Bild nennt ihn den "härtesten Jugendrichter Deutschlands". Jetzt hat Andreas Müller ein Buch geschrieben. Außerdem in der Presseschau: Zweifel an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, kein Asyl mit manipulierten Fingerabdrücken, die Niederlande haften für serbischen Völkermord, Markenanwälte bei der Funkausstellung und warum Prinz Andrew im heimischen Schlossgarten nicht mehr sicher ist.
Thema des Tages
Sozialromantik und Jugendstrafrecht: Der Bernauer Jugendstrafrichter Andreas Müller hat ein Buch geschrieben, "Schluss mit der Sozialromantik", das seit diesem Montag im Handel ist. Im Interview mit dem Focus (Michael Klonovsky) wendet sich Müller gegen Richter, "die meinen, dass man jeden Straftäter mit rein sozialpädagogischen Maßnahmen hinbekommt". Er dagegen will "schnell und effektiv reagieren. Und bisweilen eben auch hart", vor allem bei Intensivtätern. Ein weiteres Interview mit Müller steht auf bild.de (Roland Keitsch). "Ich habe von etlichen schon Dank erhalten: Wenn Sie mich nicht eingesperrt hätten, wäre es noch schlimmer gekommen."
In der WamS schreibt Andreas Müller einen eigenen Beitrag. Darin fordert er u.a., dass auch ein- oder zweimonatige Jugendstrafen (statt derzeit mindestens sechs Monaten) möglich sein sollten, um die Sanktion häufiger einsetzen zu können. Außerdem sollten Verfahren wegen Gewaltdelikten nur mit Zustimmung des Opfers eingestellt werden können. Derzeit werde bei Intensivtätern manche Tat aus Effizienzgründen gar nicht mehr angeklagt.
Rechtspolitik
PKW-Maut: Der CSU-Vorschlag einer PKW-Maut nur für Ausländer, verstoße gegen EU-Recht erläutert lto.de (Claudia Kornmeier) unter Berufung auf den Europarechtler Volker Boehme-Neßler. Die Maut für alle, sei – wenn sie bei Deutschen mit der Kfz-Steuer verrechnet wird – eine versteckte Diskriminierung. CSU-Experte Stephan Meyer hält aber eine Kompensation durch die Absenkung der "Mineralölsteuer" für zulässig.
Leutheusser-Schnarrenberger: Der Spiegel (Melanie Amann/Ralf Neukirch) geht davon aus, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der FDP keinen guten Stand mehr hat, da sie zuviel blockiere und zu wenig gestaltet habe. Sollte die FDP in Bayern, wo die Ministerin Landesvorsitzende ist, ein schlechtes Landtagswahlergebnis erzielen, sei ihr Ministerposten auch bei Fortführung einer schwarz-gelben Koalition gefährdet.
Justiz
EuG zu Durchsuchungen: Das Europäische Gericht hält unangemeldete Durchsuchungen bei der Bahn für rechtmäßig, auch wenn kein richterlicher Beschluss vorlag, meldet die Samstags-FAZ. Bei den Ermittlungen ging es um Wettbewerbsrecht.
BVerwG zu Fingerabdrücken im Asylrecht: Wenn Asylbewerber ihre Fingerabdrücke manipulieren, kann das Verfahren ohne Prüfung der Anträge eingestellt werden. Ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellen taz.de (Christian Rath) und auf lto.de der Anwalt Wolfram Steckbeck vor. Ziel der Manipulation ist die Verschleierung, dass bereits in einem unbeliebten Asylland wie Italien ein Asylverfahren läuft.
LG Düsseldorf zu Zinswetten: Mehrere Städte hatten mit Klagen gegen die WestLB Erfolg. Die Bank habe die Kommunen beim Abschluss komplexer Zinswetten zu wenig aufgeklärt, berichtet die Samstags-SZ (Kirsten Bialdiga). Die Bad Bank der WestLB muss den Kommunen nun rund eine Million Euro zurückzahlen.
AG Rathenow zu Balkonrauchern: Mieter müssen dulden, dass auf dem Balkon der Wohnung unter ihnen bis zu zwanzig Zigaretten pro Tag geraucht werden. Das entschied laut Tagesspiegel das Amtsgericht Rathenow.
OLG München – NSU: Am jüngsten Prozesstag stand am Oberlandesgericht München eine Zeugin im Mittelpunkt, die die mutmaßlichen NSU-Täter 2005 im Umfeld eines Anschlags in Nürnberg beobachtet hatte, damals aber von der Polizei nicht ernst genug genommen wurde. Es berichtete u.a. spiegel.de (Julia Jüttner).
LG Hannover – Glaeseker: Das Landgericht Hannover hat die Anklage gegen Olaf Glaeseker, den ehemaligen Sprecher von Christian Wulff, wegen Bestechlichkeit zugelassen, meldet spiegel.de. Glaeseker soll von einem Eventmanager eingeladen worden sein, nachdem Glaeseker diesem Sponsoren für Veranstaltungen besorgt hatte.
BVerwG – muslimische Schülerin: Am Mittwoch will das Bundesverwaltungsgericht über die Frage entscheiden, ob sich eine muslimische Schülerin aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht befreien lassen kann. Den Fall schildert der Spiegel (Matthias Bartsch/Dietmar Hipp/Maximilian Popp).
LG Darmstadt – Heidi K.: Am heutigen Montag beginnen am Landgericht Darmstadt die Plädoyers im Prozess gegen die Lehrerin Heidi K. Ihr wird Freiheitsberaubung vorgeworfen, weil sie einen Kollegen fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt haben soll, der dann fünf Jahre im Gefängnis saß. Die WamS (Hannelore Crolly) schildert Fall und Prozess ausführlich. Das Urteil wird für Mitte September erwartet.
Klagen wegen Disco-Diskriminierung: Der Spiegel (Dietmar Hipp/Anna Kistner) schildert Klagen von Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe oder der Vermutung, dass sie einen Migrationshintergrund haben, nicht in Diskotheken Einlass fanden. Rechtsgrundlage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Recht in der Welt
Niederlande – Srebrenica: Muslimische Opfer des serbischen Völkermords von Srebrenica können von den Niederlanden Schadensersatz verlangen. Das entschied der Hohe Rat, das höchste Gericht der Niederlande. Das Land hafte für Fehlverhalten (hier mangelnden Schutz) seiner Blauhelmsoldaten auch dann, wenn diese unter UNO-Kommando stehen, berichtet u.a. die Samstags-SZ (Stefan Ulrich). Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: "Dieses Urteil aus den Niederlanden sollten sich auch Bundesregierung und Bundestag ansehen."
EGMR – Berlusconi: Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen, nachdem er im August rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Die Montags-Welt (Thomas Bayer) schildert, wie Berlusconi sich gegen die Folgen des Strafurteils stemmt.
Kroatien – Auslieferung: Die Samstags-FAZ (Karl-Peter Schwarz) schildert ausführlich, wer warum von der kroatischen Beschränkung des europäischen Haftbefehls profitiert.
EuG – iranische Banken: Das Europäische Gericht hat das von der EU 2012 im Streit um das iranische Atomprogramm beschlossene Einfrieren von Geldern iranischer Banken und Unternehmen jetzt in mehreren Fällen für nichtig erklärt. Die Montags-taz (Silke Mertins) schildert die Entscheidung und Vorgängerurteile.
Responsibility to Protect: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Sassan Gholiaga stellt auf verfassungsblog.de das neue völkerrechtliche Prinzip "Responsibility to Protect" vor. Das Dilemma, das hiermit eigentlich gelöst werden sollte, bestehe aber weiterhin: "Bei einer Blockade im UN Sicherheitsrat gibt es keine völkerrechtskonforme Möglichkeit eines Militärschlags."
Syrien – Giftgas: In einem Leserbrief an die Montags-FAZ erläutert Thomas Dreist, dass Syrien beim Einsatz von Giftgas in einem internen Konflikt kein Völkerrecht verletzt habe. In einem weiteren Leserbrief an die Montags-FAZ beschreibt Rechtsprofessor Andreas Zimmermann, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht für mögliche Giftgasangriffe des syrischen Regimes zuständig ist.
Sonstiges
Patent- und Markenanwälte auf der IFA: lto.de (Markus Sehl) beschreibt wie Patent- und Markenanwälte auf der Internationalen Funkausstellung nach Plagiaten suchen. Verdächtige Stücke werden vor Ort photographiert, mit einem mobilen Drucker wird eine Abmahnung ausgedruckt und notfalls wird ein Bereitschaftsdienst des Landgerichts Berlin genutzt, um eine einstweilige Verfügung zu erhalten.
Festakt C.H. Beck: Die Montags-FAZ (Jürgen Kaube) schildert den Festakt zum 250-jährigen Jubiläum des juristischen Fachverlags. BVerfG-Präsident Andreas Voßkuhle habe den Verlag zum "nicht-offiziellen Organ der Rechtspflege" erklärt.
Das Letzte zum Schluss
Die Polizei und der Prinz: Harte Sicherheitsmaßnahmen können jeden treffen. Prinz Andrew, ein Sohn der Queen, wurde von der Polizei im Garten des Buckingham Palace angehalten, um seinen Ausweis zu kontrollieren. Das berichtet spiegel.de. Erste Meldungen, wonach er mit Waffen bedroht wurde und sich auf den Boden legen musste, bestätigten sich allerdings nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. - 9. September 2013: Sozialromantik und Jugendstrafrecht – Fingerkuppen im Asylrecht – Holländische Haftung für Srebrenica . In: Legal Tribune Online, 09.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9516/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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