Der EuGH behandelt kommerzielle Angebot bei der Haftung für Internet-Links strenger. Außerdem in der Presseschau: Verfassungsbeschwerde von Günther Jauchs Adoptivtöchtern abgelehnt, und Professor greift Vereinsstatus von Bayern München an.
Thema des Tages
EuGH zu Linkhaftung: Der Europäische Gerichtshof musste in einem Fall aus den Niederlanden (Playboy gegen Geenstijl) entscheiden, ob schon der Link auf Seiten mit urheberrechtsverletztenden Inhalten eine unzulässige "öffentliche Wiedergabe" dieser Inhalte darstellt. Dabei differenzierte der EuGH: Bei nicht-kommerziellen Internet-Nutzern sei ein derartiger Link nur dann eine unerlaubte Wiedergabe, wenn diese von der unerlaubten Veröffentlichung wussten. Dagegen haben Nutzer mit "Gewinnerzielungsabsicht" die Pflicht, vor Setzung des Links zu prüfen, ob der verlinkte Inhalt gegen Urheberrechte verstößt. Wenn sie dennoch auf solche Inhalte verlinken, wird vermutet, dass sie die Rechtswidrigkeit kannten. Über das Urteil berichten FAZ (Hendrik Wieduwilt), taz.de (Christian Rath) und spiegel.de (Teresa Sickert). Die Anwälte Martin Gerecke und Nico Brunotte stellen auf lto.de zudem die deutsche Rechtsprechung zur Linkhaftung dar, die bei kommerziellen Webseiten einer ähnlichen Linie folge wie nun der EuGH.
Anwalt Niko Härting (cr-online.de) kritisiert das EuGH-Urteil. Die Schlechterstellung von Medien wegen ihrer Gewinnerzielungsabsicht gefährde die Kommunikationsfreiheit. Ähnlich argumentiert Anwalt Ralf Petring (petringlegal.blogspot.de). Das Urteil werde für "kaum rechtssicher prognostizierbare Streitigkeiten" sorgen und Abmahnkanzleien neue Geschäftschancen eröffnen. Anwalt Thomas Stadler (internet-law.de) kann im EuGH-Urteil "keinerlei Dogmatik" erkennen. "Es handelt sich um eine mehr oder weniger beliebige Billigkeitsrechtsprechung." Dagegen befürwortet Rechtsprofessor Leonhard Bohusch auf netzpolitik.de die Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung von Werken, die auch bei anderen Fragen des Internetrechts sinnvolle Lösungen ermögliche.
Rechtspolitik
Erbschaftsteuer: Am gestrigen Donnerstag tagte erstmals der Vermittlungsausschuss zur Reform der Erbschaftsteuer, vertagte sich jedoch alsbald bis zum 21. September. Bis dahin soll eine Arbeitsgruppe Lösungen finden, berichtet tagesschau.de (Tom Schneider) und referiert auch den Streitstand.
Unterhalt: Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will, dass die geplante Ausweitung des Unterhaltsvorschusses schon 2017 greift, berichtet die SZ (Constanze von Bullion). Schwesig werde bald einen Gesetzentwurf vorlegen, die Reform solle nicht erst nach den Wahlen diskutiert werden.
Grunderwerbsteuer: Die Finanzminister der Länder wollen bis November Vorschläge vorlegen, wie die Umgehung der Grunderwerbsteuer durch Immobilien-Unternehmen verhindert werden kann, meldet die SZ (Benedikt Müller). Bisheriger Trick: Investoren kaufen nicht Immobilien an sich, sondern beteiligen sich an einem Unternehmen, das Immobilien besitzt.
Datenschutz: Nun stellt auch blog.beck.de (Axel Spieß) das Gesetz zur Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung und seine Grundstruktur vor. Das bisherige Bundesdatenschutzgesetz werde dabei durch ein "Allgemeines Bundesdatenschutzgesetz" ersetzt.
Justiz
BVerfG zu Jauchs Adoptivtöchtern: Medien dürfen Vornamen und Alter der beiden Adoptivtöchter von Moderator Günther Jauch erwähnen. Die beiden Mädchen sind mit Verfassungsbeschwerden gegen ein entsprechendes BGH-Urteil gescheitert, meldet lto.de, da ihre Namen schon früher bekannt waren.
EuGH zu Abfall in Griechenland: Weil Griechenland seit über zehn Jahren versäumt hat, einen Plan zum Umgang mit gefährlichen Abfällen aufzustellen, muss das Land jetzt einen Pauschalbetrag von zehn Millionen Euro bezahlen sowie 30.000 Euro für jeden weiteren Tag des Verzugs . Griechenland wurde in dieser Sache zum zweiten Mal vom EuGH verurteilt, meldet lto.de.
EuGH - Fluggastdaten: Der Generalanwalt Paolo Mengozzi hat in seinem Schlussantrag vorgeschlagen, das europäisch-kanadische Abkommen zu beanstanden, das die Speicherung der Daten europäischer Fluggäste in Kanada regeln soll. Unter anderem sei nicht sichergestellt, dass die Daten nur zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender schwerer Kriminalität benutzt werden. Das Europäische Parlament hatte ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs beantragt. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch) und taz (Christian Rath).
EuGH - Mehrwertsteuer für E-Books: Die Generalanwältin Juliane Kokott hat laut faz.net in ihrem Schlussantrag die derzeitige EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie verteidigt. Die höhere Besteuerung von E-Books und anderer digitalen Werke im Vergleich zu Papier-Büchern und -Zeitungen sei dadurch gerechtfertigt, dass digitalen Produkte geringere Vertriebskosten haben. Das polnische Verfassungsgericht hatte den Fall dem EuGH vorgelegt.
BVerwG zu Führerschein für Flüchtling: Auch ein Flüchtling, der über keinen amtlichen Nachweis seiner Geburt verfügt, kann in Deutschland den Führerschein machen. Eine Bescheinigung der Asylbehörde mit Geburtsdatum und Foto genüge, entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall aus Gelnhausen, über den die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet.
AG Düsseldorf zu vorgetäuschtem Anschlag: Ein 15-jähriger marokkanischer Hauptschüler muss zwanzig Sozialstunden ableisten, entschied laut spiegel.de das Amtsgericht Düsseldorf. Er hatte einer Lehrerin auf dem Schulhof eine Handgranaten-Attrappe vor die Füße geworfen und dabei "Allahu Akbar" gerufen.
LG Frankfurt/M. - Zinswetten: Die Deutsche Bank ist bereit, der Stadt Pforzheim im Rahmen eines Vergleichs 7,7 Millionen Euro zu zahlen. Pforzheim hatte 20 Millionen Euro plus Zinsen gefordert, weil die Bank die Stadt ohne ausreichende Aufklärung zu hochspekulativen Zinsgeschäften überredet habe. Wenn Pforzheim dem Vergleich nicht zustimmt, will das Landgericht Frankfurt/Main. am 12. Oktober sein Urteil verkünden, meldet die FAZ (Tim Kanning).
AG München - Bayern München: Der Rechtsprofessor Lars Leuschner hat in einem Schreiben an das Amtsgericht München angeregt, den FC Bayern München wegen "Rechtsformverfehlung" aus dem Vereinsregister zu streichen. Darüber berichtet zeit.de (Oliver Fritsch). Der Professor hält die Strukturen des FC Bayern mit seiner ausgegliederten Profi-Abteilung eigentlich für rechtmäßig, will aber das Amtsgericht München zur Änderung seiner als zu streng empfundenen bisherigen Rechtsauffassung bewegen.
StA Freiburg - Schulte-Kellinghaus: Die Freiburger Staatsanwaltsschaft hat Ermittlungen wegen versuchter Nötigung gegen die früherer Präsidentin des OLG Karlsruhe Christine Hügel abgelehnt, berichtet lto.de (Pia Lorenz). Hügel hatte den OLG-Richter Thomas Schulte-Kellinghaus 2012 aufgefordert, seine stark unterdurchschnittlichen Erledigungszahlen zu verbessern. Diese Aufforderung sei jedoch nicht verwerflich, so die Staatsanwaltschaft.
Recht in der Welt
Russland - Krimtataren verurteilt: Ein Militärgericht in Rostow am Don hat vier Krimtataren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Den vier Männern wurde die Mitgliedschaft in der Vereinigung "Hizb ut Tachrir al Islami" (Partei der islamischen Befreiung) vorgeworfen, die in Russland als terroristische Vereinigung gilt. Die FAZ (Friedrich Schmidt) spricht von einem "Schauprozess". Er solle die muslimischen Krimtataren, die die russische Krim-Annektion überwiegend ablehnen, einschüchtern.
Juristische Ausbildung
Dresden: Rund fünzig Anwaltskanzleien, Notariate und Beratungsgesellschaften haben sich zusammengetan und wollen der juristischen Fakultät der Uni Dresden zwei juristische Lehrstühle stiften. So soll die Schließung der Fakultät verhindert werden und dort die Wiedereinführung des Staatsexamens ermöglicht werden, berichtet die FAZ (Stefan Locke). Das Land Sachsen konzentriert die juristische Ausbildung seit Jahren in Leipzig und will nun auch die juristische Nebenfach-Ausbildung dorthin verlagern. Für die Wiedereinführung des Staatsexamens in Dresden genügten zwei zusätzliche Professoren nicht, so das Wissenschaftsministerium.
Sonstiges
Versicherung beim Unternehmenskauf: Der Anwalt Dirk Kramer stellt auf lto.de das Instrument der Gewährleistungsversicherung beim Unternehmenskauf vor. Damit werde der Käufer abgesichert, dass die Versprechungen zum Zustand des erworbenen Unternehmens korrekt sind.
Das Letzte zum Schluss
Knast statt Scheidung: Ein amerikanischer Rentner, der das Leben mit seiner Ehefrau nicht mehr aushielt, hat einen Banküberfall begangen, um sich anschließend verhaften zu lassen. Wie spiegel.de berichtet, wollte er seine Ruhe haben, habe aber nicht den Mut zu einer Trennung gehabt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. September 2016: EuGH regelt Linkhaftung / Jauchs Töchter scheitern / Attacke auf Bayern München . In: Legal Tribune Online, 09.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20530/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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