal: Das US-Justizministerium ermittelt wegen der Abgas-Manipulationen bei VW inzwischen auch wegen des Verdachts des Bankbetrugs und von Verstößen gegen Steuergesetze. Das entsprechende Gesetz sei eigentlich für Vergehen im Finanzsektor entwickelt worden, jedoch werde gegen VW nun in alle Richtungen geprüft. Auch in anderen Ländern laufen inzwischen Ermittlungen gegen VW. In Deutschland beginnen verschiedene Sammelklagen an. Es berichten die SZ (Thomas Fromm/Klaus Ott) und das Hbl (Frank Wiebe).

Frankreich – Terrorgesetze: Die französische Nationalversammlung hat am Dienstag mit großer Mehrheit ein Anti-Terror-Gesetz beschlossen, das diverse Regeln festschreibt, die bislang nur als Notstandsbefugnisse zulässig sind. Unter anderem sollen Terrorverdächtige bei Identitätskontrollen erst nach vier Stunden einen Anwalt beiziehen dürfen, der Richtervorbehalt für verschiedene Maßnahmen, auch Hausdurchsuchungen, wird aufgehoben, und Polizisten dürfen ihre Dienstwaffe auch außerhalb ihrer Dienstzeiten einsetzen, meldet die FAZ (Michaela Wiegel). Das Gesetz stößt aufgrund der umfangreichen Freiheitsbeschränkungen auf Kritik.

Brasilien – Haftstrafe für Baumagnat: Wegen Bestechung, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung ist der brasilianische Bauunternehmer Marcelo Odebrecht zu einer Haftstrafe von mehr als 19 Jahren verurteilt worden. Sein Familienkonzern soll Manager des staatlichen Ölkonzerns Petrobras systematisch bestochen haben. Spekuliert wird nun, ob Odebrecht Staatspräsidentin Dilma Rousseff und ihren Amtsvorgänger Inácio Lula da Silva mit Zeugenaussagen belasten wird, schildert die FAZ (Carl Moses).

Sonstiges

Herkunftsnennung bei Straftätern: Wie die SZ (Karoline Meta Beisel) berichtet, hat der Presserat am gestrigen Mittwoch beschlossen, den Pressekodex hinsichtlich der Nennung der Nationalität von Straftätern in den Medien nicht zu ändern. Die bisherige Regelung, dass dies nur geschehen solle, "wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht", sei handhabbar und ermögliche vernünftige Einzelfallentscheidungen. Aufgrund der Verunsicherung in manchen Redaktionen werde der Presserat jedoch Hilfestellungen zur Definition des "begründbaren Sachbezugs" erarbeiten.

Dublin-III: Auf verfassungsblog.de befassen sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Brings, Anuscheh Farahat und Maximilian Oehl damit, inwieweit die deutsche Grenzpolitik den Maßgaben des Dublin-Systems entspricht. Sie kritisieren eine Auslegung, nach der es auf Grundlage von Art. 20 IV Dublin-III-VO für Deutschland möglich sein soll, unionsrechtskonform Einreiseverweigerungen an der Grenze auszusprechen. Damit würden die "Grundprinzipien eines kooperativen Systems gemeinsamer europäischer Verantwortungsübernahme" negiert.

Kommunalwahlrecht: Die FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit der Frage, ob es Wählertäuschung sein, wenn Kandidaten zu Kommunalwahlen antreten, die das Mandat im Falle der Wahl gar nicht annehmen dürften. Denn Landräte, Bürgermeister oder Beigeordnete dürften in manchen Bundesländern kraft Gesetz nicht zugleich Mitglied der Gemeindevertretung sein, ließen sich aber dennoch wählen und dann einen anderen Bewerber nachrücken.

Von der Leyen – Plagiatsvorwurf: Wie die Medizinische Hochschule Hannover berichtet, wird Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht der Doktortitel entzogen. Ihre Doktorarbeit enthalte zwar Fehler, eine Täuschungsabsicht sei jedoch nicht erkennbar, berichtet die SZ (Robert Roßmann).

Das Letzte zum Schluss

Tätliche Beeinflussung: Das OLG Hamm bewilligte dem Antragsgegner in einem Familiengerichtsverfahren im vergangenen Herbst die Auswechslung seines Verfahrensbevollmächtigten, weil dieser ihn zu falschen Angaben geradezu genötigt habe. Insbesondere habe er dem Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung bei fast jeder Frage der Vorsitzenden unter dem Tisch gegen sein Bein getreten. Der Antragsgegner habe zwei Monate gebraucht, um sich davon zu erholen – das Vertrauensverhältnis sei zerstört. Dies berichtet blog.beck.de (Hans-Otto Burschel)

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lil

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. März 2016: Unverheiratete zahlen mehr für Eltern / Polens Verfassungsgericht / Presserat zu Täterherkunft . In: Legal Tribune Online, 10.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18702/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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