Eine überraschende und wohl für die StA Augsburg glückliche Wende im Fall Gurlitt: Es gibt eine Einigung über den Kunstschatz. Außerdem in der Presseschau: Vorratsdatenspeicherung vor Entscheidung, Top-Wirtschaftskanzleien unter Beschuss, neue Vorwürfe gegen Edathy, Pistorius' Aussage und ein Bonner Privat-Sheriff, der vom Amtsgericht in die Schranken gewiesen wird.
Thema des Tages
Einigung im Fall Gurlitt: Von einer überraschenden Wende im "Fall Gurlitt" berichten die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) und das Feuilleton der FAZ (Rose-Maria Gropp). So sei es zwischen Bayern, dem Bund und Cornelius Gurlitt zu einer "entscheidenden Vereinbarung" über den Schwabinger Kunstfund gekommen, die die weitere Provenienzforschung und eine Restitution der Werke auf Grundlage des Washingtoner Abkommens ermögliche. Auch die taz (Brigitte Werneburg) berichtet. In einem weiteren Artikel kündigt die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) an, dass das von der Staatsanwaltschaft Augsburg betriebene Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Gurlitt wohl bald gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt werde.
Heribert Prantl (SZ) freut sich, dass der "Gurlitt'sche Knoten endlich aufgedröselt" sei und die "trampeligen Ermittlungen" der Staatsanwaltschaft "nun ein glückliches Ende" fänden. Immerhin bewahre die Vereinbarung die Ermittlungsbehörde wohl "vor einer juristischen Bankrotterklärung", da nun Amtshaftungsansprüche wegen der Beschlagnahme wohl kaum mehr in Frage kämen.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Am heutigen Dienstag wird der Europäische Gerichtshof seine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung verkünden. Die Welt (Manuel Bewarder) fasst in ihrer Vorberichterstattung die rechtspolitische Debatte in Deutschland noch einmal zusammen. Auch zeit.de (Johannes Wendt) und netzpolitik.org (Anna Biselli) bringen Vorberichte zur Urteilsverkündung.
Thomas Stadler (internet-law.de) berichtet kurz und nimmt dann eine Aussage von Bundesinnenminister de Maizière auseinander, in der dieser die Wiedereinführung befürwortet und laut Stadler in einem kurzen Satz drei Unrichtigkeiten unterzubringen vermag.
Justiz
Top-Kanzleien unter Beschuss: Die "erste Garde der deutschen Wirtschaftskanzleien" macht laut FAZ (Joachim Jahn) gerade eine "ganz neue Erfahrung": Gleiss Lutz wird von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus vor dem Landgericht Stuttgart verklagt; er werfe der Kanzlei "schwere Beratungsfehler" im Zusammenhang mit dem EnBW-Rückkauf vor. Und Hengeler Mueller, die zweite im Bunde, sieht sich gar Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft ausgesetzt: Gegen zwei ihrer Anwälte wird im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess wegen mittäterschaftlichen versuchten Betrugs in einem besonders schweren Fall ermittelt. Zudem prüfe die Deutsche Bank Regressforderungen gegen Hengeler Mueller.
StA Hannover – Edathy: Wie die FAZ (Eckart Lohse) berichtet, gibt es neue Vorwürfe gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (SPD). So gehe die Staatsanwaltschaft Hannover Hinweisen eines IT-Mitarbeiters nach, der im elektronischen Papierkorb von Edathys Bundestagsrechner Nacktbilder von Knaben gefunden haben soll.
BGH – Arzthaftung bei Geburtsfehler: Der Bundesgerichtshof wird am heutigen Dienstag zum zweiten Mal über den Fall eines behindert zur Welt gekommenen Jungen verhandeln, der bald seinen dreißigsten Geburtstag erleben wird. Die SZ (Christopher Keil) berichtet ausführlich über den Fall, der seit mehr als 20 Jahren die Gerichte beschäftigt und bei dem es um die finanzielle Absicherung des Mannes geht – und die Verantwortung des seine Geburt 1984 leitenden Frauenarztes. Hauptprozessgegner sei aber nicht dieser persönlich, sondern seine Versicherung, die Allianz. Auch die Welt (Sebastian Jost) berichtet umfassend.
AG Dresden zu Sitzblockade: Einer Meldung der SZ zufolge hat das Amtsgericht Dresden den sächsischen Grünen-Politiker Johannes Lichdi wegen dessen Teilnahme an einer Sitzblockade gegen den Neonazi-Aufmarsch 2011 zu einer Geldstrafe verurteilt. Lichdi habe Rechtsmittel angekündigt.
LG München I zu Online-Kündigung: Die Anwältin Doris Deucker stellt auf lto.de das im Dezember letzten Jahres vom Landgericht München I verkündete Urteil zu Online-Kündigungen vor. Das Gericht hatte entschieden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen, die trotz Online-Vertragsschluss für eine Kündigung die Schriftform vorsehen, unwirksam sind.
BSG zu Unternehmensjuristen: Das Handelsblatt (Wolf Albin) berichtet ausführlich über die Urteile des Bundessozialgerichts vom Ende vergangener Woche, die Unternehmensjuristen die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung untersagen. Anwaltsvertreter kritisierten das Urteil scharf, sie würfen dem Gericht die Zugrundelegung eines anwaltlichen Berufsbildes vor, "das der Wirklichkeit überhaupt nicht mehr entspricht" und befürchteten eine "Spaltung der Anwaltschaft". Der Rechtsanwalt Jochen Leßmann beschäftigt sich zudem auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit den "überraschenden Urteilen".
Recht in der Welt
Südafrika – Pistorius-Prozess: Die FAZ (Claudia Bröll) berichtet von der ersten Aussage des wegen Mordes an seiner Freundin angeklagten Paralympics-Stars vor dem Gericht in Pretoria. Er habe die Familie der Getöteten unter Tränen um Verzeihung gebeten und beteuert, dass es sich um einen tragischen Unfall gehandelt habe. Er werde von Albträumen und Panikattacken geplagt und müsse Antidepressiva nehmen. Die SZ (Kim Björn Becker) überschreibt ihre Reportage mit den Worten "Tragisches Theater" und auch die Welt (Christian Putsch) bringt einen Report.
Ruanda – Aufklärung des Völkermords: "Nicht frei von Siegerjustiz" – unter dieser Überschrift beschäftigt sich die FAZ (Helene Bubrowski/Jochen Stahnke) mit der juristischen Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda durch den im tansanischen Arusha ansässigen UN-Strafgerichtshof für Ruanda. Der Grund: Die siegreiche Bürgerkriegspartei in Ruanda habe großen Einfluss darauf, welche Beweismittel dem Gerichtshof vorgelegt würden. Trotz aller Kritik habe das Gericht die "Entwicklung des humanitären Völkerrechts entscheidend vorangebracht", indem es Vergewaltigung und sexuelle Gewalt nicht nur als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch als Völkermordhandlung anerkannt habe. Neben dem Gerichtshof seien auch verschiedene europäische Ermittlungsbehörden und Gerichte mit dem ruandischen Völkermord befasst. Die taz (Simone Schlindwein) berichtet über die Bemühungen von Ruandas eigener Justiz, den Genozid zu verarbeiten und weltweit die letzten flüchtigen Haupttäter dingfest zu machen.
Niederlande – Mütter von Srebrenica klagen: Laut einer Meldung der taz verklagen die "Mütter von Srebrenica" die Niederlande wegen der Ermordung ihrer Angehörigen während des Bosnien-Krieges. Die bosnische Stadt Srebrenica stand als UN-Schutzzone unter dem Schutz niederländischer Blauhelmsoldaten, wurde aber von serbischen Truppen überrannt. Etwa 8.000 muslimische Jungen und Männer wurden getötet.
Türkei – Youtube zieht vor Verfassungsgericht: Wie die SZ meldet, will das Online-Videoportal Youtube nun vor dem türkischen Verfassungsgericht für eine Freigabe seiner von der Regierung gesperrten Dienste streiten. Der ebenfalls von der Sperrung betroffene Kurznachrichten-Dienst Twitter hatte vor dem Gericht bereits Erfolg.
USA – Supreme Court zu Wahlkampffinanzierung: Auf verfassungsblog.de beschäftigt sich die Rechtswissenschaftlerin Jelena von Achenbach mit der Rechtsprechung des US Supreme Court zur Wahlkampffinanzierung und einer in diesem Zuge in der vergangenen Woche ergangenen Entscheidung des Gerichts, in der dieses Höchstgrenzen für Wahlkampfspenden als Verletzung der Redefreiheit und der Vereinigungsfreiheit für verfassungswidrig erklärt habe.
Das Letzte zum Schluss
Privat-Sheriff in Schranken gewiesen: Das Amtsgericht Bonn hat, wie lawblog.de (Udo Vetter) genüsslich berichtet, einen "selbsternannten Blockwart" in seine Schranken gewiesen. Der Herr hatte von einem Hundebesitzer, der seinen Hund unangeleint im Naturschutzgebiet spazieren führte, ein regelrechtes bebildertes Oberservationsprotokoll angefertigt und diesen angezeigt. Darin sah nicht nur der Betroffene eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts – sondern auch das Gericht. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten seien immer noch die Ordnungsbehörden zuständig.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. April 2014: Einigung im Fall Gurlitt – Top-Kanzleien unter Beschuss – Neue Vorwürfe gegen Edathy . In: Legal Tribune Online, 08.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11591/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag