Die juristische Presseschau vom 9. April 2013: Entwicklungen im Fall Wulff – Richterbund zum Platzvergabeverfahren – Urheberrechtsverletzungen ohne Router

09.04.2013

Im Ermittlungsverfahren gegen Christian Wulff wird mit einer Anklageerhebung gegen den Alt-Bundespräsidenten gerechnet. Für heute haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung Erklärungen angekündigt. Außerdem in der Presseschau: der Richterbund zur Platzvergabe im NSU-Verfahren, das LG München I zu Urheberrechtsverletzungen ohne WLAN-Router und warum man bei Durchsuchungen besser einen Blick in den Kühlschrank werfen sollte.

Ermittlungsverfahren Wulff: Nach Informationen der SZ (Hans Leyendecker) zeichnet sich im Ermittlungsverfahren gegen den Alt-Bundespräsidenten Christian Wulff und den Filmmanager David Groenewold wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung eine Anklageerhebung ab. So hätte die Staatsanwaltschaft bei einer gestrigen Besprechung mit Wulffs Verteidigern ihr Angebot zur Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage wiederholt und angekündigt andernfalls, Anklage zu erheben. Die Staatsanwaltschaft habe sich aber auch auf die Möglichkeit der Einstellung der Ermittlungen vorbereitet, so Die Welt (Ulrich Exner). Mit einer Erklärung der Anwälte werde im Laufe des Dienstags gerechnet; auch die Staatsanwaltschaft wolle sich äußern.

Heribert Prantl (SZ) kritisiert erneut das Vorgehen der Staatsanwaltschaft: Das Verfahren gegen Wulff müsse ohne Wenn und Aber eingestellt werden. Weil Wulff keine "Einstellung zweiter Wahl" akzeptiere, soll er nun angeklagt werden. Dies sei nicht Ergebnis eines Rechts- sondern eines Rechthabereiverfahrens. In der Wulff-Affäre habe es zweifellos Übertreibungen gegeben, meint dagegen Ludwig Greven (zeit.de). Im Kern gehe es indes nicht um eine Lappalie, sondern darum, "ob sich ein führender deutscher Politiker von Unternehmern hat kaufen lassen".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Offshore-Leaks: Rechtsanwalt Karsten Randt befasst sich in der FAZ mit der Frage, ob in den Offshore-Leaks-Fällen eine strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerflüchtige noch möglich ist. Da das Datenmaterial bisher nur verschiedenen Pressehäusern bekannt sei, stehe grundsätzlich nichts entgegen. Allerdings gebe es keine gefestigte Rechtsprechung, so dass das "Rennen um die Erlangung der Straflosigkeit" bereits begonnen habe.

"In ihren hysterischen Reaktionen verkennen deutsche Politiker, dass vieles nicht unbedingt illegal ist, was empören mag", werfen dagegen Rechtsprofessor Gustav K.L. Real und Steuerberater Frank Wehrheim auf lto.de ein.

Joachim Käppner (SZ) stellt sich angesichts der Offshore-Leaks-Enthüllungen hinter Forderungen zur Schaffung einer Bundesfinanzpolizei. Es sei seltsam, wenn der Staat Geld zum Ankauf von Steuer-CDs aus nebulösen Quellen ausgebe, ein zweifelhaftes Steuerabkommen mit der Schweiz durchsetzen wolle, Medien bitte, die Identität einschlägiger Informanten preiszugeben, aber nicht zu einer effizienteren Verfolgung von Steuer- und Finanzbetrug bereit sei.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung "werde im vorliegenden Fall mit Füßen getreten – unter dem Beifall ausgerechnet jener, die ansonsten schon bei der Weitergabe von anonymisierten Daten durch staatliche Meldeämter das Ende des Rechtsstaats heraufziehen sehen", kritisiert dagegen Ulrich Clauss (Die Welt).

Offshore-Leaks/Whistleblower: Die SZ (Hans Leyendecker) merkt zur Offshore-Leaks-Debatte an, in Deutschland bestehe noch immer kein ausreichender Schutz für private Hinweisgeber. Etwa in Großbritannien seien Whistleblower durch den Public Interest Disclosure Act (Gesetz über Enthüllungen im öffentlichen Interesse) viel besser vor arbeitsrechtlichen Schritten oder Schadenersatzforderungen des Unternehmens geschützt.

Bekämpfung Abgeordnetenkorruption: Der vom CDU-Rechtsausschuss-Vorsitzenden Siegfrid Kauder ausgearbeitete Gesetzentwurf zur Verschärfung der Regeln zur Abgeordnetenkorruption wird in dieser Legislaturperiode nach Information der SZ (Robert Roßmann) nicht umgesetzt. Der Vorstoß sei nach Angaben der Unionsfraktion nicht abgestimmt gewesen; man sehe weiterhin große Probleme, eine verfassungsrechtliche einwandfreie Lösung zu finden. In der von Deutschland 2003 unterzeichneten UN-Konvention gegen Korruption haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, alle Amtsträger im Bestechungsfall zu bestrafen.

EU-Übernahmerichtlinie: Rechtsprofessor Klaus J. Hopt widmet sich im Handelsblatt der anstehen Revision der EU-Übernahmerichtlinie von 2004. Empfehlenswert seien kleine, maßgenschneiderte Reformen, etwa hinsichtlich des Ausstiegsrechts der Aktionäre zu einem angemessenen Preis (Pflichtangebot). Bliebe es beim status quo, sei das politisch verständlich, in der Sache aber eine verpasste Gelegenheit.

Corporate Governance Kodex und Übernahmeangebote: Änderungen bezüglich Übernahmen sieht auch die für Sommer 2013 vorgesehene Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex vor, mit der sich Rechtsprofessor Ulrich Noack auf dem Handelsblatt-Rechtsboard befasst. Danach soll ein Übernahmeangebot an eine Aktiengesellschaft die Einberufung einer Hauptversammlung erforderlich machen, in der die Aktionäre darüber beraten. Es sei fraglich, ob eine Hauptversammlung nur zur Unterhaltung über das Angebot geboten sein kann, nach dem Motto "gut, dass wir darüber gesprochen haben". Nach Vorschlag Noacks soll die Gesellschaft für die bloße Beratung untereinander vielmehr ein Internetforum einrichten, das eine moderierte Diskussion über das Angebot ermöglicht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. April 2013: Entwicklungen im Fall Wulff – Richterbund zum Platzvergabeverfahren – Urheberrechtsverletzungen ohne Router . In: Legal Tribune Online, 09.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8484/ (abgerufen am: 01.07.2024 )

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